Klappern gehört zum Blendwerk

Sta.tor

Foren-Redakteur
Wir suchten nach einem neuen Auto. Es sollte ein Familienauto sein das möglichst alles in sich vereint - Arbeitstier für Haus und Garten, Komfortlimousine zum Reisen, wendiger Stadtflitzer. Zuverlässig, preiswert, sparsam und möglichst ein „Hingucker“. Ein Allroundtalent eben.
Aber so viele Wünsche auf einmal, ob das wohl gut geht? Wir suchten, suchten, suchten....
Ein Internetportal, das Erfahrungsberichte zu allen Dingen des menschlichen Lebens anbietet, nahm uns die Entscheidung schließlich ab. Ein japanischer Minivan versprach demnach das zu sein, was unseren Vorstellungen am nächsten kam. Erster Platz in der Bewertung seiner Klasse und nur sehr gute Kommentare – ganz klar, das wäre er! Ein Autohaus war schnell gefunden, die Probefahrt schnell organisiert und die Inzahlungnahme unseres „Alten“ vom Händler superfair in Aussicht gestellt („...wissen sie, den will eigentlich niemand mehr, aber wir kaufen ihn trotzdem auf...“). Wenig später stand felsenfest – diesen oder keinen. Zumal zufälligerweise zu dieser Zeit ein Sondermodell dieses Flitzers in die Läden kam, welches uns optisch noch mehr überzeugte. Edlere Stoffe, nobel glänzendes Aluminium, schickere Armaturen und Leuchten, dunkel getönte Heckscheiben, Klimaautomatik serienmäßig – was will man mehr! Fehlt eigentlich nur eine Standheizung, aber die kann man ja für schlappe 1750 DM nachrüsten lassen. Und wer braucht schon Kassetten- bzw. CD Spieler? Das eingebaute Radio ist auch ohne diesen Schnickschnack Spitze.
Die Zeit war reif für eine verbindliche Bestellung!

Es war ein dunkelgrauer, regnerischer Novembertag im Jahre 2001. Niemand kauft an solchen Tagen ein Auto. Wir schon!
Die Tränen der Verabschiedung von unserem, uns treu und sparsam dienenden Altblech (und darüber wie wenig Piepen er uns nur noch einbrachte) waren schnell getrocknet und zuversichtlich wandten wir uns unserem Zukünftigen zu. Da stand er nun und blendete uns mit seiner Jungfräulichkeit. Der Verkäufer gab sich große Mühe uns die technischen Details dieses Meisterwerkes japanischer Automobilbaukunst zu erläutern, doch hatten wir große Mühe seinen Ausführungen zu folgen. Wir wollten raus. Raus auf die Piste – alles selber machen. Alles selber erfahren.
Also noch schnell bezahlen, ein Foto mit Weinflasche und Auto, lächeln, Shakehands mit dem Verkäufer, Schlüsselübergabe – und ab ging die Luzi!
„Fahr nicht gleich so schnell“, murmelte meine Frau, nervös an der Unterlippe kauend und auf den vom Autohaus gesponserten Fußmatten einen Stepptanz im sitzen aufführend.
„Was heißt schnell“, fragte ich sie ärgerlich. „Ich fahre Null!“
„Wie Null?“
„Eben Null! Zero! Nichts! Der Tacho zeigt Null an.“ Das Ding ging nicht!
Wir fuhren zurück zum Autohaus. Der Verkäufer war sichtlich irritiert. So was sei ihm überhaupt noch nicht vorgekommen. Schon gar nicht bei diesem Modell.
Nach einer dreiviertel Stunde kam er schließlich aus der Werkstatt zurück. „Tja, ein kleines Malheur – zum Einbau der Standheizung mussten einige Kabel gelöst werden – einige davon vergessen später wieder anzuklemmen – tja, dumm gelaufen... Aber der Tacho läuft jetzt wieder einwandfrei! Wir sehen uns dann erst zur 1000 km Garantiedurchsicht wieder. Öl und Filter sind dabei übrigens nicht umsonst!“
Ein merkwürdiges Gefühl blieb bei uns zurück. Der erste unfreiwillige Werkstattbesuch schon am Tage des Kaufes, das ist rekordverdächtig. Man kennt ja diese Geschichten von den sogenannten Montagsautos. Diesen Missgeburten der Automobilindustrie, die in ihrem tristen Fahrzeugleben mehr Automechaniker gesehen haben als Straßenkilometer. Ach was, sagte ich mir, wird schon alles gut gehen. Trotzig nickte ich meiner Frau zu. Zustimmend nickte sie zurück. Doch kaum wieder auf der Piste spitzten wir erstaunt die Ohren, denn wir mussten feststellen, dass unser Neuer Bodenunebenheiten nicht kommentarlos hinnahm. Gelinde gesagt. Aus dem Kofferraum polterte es lautstark vor sich hin. Doch zum Glück stellte sich nur der Verbandskasten als Übeltäter heraus, der dort ziemlich lose herumbaumelte.
Zuhause angekommen programmierte ich flink die komfortable Standheizung für den nächsten Tag vor. Einfach Einschaltzeit wählen – fertig. Das ist ja wirklich leicht!

