Keller

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Sn0wflake

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Keller (nochmal ein klein wenig überarbeitet)

Keller

»Du gehst jetzt auf der Stelle nach unten und holst Saft!«
Die große Gestalt ragte bedrohlich über Tim auf und aus dem anfänglichen Meckern war nun ein Brüllen geworden. Tim stand mit offenem Mund da und starrte seinen Vater mit großen, angsterfüllten Augen an. Angespannt presste er seine Lippen zusammen. Jetzt bloß nicht losheulen, dachte er.
»Ich hab angst« es war viel mehr ein Flüstern als ein Sprechen.
Auf der einen Seite hoffte er, dass es leise genug war, dass sein Vater es nicht gehört hatte. Aber auf der anderen Seite wollte er, dass er es hörte und ihn verschonen würde. Alles, bloß nicht nach unten in den Keller gehen.
Aber sein Vater hatte nichts begriffen. Tim war sich nicht ganz sicher ob er es nun gehört hatte, aber die tiefen Furchen auf seiner Stirn ließen nichts gutes Verheißen.
»Mein Gott, Tim! Es ist hellichter Tag! Was bist du nur für eine Mimose! Du holst jetzt sofort Saft hoch! Und dann wird gegessen!«
Seine Stimme war ruhig, aber die mitschwingende Schärfe darin hätte selbst ein Taubstummer vernehmen können.
Tim versuchte noch ein letztes Mal sich zu wehren, gegen die harten Worte anzukommen. Sein Vater war streng. Streng aber fair. Und wenn er eines hasste, dann Feiglinge.
Feiglinge wie ich einer bin, dachte Tim und senkte schuldbewusst den Kopf.
Wäre seine Mutter dagewesen, wäre sie mitgegangen oder hätte zumindest oben am Treppengeländer auf ihn gewartet. Sie verstand seine Ängste.
Wortlos hatte er sich wieder umgedreht und rührte in einem der Töpfe, die auf dem Zerahnfeld standen.
Leise schlich Tim in den Flur. Ganz langsam ging er auf den Treppenabsatz zu und schaute in das schwarze, unheilvolle Dunkel, dass dort unten auf ihn lauerte.
An dem Keller war eigentlich nichts ungewöhnlicheres als an anderen Kellern in Neubauwohnungen. Es war nicht einer von den vorkriegszeitlichen, dunklen, klammen Kartoffelkellern, in denen es nach muffigem Wasser roch. Es gab auch keine knarrenden steilen Stufen oder Winkel, in denen sich jemand hätte verstecken können.
Nein, es war ein moderner, ausgefliester und beheizter Keller.
Aber Tim hatte schon immer Respekt vor ihm gehabt. Dort unten war man allein und das Licht wirkte auf unheimliche Weise schummrig und kalt.
Das konstante Dröhnen der Wärmepumpe, das aus dem Heizkeller (dem einzigen Raum ohne Fenster) kam, hatte ihn seit eh und je zu tiefst beunruhigt. Hin und wieder gab dersummende Gefrierschrank ein Poltern von sich und die Waschmaschine erzählte knarrend ihre Geschichten von Buntwäsche.
Ein eher unspektakulärer Keller. Nicht mal Spinnen ließen sich häufig dort unten blicken. Man konnte ihre Anwesenheit auch nur erkennen, wenn man ganz pingelig die unerreichbarsten Stellen nach Spinnenweben absuchte.
Aber trotzdem flößte er einem kleinen Jungen wie Tim große Angst ein. Keller blieben dunkel, gruselig und einsam.
Vielleicht hatte der Junge auch zu viele gruselige Filme gesehen oder zu oft zu lange wach in seinem Bett gelegen. Bei manchen Kindern waren es die Monster im Schrank, bei Tim eben der Keller.
Manchmal, wenn er nicht einschlafen konnte -in jenen Momenten wo man jedes kleinste Geräusch lauter wahrnahm als sonst- schien es ihm, als wenn er sogar die Klänge aus dem Keller hören könnte. Und dann war es so, als wenn sich den gewohnten Summtönen plötzlich andere, fremde Geräusche bei mischten. Wie oft hatte er nicht schon gedacht, dass ein böser Einbrecher im Haus sei. Aber nie hatte er Schritte die Treppe heraufkommen hören. Außerdem waren die Kellerfenster viel zu klein für einen Erwachsenen.
