Klara

Breimann

Mitglied
Klara
„Weißt du, Klara, der Junge ist in dieser Zeit ein Segen für uns - trotz allem, was passiert ist.“
Theos Stimme klang matt. Er lehnte am wuchtigen Kopfkissen, den Oberkörper halb aufgerichtet. Die schwieligen Hände lagen wie zum Gebet gefaltet auf dem Bett, das breite Gesicht wirkte müde und abgespannt. Mit halb geschlossenen Augen betrachtete er die Frau, die ihm den Rücken zudrehte.
Klara saß auf der Bettkante, löste bedächtig die tiefschwarzen Haare aus dem straff gewundenen Zopf, bürstete sie vor der Brust glatt und warf sie sich über die Schulter. Ihr schmales, schön geformtes Gesicht war blass.
Die Kerzenflamme flackerte bei ihren bedächtigen Bewegungen, warf zuckende Schatten an die Decke, auf die Wände und das monströse Bild. Seit der Verdunkelungsverordnung wollte Klara im Schlafzimmer nur noch Kerzen haben.
„Das macht nicht so viel Licht! Da sieht man keinen Schimmer durch die Blendläden.“
Sie fürchtete die feindlichen Flieger, traute ihnen durchaus zu, gezielt ihr Haus zu treffen.
Nachdenklich betrachtete sie das Bild in dem verschnörkelten Holzrahmen. Sie hatten es vor sechsundzwanzig Jahren von Theos Vater zur Hochzeit bekommen, verbunden mit dem Wunsch, sich ständig in der Hand des Herrn zu fühlen.
Hoch aufgerichtet, schmal wirkend in seinem bodenlangen weißen Gewand, stand der Gute Hirte in einer blumenbewachsenen Wiese. Er wirkte wehrhaft durch den körperlangen Bischofsstab, auf den er sich stützte. Seine ausgestreckte Hand hielt er schützend über die dümmlich ausschauenden Lämmer, die sich eng um ihn scharten.
Seine Augen lebten! Seine Augen sahen alles! Er verstand und wusste alles! Mit ihm hielt sie oft stille Zwiesprache, trug ihm die sehnlichsten Wünsche und die größten Ängste vor.
Mit mildem Lächeln betrachtete er ihre Bewegungen. „Er mag keine Selbstgefälligkeit!“ Sie strich sich schuldbewusst über das glatte, lange Haar, auf das sie so stolz war.
Seine Augen, das wusste sie von vielen Versuchen, blickten sie immer an, folgten ihr, gleich ob sie durch die Tür kam, am Fenster lehnte, die Kissen glatt strich oder im Bett lag.
Er beobachtete sie, wenn sie im Keller Weißkohl eintopfte, auf der Straße kehrte, zum Bäcker einkaufen ging oder mit den Nachbarn schwätzte. Es gab ihr einerseits ein warmes Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit - „Jesus ist stets bei mir!“ - und andererseits verhinderte dieses Wissen kleine, leichtfertige Sünden. Sie nickte ihm zu - und dann glitten ihre Gedanken weit weg - sie hatte die Worte ihres Mannes nicht gehört.
In den letzten Monaten geschah das immer häufiger, war sie oft abwesend, musste mehrfach angesprochen oder aufgefordert werden. Es war ihr egal; sie hätte es sich nie verziehen, wenn sie nicht ständig an ihre Jungen gedacht hätte, die zum ersten Mal nicht mit ihnen Weihnachten feiern würden – es sei denn...
Sie stellte sich vor, wie es sein würde, wenn die Kinder das heilige Weihnachtsfest in Schnee, Kälte und Dreck verleben mussten; wenn sie den herben Duft des Weihnachtsbaums nicht riechen, keine Weihnachtslieder singen – und keinen festlichen Weihnachtsgottesdienst erleben konnten.
