Keine und noch mehr keine...

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huwawa

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Keine und noch mehr keine...

Noch vor wenigen Jahren bewegten sich Fußgänger nur wenn sie krank oder verletzt waren mit zwei Stöcken in den Händen fort. Seit es Nordic Walking gibt, ist das jedoch anders. Diese aus Skandinavien kommende Art des Wanderns gewinnt auch bei uns immer mehr Anhänger. Ob in Städten oder auf dem Land, überall sieht man Menschen jeden Alters mit Schistöcken, ähnlich wie sie beim Langlaufen gebräuchlich sind, über Wege und Straßen eilen. Jawohl, eilen, denn zwangsläufig stellt sich beim Gehen mit leicht nach vorn gebeugtem Oberkörper, Hand- und Fußbewegungen zu einem flüssigen Bewegungsablauf koordinierend, ein etwas zügigerer Schritt ein.

Zugegeben, manchmal sieht es ein wenig seltsam aus, wenn die Nordic Walker, einzeln oder in Gruppen, kaum nach links oder rechts blickend, dahinstiefeln. Aber gesund soll es ja sein, sehr gesund sogar. Es ist einfach das Fehlen der den Schistöcken entsprechenden Gleithilfen an den Füßen, das auf viele Betrachter komisch wirkt. Aber auf der Straße oder auf Gehwegen kann man eben nicht mit Schiern laufen, das ist ja wohl klar!

Kürzlich machte ich an einem Sonntag Vormittag in diesem, uns mit seinen Auswirkungen der Klimaerwärmung doch ziemlich überraschenden Winter, einen kleinen Spaziergang. Nachts war wieder ausgiebig Schnee gefallen und es bereitete mir Spaß, durch das noch unberührte, flauschige Weiß am Straßenrand zu stapfen. Da näherte sich mit schwingenden Stöcken und schneestaubendem Schritt ein Paar, etwa um die fünfzig, unverkennbar: Nordic Walker.

In diesem Augenblick fiel mir eine von Friedrich Torberg überlieferte Anekdote über den legendären Wiener Publizisten und Kritiker Alfred Polgar ein. Als Polgar, der für seine von bissiger Ironie und brillantem Sprachwitz geprägten Kommentare berühmt war, einmal mit Freunden im Café Herrenhof saß, betrat der nicht gerade vermögende Schriftsteller Otto Soyka das Lokal, im Reitkostüm, mit Stiefeln, Sporen und Gerte. „Also, ich habe ja auch kein Pferd," bemerkte Polgar. „Aber so sehr kein Pferd wie der Soyka habe ich bestimmt nicht!"

Sinnend blickte ich den an mir vorbeieilenden Stockwanderern nach. Also, ich habe ja auch keine Langlaufschier, ging mir durch den Kopf, aber so sehr keine Langlaufschier wie diese Nordic Walker im Schnee...

Ja, wie der Polgar eine Sache auf den Punkt bringen konnte, das war schon genial! Eine Weile beschäftigten sich meine Gedanken noch damit, wandten sich dann aber, wohl vegetativ vom Magen aus gesteuert, dem zu Hause im Herd knusprig heranbruzzelnden Sonntagsbraten zu. Angeregt schlossen sich die Füße dem Weg meiner Gedanken an.
 

ENachtigall

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Hallo huwawa,

die Übermittlung dieser Anekdote ist Dir mittels der kleinen Betrachtung wunderbar gelungen. Eine fürwahr witzige Redewendung, die ich sicher nicht mehr vergessen will und werde.
Noch vor wenigen Jahren bewegten sich Fußgänger nur wenn sie krank oder verletzt waren mit zwei Stöcken in den Händen fort.
Dein einleitender Satz hat es mir angetan. Man merkt gleich: jetzt kommt was.

Gruß
Elke
 

huwawa

Mitglied
Hallo Marius

Ja, den Beitrag von Minotaurus habe ich gelesen. Mir ging es aber nicht um die Nordic Walker an sich, sondern mich amüsierte einfach der Vergleich mit der Anekdote über Polgar und den Reiter ohne Pferd.


@ ENachtigall

Ja, es ging mir im Grunde um die Übermittlung der Anekdote. Und dass dir mein Einstiegssatz in die Geschichte gefällt freut mich ganz besonders!

liebe Grüße
huwawa
 

Asgar

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gut gemacht,
der Vergleich mit der Anekdote passt,
gefällt mir gut ^^

Und den Einleitungssatz finde ich auch gelungen XD

kurz:
Ich kann mich meinen "Vorrednern" nur anschließen.

mfg Asgar
 



 
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