Und so verspann sich seine Angst zu weit schlimmeren Vorstellungen. Da unten sind Geister. Schatten und Kreaturen, die die Sonne mieden. Er bildete sich ein, sie würden nur auf ihn allein warten, und eines Tages, wenn er nicht damit rechnen würde, würden sie unbemerkt die Treppe herauf schleichen und ihn im Schlaf überraschen. Aber noch beängstigender für ihn war, wenn er zu seinen Horrormonstern hinunter musste.
So wie jetzt.
Saft holen.
Mit angehaltener Luft horchte Tim nach ungewöhnlichen Geräuschen, die aus dem Keller kommen konnten.
Nichts.
Ganz leise hörte er das monotone Brummen der Wärmepumpe.
Ruummmmssss.
Der Gefrierschrank hüstelte und Tim zuckte für einen Moment zusammen. Dann war es wieder still.
Er befeuchtete seine Lippen und trat vorsichtig die ersten beiden Stufen herunter. Dann blieb er wieder stehen und lauschte nach seinem Vater, der in der Küche rumhantierte.
Tim schaltete das Licht ein, was in diesem Moment kein wirklicher Trost für ihn war. Ganz im Gegenteil. Das schummrige Licht, dass die Glühbirne an die Wände warf, lies die Schatten nur noch mehr aufleben. Energiesparlampen brauchen eben so ihre Zeit, bis sie richtig hell werden.
Er wäre gern gerannt, aber das hätte nur noch mehr Aufmerksamkeit erregt. Die Schatten würden ihn sofort bemerken.
Wie Hunde, dachte Tim nervös. Bloß nicht rennen, schön langsam.
Seine Mutter hatte ihm oft geraten, er solle ein Liedchen pfeifen wenn er hinab ging, aber das würde zu demselben Resultat führen, wie wenn er rannte.
Schwerfällig ging er den Rest der Treppe hinab. Immer bereit zurückzuspringen, falls eine Hand ihn zwischen den Stufen packen sollte.
Alles war still und Tim wurde ein wenig lockerer. So unauffällig wie möglich ging er durch den Flur und spähte heimlich nach allen Seiten. Gelangweilt blieben die Schatten dort, wo sie die ganze Zeit über gewesen waren, aber Tim wusste, dass die Schattenmonster nur auf den richtigen Augenblick warteten.
Nur kein Feigling sein, es ist nur ein stinknormaler Keller, beschwichtigte er seine Kinderangst.
Alles nur Fantasie!
Bloß nicht Rennen! Ermahnte Tim sich, als er merkte, dass seine Schritte schneller werden wollten.
Als er endlich im Heizungsraum angelangt war, fiel im der erste Stein vom Herzen. Die Hälfte ist geschafft. Und auf dem Rückweg war Rennen ab der Treppe durchaus für ihn erlaubt. Denn wenn die Schatten auf ihn aufmerksam werden würden, war er schon längst oben, bevor sie ihm wirkliche Angst einjagen konnten.
Seine kleine Kinderhand griff zum Regal, dass an der Wand direkt neben der Tür in dem dunklen Raum stand.
Hier das Halogenlicht anzuknipsen würde nur viel zu viel Zeit kosten. Und wenn es um das In-den-Keller gehen ging, wusste Tim, wie ein erfahrener Pfadfinder, wie man am besten und sichersten Zeit einsparen konnte.
Er hatte den Tetrapak-Saft fest im Griff und zog ihn geschickt hervor, klemmte ihn unter den Arm und war bereit die zweite Etappe seines mittäglichen Abenteuers zu beschreiten.
Selbst wenn er nicht bereit gewesen wäre, ihm bliebe ohnehin nichts anderes übrig.
Das Ziel war vor Augen.
Mutiger als sonst schritt er wieder in das Zimmer zwischen Heizungsraum und Flur.
Knaaack!
Tim zuckte vor Schreck zusammen und sein Mut war sofort wieder verschwunden.
Der Gefrierschrank brummelte, und in Tims Ohren klang es wie ein gehässiges Gelächter.
Regungslos stand er da und mit einem Male wurden ihm die unheimlichen Schatten wieder richtig bewusst. Dunkel und flächig umrahmten sie das Zimmer. Tim fühlte sich klein und schwach in diesem Raum. Die Angst in ihm pulsierte wie viele kleine Gewitter in seinem Körper. Kurz bevor er sich von dem Schrecken erholte, den das lächerliche Knacken des Eisschrankes in ihm ausgelöst hatte kam ein noch viel größeres Grauen in ihm auf.
Ihm war, als wenn sich tatsächlich einer der Schatten bewegt hätte. Er war sich sicher, dass es nur ein Hirngespinst seiner eigenen Fantasie sein musste, dennoch hatte er mehr Angst denn je.