Da beruhigten sie auch die Päckchen nicht, die sie vor einer Woche an die Front geschickt hatte. Sie hatte lange überlegt, was ein Soldat an der Front, im eisigen Winter, dringend gebrauchen konnte. Warme Handschuhe und Unterwäsche, Zigaretten und Schokolade, alles Dinge, die sie mühsam zusammengespart hatte, steckten in den drei Paketen. Auch Ewald bekam sein Paket; bei ihm war warme Unterwäsche dabei; er fror immer so entsetzlich.
Sie wusste aus den letzten Meldungen, dass die Wehrmacht schon weit nach Russland vorgedrungen war, dass sie von Sieg zu Sieg eilte, der Gegner praktisch schon geschlagen war.
„Der geschlagene Gegner zieht In wilder Flucht nach Osten ab!“, hatte der Reichssprecher im Radio euphorisch verkündet.
Ihr fehlten alle Bilder von diesem Land, wo drei ihrer vier Söhne kämpften – und einer schon gefallen war. Sie hatte keine Vorstellung von Russland, von seinen Menschen. Sie wusste nichts von den Kämpfen und fürchterlichen Schlachten, in denen man zerfetzt, verkrüppelt werden konnte oder sogar elendig starb. Aber ihre Fantasie war stark; sie stellte sich einfach vor, wie es sein könnte.
Russland im Winter! Sie schuf sich das Schrecklichste, was sie sich ausmalen konnte - ein Land ohne Horizont und ohne ein erkennbares Ende. Dazu musste eine fürchterliche Kälte her, sie ließ es heftig stürmen und den Schnee zu Bergen türmen.
Sie dachte sich das Land ohne Häuser, mit windgebeugten kahlen Bäumen. In den frostglitzernden Schnee verteilte sie noch einen Haufen schwarzer Vögel, die dort wohl vergeblich nach Futter suchten. Am bleigrauen Himmel war keine Wolke zu sehen; die trostlose Landschaft wurde von einer milchigen, kalten Sonne beschienen.
Auf dem riesigen Schneefeld marschierten sie - eine endlose Kette grauer Gestalten. Sie stellte den Soldaten tiefe Schneeverwehungen in den Weg. Ihre Söhne, Heinrich und Willi, stapften durch den kniehohen Schnee, in einer Reihe mit den anderen Soldaten.
Sie stemmten sich gegen den steifen Wind, schoben die Schultern vor; ihre langen grauen Mäntel trugen Schneeorden, die der Sturm ihnen anhängte. Sie sah ihre Gesichter, wie sie ihr in Erinnerung waren, vom Tag des Abschieds, den sie nie vergessen würde – sie waren alle gleichzeitig gegangen.
Der Frost ließ ihre Züge erstarren; sie lächelten nicht, schauten verkrampft und ängstlich.
Ewald wollte sich nicht in diese gleichförmige, nach vorne gebeugte Reihe behelmter Männer stellen lassen; er entzog sich ihr immer wieder, löste sich in nichts auf. Die Reihe war geschlossen, es gab keine Lücke. Es war gespenstisch still da draußen, in dem schrecklichen Land, in dem alle Konturen verwischt waren.
Das alles war ihr schon Not und Elend genug; sie ließ keine Kämpfe zu. Weder Granatfeuer noch Kanonendonner, weder Hinterhalt noch einen einzigen Schuss wollte sie erlauben.
Nur die Trauer tragenden Vögel stoben plötzlich auf, warfen sich alle gleichzeitig, panisch flatternd, in die Luft, als hätte jemand auf sie geschossen.
Trotzdem sie so wenig über diesen Krieg wusste, ängstigte sie alles, was mit ihm zusammen hing; bei jedem Probe-Fliegeralarm floh sie kopflos in den Bunker an der Post und versank in betäubende Gebete.
Wenn die Frontmeldungen auf dem Volksempfänger durch Fanfaren angekündigt wurden, bat sie Theo, er solle genau hinhören, sie habe dringende Erledigungen zu machen. Sie hatte ein bedrückendes, ungutes Gefühl, das sie nicht beschreiben konnte, das sie fürchten ließ, dass der Schrecken für sie noch lange nicht zu Ende war.