Nächsten Morgen ein Anruf aus dem Autohaus. Was man gestern vergaß mir mitzuteilen: vor dem Programmieren der Einschaltzeit die Klimaautomatik ausschalten, Gebläse auf Stufe 2 und 29 Grad wählen, sonst wird’s nicht warm! So’n Mist! Ich hatte die Klimaautomatik natürlich nicht ausgeschaltet und deshalb schaltete sich die Heizung auch gar nicht erst nicht ein. Konnte sie ja auch nicht – dachte ich jedenfalls.
Wir fuhren einkaufen. Unser blitzeblankes Schmuckstück hob sich wohltuend von all den vergammelten Klapperkisten auf dem Parkplatz des Supermarktes ab und wir hatten für die Besitzer dieser Schleudern nur mitleidige Blicke übrig. Einfach entwürdigend womit diese Typen noch herumgurken mussten.
Clever stellten wir die Standheizung auf eine halbe Stunde vor unserem wahrscheinlichen Herauskommen aus dem Markt ein. Die Aussicht auf ein vorgewärmtes Auto verschaffte uns ein vorher nicht gekanntes Einkaufserlebnis.
Ach, das war schon ein gutes Gefühl, als wir dann von Wärme verwöhnt vom Parkplatz rollten. „Unser Auto sorgt für uns – unser Auto will, dass wir uns wohlfühlen“, sprachen wir andächtig vor uns hin.

Am nächsten Morgen ging die Heizung dann wieder nicht an, obwohl ich alles so eingestellt hatte, wie ich es erlernt hatte. Also programmierte ich sie auf den Nachmittag. Da sprang sie dann wieder an. Mittlerweile machten sich neue Geräusche im Innenraum breit, die äußerst störend wirkten. Es war ein Klappern und Quietschen und kam aus dem Armaturenbrett. Von ziemlich weit vorne, da wo das Armaturenbrett scheinbar gegen die Frontscheibe stößt. Bei unserem Neuen ist das sehr weit weg! Anfangs war es nicht so laut, doch mit der Zeit hatte ich Angst es würde demnächst etwas sehr schlimmes passieren, weil das Quietschen unerträglich wurde.
Ich fuhr ins Autohaus. Nachdem ich mit dem Werkstattleiter zweimal die berüchtigte, hauseigene Teststrecke abgefahren war (eine Buckelpiste durch eine Gartenkolonie neben dem Autohaus), schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. So etwas hätte er ja nun überhaupt noch nicht erlebt. Schon gar nicht bei diesem Modell. Meinen Kommentar, das ich dieses Fahrzeug genau wegen seiner sprichwörtlichen Laufruhe ausgewählt hätte, quittierte er noch mit einem nachdenklichen Kopfnicken. Als ich ihm schließlich auch noch unterbreitete, dass es mir noch nicht einmal gelungen war, die Standheizung erfolgreich für den nächsten Tag vorzuprogrammieren, verlor er sichtlich die Fassung. „Das gibt’s doch nicht!“ Doch sein Optimismus war scheinbar nicht so schwer angeschlagen, wie ich annahm. „Bringen sie den Wagen morgen früh vorbei, abends ist dann alles wieder in Butter! Ersatzwagen gibt’s natürlich gratis!“ Oh, wie unerwartet zuvorkommend. Der Ärger verflog.
Am späten Nachmittag des Folgetages dann ein Anruf vom Autohaus: „Werden heute leider nicht fertig...mussten Armaturenbrett zweimal ausbauen...morgen ist Sonnabend...frühestens Montagnachmittag...Ersatzwagen können sie so lange behalten!“
Montagnachmittag. Das Klappern und Quietschen war verschwunden, wie eine Fahrt über die Buckelpiste bewies, die Heizung wurde überprüft, aber keine Mängel festgestellt. Nun ja, schaun mer mal!