Er wollte laufen, nur noch nach oben, aber er war zu keiner Bewegung fähig.
Da war es wieder, das scheppernde Knacken des Gefrierschrankes, aber leiser als vorher. Doch für Tim war es laut genug.
Die Schatten an den Wänden fingen leicht an zu wabern, als wenn jemand die Lichtquelle ganz unauffällig bewegen würde. Tim zwinkerte mit den Augen um die Illusion zu vertreiben, aber es schien keine Einbildung mehr zu sein.
Jetzt flackerten die Schatten fast unmerklich auf und ab und kurze Zeit später war es, als wenn aus der Lichtquelle ein loderndes Feuer entstanden wäre.
Fassungslos starrte Tim auf die Wände und überall glitten kleine und größere Schatten hin und her, wie Mäuse, die blitzschnell über ein Feld huschten. Der Raum schien sich zu bewegen, aber es waren die Schatten, die im Kreis herum an den Wänden auf und abtanzten. Erst ganz langsam und dann immer schneller, wie eine von diesen Bilder-Lampen für kleine Kinder, die lustige bunte Bildchen an die Wände projizierten.
Tim war wie gelähmt. Er war für einen Augenblick nicht mal imstande Luft zu holen. Dann spürte er den salzigen Geschmack von Tränen in seinem Mund.
Das Schattenspiel wurde immer schneller und beweglicher. Und auf einmal schienen sich die dunklen Flächen von den Wänden abzulösen.
Das Ringelreihen zog sich enger zusammen, bis es so aussah wie ein Wirbelsturm, der sich groteskerweise mitten in dem Kellerraum bewegte.
Tim stand mitten im Auge des Schatten-Tornados und der Kreis um ihn wurde enger und enger. Ihm wurde schwindelig und seine Gedanken überschlugen sich wie Lavafontänen in seinem Kopf. Er merkte nicht einmal als ihm der Saft aus der Hand rutschte und platschend auf dem Fliesboden aufschlug. Die Geräusche der Elektrischen Geräte begleiteten dieses schreckliche Szenario wie ein Orchester. Die blechernen und dröhnenden Klänge schienen vor Begeisterung laut auf zu jubeln, als wenn sie den Schattenspielern Beifall klatschen wollten.
Jetzt endlich war er imstande zu schreien. Er kreischte so laut wie er nur konnte. Sein Vater musste das doch mitbekommen, die Küche war doch nicht so weit entfernt. Nur die Treppe hoch und dann rechts. Vielleicht würde sein Vater ihm jetzt endlich glauben, aber dazu müsste er erstmal reagieren.
Tim hörte wie in der Küche etwas zu Boden fiel und kurz darauf einen fluchenden Ausruf. Es schien kilometerweit entfernt zu sein.
Wieder schrie er wie am Spieß. Er konnte seinen Vater doch deutlich hören, warum schien der wiederum nichts mitzubekommen? Hatte er ihn nicht gehört? Tim brüllte nach ihm und nach seiner Mutter. Aber die Schatten, die immer wilder und enger um ihn herumwirbelten, absorbierten sein Geschrei. Es schien als wenn sie die Rufe aufsaugen würden, als wenn ihre flächigen Körper keinen Lärm durchlassen könnten, als wären die dünnen, rauchigen Schatten dicker als jeder Lärmwall.
Die schemenhaften Gestalten wanden sich jetzt so eng um Tim, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, ohne diese grässlichen Kreaturen zu berühren. Steif stand er da, aus seinen Augen war jeder menschliche Ausdruck gewichen, sie starrten nur noch ziellos und wirr vor sich ins Leere. Sein Mund war zu einem grauenverzerrten Strich verzogen. Ein letzter reflexartiger Schrei drang aus seinem Mund, aber er klang fast so schattenhaft wie die Gestalten selbst.
Das Brummen und Dröhnen der Wärmepumpe schwoll noch einmal zu einem schrecklichen metallenen Lachen an, bevor es zu seinem gewöhnlichen, monotonen Surren überging.
Die Schatten bedeckten Tim nun vollständig und man konnte nur noch die Enden seiner gespreizten Hände erkennen.
Dann wurde Der Wirbelsturm so eng, dass er fast nur noch so dünn wie ein Bindfaden in dem Raum hing. Dann war Tim verschwunden und mit ihm die Schatten. Zurück blieb nur ein kleiner See aus Orangensaft.