Als hätte er ihre Gedanken erraten, sagte Theo: „Heinrich und Willi sind ja robust, die können das durchstehen – du kennst ihre Kraft und Zähigkeit. Aber Ewald! Ewald wird es in diesen Tagen besonders schwer haben – er ist so empfindlich und ängstlich. Weißt du noch, wie er immer gefroren hat, wenn wir im Winter am Fluss spazieren gingen? Wenn man nur wüsste, wo er steckt!“
„Sie haben ihn verloren! Ich kann es nicht glauben! Stell dir das vor! Was ist das für eine Wehrmacht, die ihre Soldaten verliert?“ Sie strich sich fahrig über die Stirn und schüttelte langsam den Kopf.
„Wer weiß, Klara. Es kann sich ja schon alles aufgeklärt haben. In so einem Krieg geht’s manchmal drunter und drüber; in dem Durcheinander ist schon einiges möglich. Aber sie haben uns mit der Nachricht Angst und Sorge gemacht. Jedenfalls haben wir noch nie einen so trostlosen Advent erlebt.“
„Als die Kerze heute nicht anbrennen wollte, da habe ich an ein Zeichen unseres Herrgottes gedacht: wir sollten in diesem Jahr nicht Weihnachten feiern – vielleicht ist es wirklich eine Sünde.“
„Ach Klara! Alle Kerzen brennen jetzt schlecht; es ist Kriegsware!“ Er wollte gerne auf solche Zeichen verzichten.
„Wo er jetzt – in diesem Augenblick, meine ich - sein mag? Was meint sein Hauptmann, dieser von Galen, mit ‚vermisst’? Ein Dutzend Mal habe ich seinen Brief gelesen. Ich kenne jeden Satz, jedes Wort auswendig - aber da muss noch was hinter den Worten stecken!
‚Bei einem Granatfeuer wurde unsere Einheit schwer getroffen. Seitdem wird ihr tapferer Sohn vermisst - wir konnten bisher keine Spur von ihm finden.’
Das kann doch nicht alles sein - sie verschweigen uns was! Die verlieren doch nicht einfach so einen Soldaten - ich verstehe es nicht!“
„Es ist ein großes Land; da kann viel verloren gehen. Wir denken doch an ihn, das wird ihm helfen; wir beten für ihn, und du lässt am nächsten Sonntag eine Messe für ihn lesen – mehr können wir nicht tun, Klara.“
„An ihn denken? Ja, - aber es ist schwer! Kannst du das? Ich weiß nicht warum - ich fühle nur Leere, sinnlose Leere. Wenn ich an ihn denke, ist selbst sein Gesicht wie hinter einer Nebelwand verschwunden. Ich muss sein Foto in die Hand nehmen, um zu wissen, wie der Junge aussieht.“
„Klara! Du weißt doch noch, wie Ewald aussieht!“
„Du verstehst mich nicht. Es ist alles so verschwommen und undeutlich; sein Gesicht will sich nicht zeigen! Bernhard ist tot; das ist endgültig, unwiderruflich. - Mit seinem Tod kann ich umgehen, um ihn kann ich trauern. - Aber um Ewald? Muss ich um ihn auch trauern, Theo?“
„Nein! Klara, bitte nicht! Nur sorgen müssen wir uns – wie um die anderen Jungen auch. Wir müssen einfach hoffen und beten! Vielleicht gibt es nach Weihnachten ein Lebenszeichen; die Feldpost braucht lange von Russland bis zu uns.“
„Ob sie auch an Weihnachten kämpfen? Es sind doch alles Christenmenschen, oder? Vielleicht gibt es sogar einen Feldgottesdienst an der Front!“
„Ich weiß nicht, Klara. – Sind das wirklich Christen? Kommunisten, sagt man, wären gottlos!“
„Aber wer weiß; vielleicht denken sie wenigstens an die Geburt unseres Herrn.“
„Es ist doch Krieg, da gilt Gott nicht viel!“
„Bei wem gilt er denn noch in dieser Zeit?“
„Bei uns, Klara! Wir hier, wir glauben doch alle an Gott! Und unsere Regierung auch! Adolf ist ein frommer Mann - egal was da manche erzählen; er tut das Beste für unser Land, und wir müssen alle unsere Opfer bringen. Denk daran, was Pastor Harrier heute in der Predigt gesagt hat:
‚Wir kämpfen gegen Heiden und Verbrecher! Wir kämpfen mit unserem Führer für den Sieg gegen das Böse; der Feind muss besiegt werden, da darf uns kein Opfer zu groß sein!’