Eine Winterurlaubsreise stand an. Schon seit einiger Zeit hatten wir vor Freunden mit unserer Luzi (so hieß unser Auto jetzt) geprahlt und nun wollten wir sie endlich gemeinsam auf ihre Reisetauglichkeit hin austesten. Am Tag vor unserer Abreise tankte ich vorsichtshalber noch einmal voll und stellte frustriert fest, dass der Tank nach 30 Litern Super bleifrei verlangte. Ich war doch erst 200 km gefahren! Angestrengt versuchte ich mir den Megastau in Erinnerung zu rufen, in dem ich wohl mehrere Stunden mit laufendem Motor verbracht haben musste, doch mir fiel nichts dergleichen ein.
Anschließend verstauten wir unser Gepäck schon mal im Wagen, das spart Zeit und Hektik in der Frühe. Erfreut stellten wir fest, das Sachen die wir früher auf den Rücksitzen verstauen mussten und die bei plötzlichen Vollbremsungen wie mittlere Meteore durch die Kabine schossen, jetzt bequem mit in den Kofferraum passten. Unser kleines Raumwunder...
Zuversichtlich stellte ich die Standheizung auf 7.30 Uhr, verriegelte unseren Liebling mit der Fernbedienung und er blinkte mir verträumt noch einmal mit seinen orangefarbenen Kullerlichtern zu.
Die Nacht war tierisch kalt. Doch uns machte das gar nichts. Mit einer Standheizung beginnt der Winterurlaub praktisch im heimischen Bett!
Die vereisten Scheiben morgens an Luzi ließen uns nichts Gutes ahnen.
Im Auto war es kälter als draußen.
Unsere Freunde lachten uns aus und waren zufrieden mit ihrem eigenen Auto zu fahren.
Während der Fahrt zur Insel Rügen waren wir dann wie im Zwang damit beschäftigt, auf störende Fahrgeräusche unserer Luzi zu achten. Ein Klappern in der Gegend des Beifahrerairbags fiel uns beiden auf. Meine Frau meinte, ich solle mal an der B-Säule lauschen (das ist die mit den Sicherheitsgurten) und sogleich vernahm ich ein tosendes Pfeifen, verursacht vom Fahrtwind in den Türritzen. Auch unterschiedliche Fahrbahnbeläge belebten die Klangvielfalt im Inneren teilweise lautstark. „Müssen wir uns das von einem 37500 Mark teuren Auto eigentlich bieten lassen?“, fragte meine Frau und während ich verneinte meldete sich mein Sohn von hinten. „Warum können wir eigentlich keine Musikkassetten mehr abspielen? So wie früher.“ Ich erklärte ihm, dass ich schon allein für den Preis des Kassettenmoduls mit Einbau woanders eine fast komplette Soundanlage bekommen könnte, vom CD-Teil ganz zu schweigen. „Aber Radio reicht doch auch“, hoffte ich auf seine Zustimmung. Dabei drehte ich mich kurz zu ihm um und sah, dass er auf der beschlagenen Türscheibe Strichmännchen malte. „Wieso sind die getönten Scheiben hinten eigentlich immer noch beschlagen, wir fahren doch schon über 2 Stunden“, murmelte ich genervt vor mich hin. „Bei unserem Alten war das nie passiert und der hatte nicht mal ne Klimaanlage“, erwiderte meine Frau. „Ich weiß“, stöhnte ich.

Auf unserer Rückreise verstärkte sich das Klappern am Beifahrerairbag noch mehr und wir beschlossen einen sofortigen Besuch im Autohaus nach unserer Heimkehr. Auch der Benzinverbrauch gab keinen Grund zur Entwarnung. Auf der 800 km langen Strecke benötigte Luzi 11,9 Liter pro 100 km. Und das bei zügiger Fahrt auf Autobahn und freier Landstrasse. Im Prospekt sind 6,9 Liter angegeben. Nun ja...
Im Autohaus wurde ich freundlich empfangen. Auf meine Mängelliste reagierte der Werkstattleiter ganz gelassen. „Klappern wieder da, zuviel Spritverbrauch und Heizung ist immer noch defekt! Das reparieren wir dann im Zuge der 1000 km Durchsicht gleich mit. Bringen sie den Wagen morgen früh vorbei, abends ist er dann pikobello!“ Dann musste er mir bedauerlicherweise mitteilen, dass ein Ersatzwagen diesmal leider nicht mehr umsonst zur Verfügung stände. Ich erwiderte ihm daraufhin, dass, wenn ich noch einmal mit einem Mangel zu ihm kommen müsste, wir uns über Ersatzwagen nicht mehr zu unterhalten bräuchten, sondern über Neuwagen! Das schien ihn zu kränken. „Haben sie bitte Geduld! Dieses Auto ist das Beste seiner Klasse. Sie werden es noch erleben.“
Am Nachmittag des nächsten Tages konnte ich Luzi wieder in Empfang nehmen.
„So, Durchsicht mit Ölwechsel durchgeführt, Klappern ist beseitigt, Motor neu eingestellt und Heizung zum wiederholten Male überprüft, aber kein Mangel feststellbar. Bei uns startet sie hervorragend.“
Als Entschädigung für die Unannehmlichkeiten die wir seit dem Kauf unseres Autos hatten, gab es Öl und Filter für umsonst. Eine entwaffnende Geste. Das ist wahrer Kundendienst. Man ist eben wer! Hoch lebe unser Autohaus!