Der Vater stand oben auf dem Treppenabsatz und rief nach seinem Sohn.
Jetzt hatte er schon dreimal gerufen und noch keine Antwort bekommen. Verärgert stampfte er die Stufen herunter. Dabei rief er zornig nach Tim.
Nichts.
Der Mann lief den Flur entlang und kam in den Raum, wo sich noch vor wenigen Minuten das wahre Fegefeuer abgespielt hatte.
Stirnrunzelnd betrachtete er die gelbe Lache des Orangensaftes.
»Tim?«
nichts.
»Timmi?«
Nichts.
»Tiiiiiiiihiiiiiim?!«
Nichts.
»Der kann was erleben!« sagte er in den dämmrigen Raum hinein.
Zur Bestätigung gab der Gefrierschrank ein leises, polterndes Raunen von sich.
Als er zurückging merkte er kaum, wie sich kleine Häärchen in seinem Nacken aufstellten. Dann ging er die Treppe hinauf ohne die Schatten an den Wänden zu beachten.

Zu den Schatten war ein neuer hinzugekommen, kaum merklich. Aber er war da und er hatte keine echte Gestalt, die ihn an die Wand werfen konnte wie die anderen Schatten im Keller.
 
Gänsehauteffekt

Wow... meine Kopfhaut zieht sich jetzt noch zusammen. Echt hätte ich kurze Haare die wäre wie Stacheln von meinem Kopf abgestanden.
Gefällt mir wie du die Spannung so langsam aufbaust und dann steigerst. Echt net schlecht.
Was wohl aus dem Vater wird... LOL... wär doch Anlass für eine Fortsetzung...
Nicht länger meine Kritik lese... schnell schreiben... mehr von dir lesen will!
 
Vor dem Perspektivenwechsel zum Vater würde ich eine Leerzeile einfügen, ansonsten sehr spannend. Und am Schluß etwas mehr Horror, Kälte, Grauen. Vielleicht das unbewusste Frösteln des Vaters...
 

Sn0wflake

Mitglied
erstmal danke für die nette kritik :)

und michael, ich glaub du hast recht. wenn man den vater diese kälte usw. am ende noch unbewusst spüren lässt, wäre das ende nicht ganz so abrupt, sondern schwingt noch mehr nach. ich mach mich gleich an die arbeit :)thx
 
O

ond

Gast
perfekt

perfekt geschrieben!
man versinkt richtig in die geschichte hinein
alle achtung!
 
M

Miss Marple

Gast
zu Tims "Aventuire-Fahrt" *g*

Hallo Sn0wflake,

also das Lob heb ich mir für den Schluß auf *fg*!

Zuerst präsentier ich dir meine völlig subjektive Meinung und Gedanken und mögliche Verbesserungsvorschläge:

Am Anfang dachte ich, dass es viel besser wäre, wenn der Sohn für den Vater Bier aus dem Keller holen würde, statt Saft. Aber mit den Worten:
“Sein Vater war streng. Streng aber fair.“
hast du das gut begründet.

“Es ist hellerlichter Tag!“
Du meinst doch den „helllichten“ Tag, oder?

“Wäre seine Mutter dagewesen, wäre sie mitgegangen oder hätte zumindest am Treppengeländer auf ihn gewartet.“
Was meinst du mit „warten am Treppengeländer“ (das gibt’s oben und unten)? Willst du aussagen, dass Tims Mutter in der Tür zur Kellertreppe stehen geblieben wäre?

“Sie verstand seine Ängste. Aber der Vater nicht.“
Der Vater ist charakterlich so geprägt, dass er auch andere Ängste von Tim nicht berücksichtigt. Es gibt mehr, vor dem Tim Angst hat. Nicht nur der Gang in den Keller.

“Dort unten war man allein und es war trotz Licht auf unheimliche Weise schummrig und kalt.“
Mein Vorschlag: Dort unten war man allein und das Licht wirkte auf unheimliche Weise schummrig und kalt.
Du führst, im Anfang der Geschichte, wunderbare Beobachtungen von Tims Umwelt an. Um das im Text weiterzuführen (oder es ist nur meine subjektive Meinung *g*) könntest du den Bezug der Adjektive „schummrig“ und „kalt“ direkt auf "Licht" und nicht auf dessen Wirkung beziehen. Dieser unmittelbare Bezug ist für die Atmosphäre nochmals förderlich, die du schon durch deine Formulierung dieses Satzes zu erzeugen suchtest.