Er hat doch recht, und wir müssen vertrauen - auch wenn es uns nicht leicht fällt.“
„Der hat keine Söhne! Von uns haben sie alle vier Söhne gefordert – und Bernhard ist schon gefallen! Es ist zuviel, was sie als Opfer von uns verlangen. Wie viele werden wir zurück bekommen, Theo?“
„Bei Minsk, sagen sie, wär sein Grab. Ob wir es nach dem Krieg besuchen können? Was meinst du? Wie weit ist es eigentlich bis Minsk? Ich muss unbedingt meinen alten Schulatlas rauskramen. Das hätte ich längst schon tun sollen!“
„Ich weiß nicht, Theo. Meinst du, du findest das in der Karte? Wir hätten dann etwas, was uns helfen kann, an ihn zu denken. – Aber sonst? Ich weiß auch nicht, ob wir ihn besuchen können, ob wir sein Grab finden, ob wir es pflegen können, alles ist so ungewiss.“
„Die Ungewissheit quält – und diese Ruhe hier im Haus! Wenn nur diese Stille nicht wär, diese verfluchte Stille!“
„Lass das Fluchen, Theo!“, ihre Stimme war ohne Schärfe.
„Deshalb ist es doch gut, dass Karin und ihr Junge im Haus sind; es wär sonst nicht mehr auszuhalten! - Gerade an Weihnachten ist diese Leere fürchterlich“, schob er etwas später nach.
Klara sagte nichts dazu; ihr Gesicht war blass und reglos, wie fast immer in der letzten Zeit. Sie hatte ihr Lachen verloren, als der Ortsvorsitzende der NSDAP ihr am 1. August die Todesnachricht von der Front gebracht hatte.
„Ihr Sohn Bernhard war ein tapferer Soldat! Er fiel für Führer und Vaterland. Wir werden Ihren Sohn in Ehren halten!“
Mit zackigem Gruß hatte er die schriftliche Bestätigung übergeben, damit sie nicht an einen Irrtum glauben konnte - er war tot!
Sie löschte die Kerze, legte sich lautlos hin und blieb still liegen – sehr lange.
„Beten wir, Theo.“
Sie flehten für ihre lebenden Kinder, für ihr vermisstes und ihr totes Kind. Es war schon lange her, dass sie im Gebet Trost gefunden hatten; noch nie waren die Zweifel so groß gewesen. Fast gleichzeitig wünschten sie sich eine gute Nacht.
Klara lauschte auf den schweren Atem von Theo; sie wusste schon bald, dass er eingeschlafen war. Sie fand in der letzten Zeit den Schlaf nicht mehr so schnell wie früher, konnte sich nicht rausflüchten aus ihren Gedanken, so gerne sie es auch wollte.
Sie starrte in die Dunkelheit; von draußen fiel kein Lichtstrahl durch die Schlitze der Blendläden; das ganze Dorf war verdunkelt, verlor sich in der schwarzen Nacht. Weit hinten im Haus hörte sie das Kind weinen.
„Bernd!“, dachte sie matt, und ihre Gedanken glitten zu ihrem Enkel. Er war etwas mehr als ein Jahr alt; dieser Junge, der sich so ungewollt, so gegen alle ihre christlichen Grundsätze in ihr Haus, in ihr Leben gedrängt hatte.