Am nächsten Morgen sprang die Standheizung wieder nicht an. Ich hatte mich extra 5 Minuten vor der Zeit ins Auto gesetzt um mitzuverfolgen was eigentlich passiert. Zur eingestellten Zeit kam ein leises Knacken aus den Tiefen des Antriebraumes, dann ein feines Summen und nach 5 Minuten war wieder Stille.
Auf ins Autohaus! Dort war man jetzt bereit mit der Brechstange gegen das Übel vorzugehen. Soll heißen: defekte Heizung raus – neue Heizung rein. Das hörte sich nicht schlecht an und bekam meine uneingeschränkte Zustimmung. Nach ein paar Tagen Wartezeit war das Teil dann auch am Lager und die notwendigen Arbeiten konnten durchgeführt werden.
Abends konnte ich die frisch operierte Luzi dann abholen und der Werkstattleiter übergab mir mit den besten Wünschen für eine wundervolle Zukunft die Wagenschlüssel. Unverständlicherweise weigerte er sich allerdings hartnäckig auf das transplantierte Aggregat auch eine neue Garantiezeit zu gewähren, also ab dem Tage des Neueinbaus. Nach erhitzter Diskussion konnte er sich allerdings doch noch dazu durchringen. „Obwohl das so nicht üblich ist!“, fügte er streng hinzu. Ich versprach ihm, mich dahingehend sachkundig zu machen, tat das aber bis heute noch nicht, denn die Heizung funktioniert nun tatsächlich einwandfrei.
Der Benzinverbrauch hat sich im Stadtverkehr inzwischen auf 9,8 Liter eingependelt, was immer noch enorm ist. Laut Autohaus hat er aber erst nach 5000 km sein Optimum erreicht. Ein leichtes Klappern im Bereich des Beifahrerairbags ist auf holpriger Strecke zwar immer noch vorhanden, doch weiß ich noch nicht, wie ich mich in diesem Fall weiter verhalte. Ein Bekannter, der schon seit über einem Jahr das selbe Modell fährt und noch nie Probleme hatte sagte mir nämlich dazu: „DENKE AUCH DARAN, DU FÄHRST KEINEN DAIMLER!“
Womit er sicherlich recht hat, doch gibt es denn für ein Auto ein schlimmeres Schimpfwort als --- KLAPPERKISTE?
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
zu

erst einmal herzlich willkkommen auf der lupe. jaja, über autos kann man stundenlang reden. deine geschichte fügt sich angenehm in den reigen gleichartiger sachen ein. ganz lieb grüßt
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Danke für die Begrüssung. Komme jetzt öfter. Mal sehen ob ich auf Dauer mit der Qualität der Anderen mithalten kann.

Gruß an alle, die bis hierhin vorgedrungen sind!
Thomas
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hach,

qualität . . . die ist hier so unterschiedlich, du wirst schon merken. nur keine scheu, sind alles menschen und leute hier. ganz lieb grüßt
 

BiaBln

Mitglied
Wirklich gelungen ... ich hätt`s nicht besser ausdrücken können!
Eine wunderbare Geschichte, die mir sehr bekannt vorkommt. Auch wir haben uns nach langem Überlegen dazu entschieden, unseren treuen, aber etwas ältlichen Weggenossen abzugeben und uns ein neueres Auto zuzulegen. Neu? HaHa ... so viel Ärger wie wir mit dem "Neuen" in dem ersten 1/4 Jahr hatten, gab nicht mal mit dem "Alten" in 3 Jahren!
 



 
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