“Hin und wieder gab der Gefrierschrank ein summendes Poltern von sich“
Ich kenne mich da nicht so gut aus, aber gibt ein Gefrierschrank wirklich ein summendes Poltern wieder? Vielleicht solltest du das mit „ein summendes Geräusch“ umschreiben (oder Ton, wie du das Geräusch später im Text beschreibst)?

Die Formulierung „und die Waschmaschine erzählte knarrend ihre Geschichten von Buntwäsche.“ gefällt mir sehr gut *g*!

“Ein eher unspektakulärer Keller“
Mein Vorschlag: Ein eher unspektakulärer Keller eben.
Das „eben“ stellt noch mal den Bezug zu den vorangegangenen Kellerbeschreibungen her.

“Keller war dunkel, gruselig und einsam.“
Mein Vorschlag: Keller waren dunkel , gruselig und einsam
Oder: Keller blieben dunkel, gruselig und einsam (diese Formulierung würde noch unterstreichen, wie extrem Tims Ansichten zu diesem Punkt sind. Als ich es mit Tim in Verbindung gebracht habe, musste ich wirklich schmunzeln, weil es vielleicht so gut passt?).

“...oder zu oft zu lange wach in seinem bett gelegen.“
Wie dieses "Faktum" unmittelbar mit seiner Angst vor Keller zusammenhängt, ist mir zu unklar, mit dem einfachen Vorhandensein dieses Zustandes, erklärt.

Die Formulierung, dass Tim die Geräusche aus dem Keller wirklich bis in sein Zimmer hört, halte ich für übertrieben. Wenn du schreiben würdest, dass er sich manchmal sogar einbildete, die Geräusche aus dem Keller bis in sein Zimmer hinein hören zu können, würde dies noch mal als tiefes Zeugnis für seine panische Angst vor dem Keller sprechen und wäre nachvollziehbarer. So könntest du erreichen, dass Tim als Kind viel Phantasie und Einbildungskraft mitbringt (was du bereits durch den Anfang schon mal erreicht hast). Außerdem unterstützt du damit dann die Frage des Lesers, die sich ihm, kurz vor Ende deines Textes, stellt:
„Bildet sich Tim das alles nur ein? Oder findet das wirklich statt?“

Du erreichst, dass man mit dem armen Tim Mitleid hat. Bei dem Motiv „Einbrecher“ könntest du ihn auch noch mal an die Größe des Kellerfensters denken lassen wie z. B. „aber ein Einbrecher würde bestimmt durch das Fenster passen“.

“Mit angehaltener Luft horchte Tim nach ungewöhnlichen Geräuschen, die aus dem Keller kommen konnten.
Die Formulierung „Mit angehaltenem Atem“ wäre besser.
Außerdem solltest du in dem Satz mit einfügen, dass Tim hier bereits am Kopf der Treppe (nennt man das so?) steht, sonst wird dem Leser nicht schnell genug klar, dass Tim immer noch nicht im Keller ist (was bei diesem Satz eigentlich meine Vermutung war).

“Energiesparlampen brauchen eben so ihre Zeit, bis sie richtig hell waren.“
Du musst hier, statt „waren“, Präsens („werden“) nehmen.

“Nur kein Feigling sein, es ist nur Saft, beschwichtigte er seine Kinderangst.“
So kannst du das nicht formulieren, es klingt so, als hätte Tim mehr Angst vor dem Saft, als vor den „Schattenmonstern“.

“Bloß nicht Rennen! Ermahnte Tim sich, als er merkte, dass seine Schritte schneller werden wollten.“
Füg doch hier noch das Motiv, eines sich beschleunigenden Herzschlags und Atmung mit ein.

“Er hatte den Tetrapak-Saft fest im Griff und zog ihn gekonnt hervor“
Da du es als eine Handbewegung ausweist, die ihm schon vertraut geworden ist, schreib doch hier vielleicht:
zog ihn routiniert hervor (?; oder ein anderes Synonym für „gekonnt“).

Die Idee der Schatten, die um ihn herum tanzen, finde ich gut. Du könntest dann die Schatten immer größer werden lassen, als Zeichen dafür, dass die Schattenmonster ihre Kreise immer enger um Tim ziehen.