„Ausgerechnet ein solches Kind trägt den Namen von Bernhard! Warum hat er sich dazu bereit erklärt, wollte unbedingt sein Pate sein? Ich verstehe es nicht – keiner hat mich gefragt! Hat Gott meinen Bernhard dafür bestraft? Oh, mein Gott – was für ein Gedanke! Herr, verzeih mir!““
Sie setzte sich aufrecht hin und lauschte; das Weinen war verstummt.
„Ein uneheliches Kind! Mutter Gottes! Einen Bastard nennen sie ihn, die Leute im Dorf – sogar die Nachbarn. Und dieser Mann, den Karin ohne unsere Zustimmung geheiratet hat. Er ist nicht Bernds Vater, passt nicht in dieses christliche Haus, ist vulgär, gewöhnlich, trinkt Alkohol, und er geht nie in die Kirche! Heilige Mutter Gottes! Was soll das nur werden?“
Er kam aus dem Nachbarort, und seine Familie hatte, wie die Leute ihr mit einem empörten Gesichtsausdruck zugeflüstert hatten, „einen denkbar schlechten Ruf“.
„Pass bloß auf, Klara!“ Tante Fine, die Nachbarin, hatte es ihr zugeflüstert, als sie beide vor dem Beichtstuhl knieten und auf das Abhören ihrer Beichte warteten. „Was man da so alles hört! Die sollen geklaut haben – stell dir vor! Er – also der Alte - verprügelt seine Frau – fürchterliche Zustände! Und der Sohn? Der soll nicht viel besser sein, soll schon mit etlichen Frauen was gehabt haben! Das mit dem Bein, sagte Doktor Husters, das könnte gekommen sein, weil sein Alter säuft. Er sieht ja ganz passabel aus – wenn man nicht wüsste! Schrecklich, was die dir zumuten, Klara! Ja, ja, das Aussehen ist nicht immer ausschlaggebend! – Aber wem sag ich das!“
Sie wusste eigentlich nur recht wenig über die Leute. Karin schwieg sich aus, und Karl, ihren Schwiegersohn, wollte sie lieber nicht ausfragen. Sein Vater war arbeitslos gewesen, bis sie ihn zum Arbeitsdienst gezogen hatten, und dazu ein übler Trinker. Das wusste sie von einer Verwandten aus dem Nachbarort, die das natürlich schon überall erzählt hatte.
Karl, sein Sohn, war wegen eines verkrüppelten Beines nicht eingezogen worden. Aber dass er gut aussah, trotz seines hinkenden Ganges ein recht männliches Aussehen hatte, das konnte man nicht leugnen.
Er war Schneider und arbeitete in einer Fabrik, die Uniformen herstellte. Das bisschen Geld, das er da verdiente, vertrank er hier im Ort - und manchmal auch in seinem Heimatdorf. An den Tagen kam er gar nicht nach Hause, schlief bei seiner Mutter.
Sie wollte sich nicht eingestehen, dass sie selber Schuld daran war, dass Karin diesen Mann ins Haus geholt hatte. Seitdem das Kind da war, hatte sie Karin bedrängt, wollte endlich geregelte Zustände haben.
„Du musst heiraten, Kind – egal wen! Mit einem unehelichen Kind hast du keine große Auswahl, aber du kannst nicht ewig ohne Mann bleiben! Denk an deine Zukunft!“
Wie sie ausgerechnet an diesen Mann gekommen war, das wusste sie nicht, und Karin schwieg sich aus. Es musste bei einem dieser Tanzabende passiert sein, vor denen sie Karin immer gewarnt hatte. Bei Leismanns, oben über der Wirtschaft, fand hin und wieder ein solches „Tanzvergnügen“ statt. Da tobten sich die Soldaten aus, die gerade auf Fronturlaub waren; immer wieder gab es Prügeleien und Ärger, weil sie zuviel tranken.
„Für alle Gottlosen, die in dieser schweren Zeit nichts anderes zu tun haben! Ein Sündenpfuhl!“ Pastor Harriers Donnerworte galten auch dem alten Martin Leismann, dem Wirt, den er dabei streng angesehen hatte.
Irgendwann hatte sie diesen Karl angeschleppt und ihn knapp vorgestellt. Der hatte die ganze Zeit, während Karin gesprochen hatte, nur gegrinst! Furchtbar!
„Brauchst dir keine Gedanken zu machen, Mutter, ob du ihn ablehnen sollst. - Wir haben das Aufgebot bereits bestellt!“
Sie hatte Theo und ihr erklärt, dass sie nur standesamtlich heiraten würden – im Stillen, ohne Gäste und ohne jede Feier.
„Das gäbe ja doch nur Krampf, wenn Pastor Harrier eine entjungferte Frau trauen sollte. Das passt nicht in sein Bild. Also ersparen wir ihm und uns das!“
Dass es keine Feier geben würde, hatte Klara als einzige Nachricht daran erfreut; ansonsten hatte sie nur den Kopf geschüttelt über die verdorbene Jugend. Sie hatte Karin längst aufgegeben; ihr war nicht zu helfen.
Wieder weinte Bernd; sie konnte sein Schluchzen deutlich hören. Und diesmal wollte er nicht so schnell still werden. Sie wusste, dass Karin nur ungern nachts aufstand und jedes Mal wütend war, wenn das Kind weinte.
„Er träumt wohl, der Junge! Was in ihm vorgehen mag? Ich wage nicht, Gott zu bitten, ihm zu helfen. Wie kann er das denn - bei so einem Kind?“
Endlich war Stille; sie hörte nur noch die Atemgeräusche ihres Mannes.
„Der Junge hat in unserem anständigen Haus nichts zu suchen! Es ist nicht seine Schuld, aber er ist eben eine Frucht der Sünde!“
Ihr fielen wieder Pastor Harriers Worte ein, die er kürzlich - während der Sonntagspredigt - mahnend gerufen hatte: ‚Meidet den Umgang mit der Sünde und ihren Früchten!’.

Karin war schon immer leichtlebig und leichtsinnig gewesen. Sie traf sich ständig mit Jungen, wollte nie einsehen, dass „ein anständiges Mädchen“ bei Dunkelheit zu Hause zu sein hatte.
Im Herbst 39, kurz bevor der Krieg begann, war eine Kompanie Panzer-Grenadiere ins Dorf gekommen, sollte bis zum Abmarsch einquartiert werden. Sie hatten zum Glück niemanden aufnehmen müssen, aber bei den Nachbarn, bei Hollerbrinks, da wurden drei Soldaten untergebracht - und damit hatte das Unglück seinen Lauf genommen.
Etwa einen Monat, nachdem die Soldaten zur Ostfront verlegt worden waren, war Karin zu ihr gekommen.
„Ich hab einen Fehler gemacht, Mutter! – Einen schlimmen, unverzeihlichen Fehler!“
Tränenüberströmt hatte sie ihr bekannt, dass sie unglücklich verliebt, schwanger - und vielleicht sogar verlassen war.
„Er schreibt mir nicht; er meldet sich nicht mehr!“
„Ist er katholisch?“
„Weiß ich nicht; da haben wir nicht drüber gesprochen.“
„Wird er dich heiraten? Habt ihr wenigstens darüber gesprochen?“
„Nein – ich weiß nicht. Ich glaube nicht.“
„Schreib ihm! Und er soll sich sofort Sonderurlaub geben lassen! Ihr müsst heiraten, bevor du einen dicken Bauch hast und jeder weiß, daß du da was ausbrütest.“
Sie hatte mehrfach an die Kompanie geschrieben und keine Antwort bekommen. Monatelang hatte sie vergeblich auf ein Lebenszeichen gewartet.
„Die haben jetzt besseres zu tun, als verflossenen und sitzen gelassenen Bräuten nachzuweinen“, hatte ihr Bruder Willi grinsend getröstet. „Die kämpfen gegen die Polen, und da kannst du nicht erwarten, dass der an dich denkt!“
Sie hatten nie mehr von dem Soldaten gehört; Karin kannte nur seinen Vornamen.