“Er merkte nicht einmal als i[blue]h[/blue]m der Saft aus der Hand rutschte und platschend auf dem [strike]Fliesboden[/strike] [blue]Fußboden[/blue] aufschlug. Die Geräusche der [red]E[/red]lektrischen Geräte...“
“Er konnte seinen Vater doch deutlich hören, warum schien der wiederum nichts mitzubekommen?
In dessen Kontext ist die Aussage dieses Satzes nicht richtig, da Tim ja aus der Küche einen zu Boden fallenden Gegenstand und ein Fluchen hört (als Reaktion auf Tims Schreie). Er müsste sich hier eher fragen, wo sein Papa bleibt.

“Es schien als wenn sie die Rufe aufsaugen würden, als wenn ihre Körper keinen Lärm durchlassen könnten.“
Vielleicht findest du ein Synonym für „Körper“? Für mich ist das nicht so recht stimmig, weil ich, die von den Wänden herabgesprungenen Schatten, nicht als Körper einordnen/benennen würde. Später sprichst du ja von ihnen als „schemenhafte Gestalten“, und verwendest in diesem Kontext sonst nirgendwo mehr das Wort „Körper“.

“Die schemenhaften Gestalten wanden sich jetzt so eng um Tim, dass er sich nicht mehr bewegen konnte, ohne diese grässlichen Kreaturen zu berühren.“
Dieser Satz klingt für mich zu widersprüchlich. Denn wenn sich die „schemenhaften Gestalten“ so eng um Tim winden, dass er sich nicht mehr bewegen kann, muß doch eigentlich eine Berührung zwischen ihnen stattfinden (wenn diese auch von Tim ungewollt ist].

“Die Schatten bedeckten Tim nun vollständig und man konnte nur noch die Enden seiner außenstehenden Finger erkennen.“
Das hast du so umständlich ausgedrückt. Schreib doch einfach, dass nur noch die gespreizten Finger beider Hände zu sehen waren.

“Der Mann lief den Flur entlang und kam in [strike]das Zimmer[/strike] [blue]den Raum[/blue], wo sich noch vor wenigen Minuten das wahre Fegefeuer abgespielt hatte.“
Ich finde es übertrieben, von „wenigen Minuten“ zu sprechen. Schreib doch lieber „wenige Sekunden“, so wird dein Text noch viel interessanter, wenn du die „Erzählte Zeit“ stark von der Erzählzeit“ abweichen lässt. Du verblüffst den Leser somit, wenn all das geschilderte sich nur in wenigen Sekunden abspielte.

“ »Tiiiiiiii[red]h[/red]iiiiiim?!«
Nun zum Lob, dass ich dir für diesen Text aussprechen muß:

Du hast den kleinen Tim in deiner Geschichte wirklich sehr gut gezeichnet. Seine „Aventuire-Fahrt“ liest sich spannend und flüssig. Auch wenn ich in diesem Genre nicht „heimisch“ bin, hat mir dein Text einen positiven Eindruck vom Forum „Horror“ vermittelt. Das stimmungsvolle Motiv der „Tanzenden Schatten“, wie auch das Ende, dass für mich nicht vorhersehbar war, hat mir sehr gut gefallen. Als Leser hab ich die sonderbaren Erscheinungen jedoch die ganze Zeit hinterfragt und dachte an die Möglichkeit, dass sich Tim das alles vielleicht nur einbilden könnte. Diese Möglichkeit der „Falschen Fährte“, auf die du den Leser (unbewusst?) stößt, solltest du, auf ihre Lückenlosigkeit, unbedingt in deiner Geschichte noch mal genau überprüfen und mit den Worten wie z. B. „er glaubte/ihm schien/.../etc.“ möglicherweise noch unterstützen.
Insgesamt hat mir das Lesen deines Textes wirklich ein ganz besonderes Vergnügen bereitet und du solltest deshalb meine hier veröffentlichten Verbesserungsvorschläge und Gedanken zu deiner Geschichte lediglich als Ratschläge betrachten.​

Liebe Grüße und noch eine Gute Nacht
Jane

PS: Ich hoffe, du bist von dieser Antwort, aufgrund ihrer Länge und Ausführlichkeit, nicht irritiert. Vielleicht wird sie dir ja weiterhelfen?
 

Sn0wflake

Mitglied
hi jane

...wow....da hast du dir meine geschichte aber intensiv durchgelesen...um nicht zu sagen, durchgeackert ;)

aber vielen dank für die vielen anregungen und vorschläge. das ein oder andere werde ich mir sicher noch mal durch den kopf gehen lassen. aber wirklich vielen lieben dank für deine mühe!:)

lieben gruß von snowflake
 



 
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