„Mein Gott, wo führt das alles hin? Die Welt gerät aus den Fugen! Unsere Jungen müssen in den Krieg ziehen, sie sterben oder sind vermisst - und meine Tochter lebt in Sünde!“
Ihre Gedanken waren jetzt endgültig nicht mehr beim Krieg und ihren Söhnen. Ihr Ruf und ihre Seelenruhe waren in Gefahr, wenn nicht schon zerstört. Ihr wohlbehütetes, von den Nachbarn und vom Pastor gelobtes christliches Haus, das wankte, war schon in seinen Grundfesten erschüttert. Das uneheliche Kind ihrer Tochter und dieser schreckliche Mann, die hatten ihr Leben total verändert.
Karin war verantwortlich für diese furchtbare Veränderung! Nur sie war Schuld am Geschwätz der Leute, an ihren abfälligen Blicken und den hochgezogenen Augenbrauen. Sie erschrak, als sie plötzlich leichten Hass verspürte. Solche Gefühle hatte sie früher nie gekannt; sie schämte sich und bat Gott um Verzeihung.
„Und trotzdem! Was muss ich deshalb aushalten!“
Es schmerzte sie, machte sie wütend, wenn die Nachbarsfrauen abrupt ihre Gespräche unterbrachen, sobald sie zu ihnen trat. Da ließ man sie spüren, verbarg es nicht einmal, dass man über sie und ihre Familie geredet hatte. In ihrem Kopf ging alles durcheinander, stritten sich ihre Empfindungen; sie war unglücklich und unsicher.
„Der Junge ist doch getauft, von Gott angenommen.“
„Haben die Leute ein Recht, so zu reden?“
„Habe ich selber das Recht zu richten?“
„Aber er ist doch ein Kind der Sünde!“
„Andererseits...“
„Der Junge ist da! Er hat bei der Taufe den christlichen Namen meines Bernhards bekommen.“
„Eigentlich ist er ein niedlicher, kleiner Mensch.“
„Aber ist es nicht die bekannte Finte der Sünde, so angenehm auszusehen?“
„Meidet die Früchte der Sünde!“
„Trotzdem! Er ist ein Mensch - und er verlangt Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuwendung.“
„Ich kann ihn nicht einfach ignorieren, so tun, als gäbe es ihn nicht!"
Sie sah seine kleine Gestalt, sein lächelndes Gesicht. Er schenkte ihr jeden Tag dieses Lächeln, immer wieder, und hielt ihr seine kleine Hand hin, wenn er Hilfe brauchte. Jedes Mal gab es ihr einen Stich, wenn er sie so vertrauensvoll ansah und sie seine Hilflosigkeit und Abhängigkeit spürte.
„Es fällt immer schwerer, ihn abzulehnen! Er nimmt seinen Platz ein, einen schmalen, kleinen Platz nur, aber er nimmt ihn sich einfach - wie meine Kinder es auch getan haben.“
In dieser Nacht schlief sie lange und ruhig - kein Fliegeralarm störte ihren Schlaf.

Die Adventstage gingen schnell dahin; waren angefüllt mit Arbeit. Das Schweineschlachten wurde sorgsam vorbereitet - immerhin wurde „schwarz“ geschlachtet. Daher entfiel auch der sonst übliche „Potthast“, eine Zusammenstellung von Speck und Wurst für die direkten Nachbarn.
Beim eigentlichen Schlachten wurden alle eingespannt, sogar der ständig fluchende Karl musste anpacken. Tagelang zog der Geruch der Fleischbrühe aus der Waschküche, was besonders bei Klara immer wieder Anlass zur Besorgnis gab.
„Lasst die Tür zu! Wenn die das auf der Straße riechen, rennt einer los und meldet uns!“
Im riesigen, kohlegefeuerten Waschkessel kochten Schweinekopf, Schwanz, Schwarten, Füße und andere Teile für die Wurstzubereitung. Man musste blind durch die dichten Schwaden tapsen, orientierte sich meistens am lodernden Feuer unter dem Kessel.
„Huh!“ Bernd stand in der weit geöffneten Tür und suchte in dem Dunst etwas zu erkennen.
„Raus! Karin, nimm den Jungen und verschwinde. Mach die Tür zu! Kann der Kerl denn nicht einmal eine Stunde alleine sein?“
Bernd drehte sich weinend weg; die Stimme von Klara hatte aggressiv und böse geklungen. Er war sich zwar keiner Schuld bewusst, aber er war in diesen Tagen ständig im Wege.
Er wusste nichts von den Problemen, die sie alle mit ihm hatten. Klara ahnte, dass sie ihn nicht auf Dauer ablehnen konnte, und das machte sie wütend. Langsam, aber beständig, würde er auf sie einwirken – auf sie alle. Aber sie wollte es auf eine gute Fürsorge begrenzen.

„Kannst du den Jungen heute füttern?“
„Warum? Was hast du vor?“
„Nichts! Mir ist nicht gut – ich habe irre Kopfschmerzen, Mutter.“
Das war nicht neu, in der letzten Zeit schob sie häufiger Kopfschmerzen vor und drückte sich vor ungeliebten Arbeiten. Damit hielt sie auch ihren Mann von sich weg, was ihn nervte und wütend machte; es gab ständig Streit, den man im ganzen Haus hören konnte.
Die Kopfschmerzen hielten sich zwei volle Wochen im Advent, und dann blieb es bei der Arbeitsteilung, auch als Karin keine Kopfschmerzen mehr plagten.

Klara trug die Wolldecke in Bernds Zimmer, um sie über seine Füße zu legen. Der Frost drückte sich durch den Ziegelstein, und man sah im Kerzenlicht glitzernde Sterne auf den Tapeten.
„Wickel seine Füße ein. ‚Kopf kalt, Füße warm, macht den besten Doktor arm!’ sagt man nicht umsonst.“
„Hast du schon mit ihm gebetet?“
„Was? Der ist doch noch zu klein dafür, Mutter! Vielleicht in ein oder zwei Jahren.“
„Dazu ist keiner zu jung! Du hast mit ihm noch nie ein Nachtgebet gesprochen? Das ist doch...“
Sie schob Karin zur Tür und setzte sich neben Bernds Bett. Im unruhigen Kerzenlicht war sein Gesicht nur undeutlich zu erkennen; seine weit offenen Augen blickten sie neugierig an.
„So, mein Junge. Jetzt wollen wir mal zu unserem lieben Herrn Jesus beten.“
Sie faltete die Hände und sprach ein kurzes Nachtgebet; dann strich sie ihm über die Stirn.
„Weißt du was? Wir lernen ein Lied, das dir gefallen wird. Wir singen es an jedem Abend – zuerst ich alleine und später dann wir beide. Ja? Wenn du es dann richtig kannst, dann darfst du es unserer Nachbarin, der Tante Fine, vorsingen. Dann weiß am nächsten Tag das ganze Dorf, dass wir dich ordentlich erziehen.“
Bernd sagte nichts zu dem Vortrag, und Klara sang: „Mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen, als Jesus allein!“
Sie brachte ihn von da an täglich ins Bett, sang das Kinderlied, betete für ihn die Gebete, die sie auch mit ihren Kindern gebetet hatte. Vom Morgen bis zum Abend musste sie sich um ihn kümmern - und sogar manchmal mit ihm lachen. In den Momenten vergaß sie ihren Kummer, tauchte auf aus der Versenkung, in der sie sich manchmal schon zu Hause fühlte.
Sie brauchte lange, um sich zu überwinden; sie wollte dieses Kind nicht zu nahe an sich heran lassen. Aber unaufhörlich, ganz allmählich, bröckelte ihre Panzerung, gab sie die Ablehnung auf.
„Stört es dich nicht, dass ich den Jungen den ganzen Tag umsorge, Karin?“
„Nein, wieso? Er fühlt sich doch wohl dabei – das sieht man doch.“
„Du bist nicht eifersüchtig?“
„Was? Spinnst du? Ich habe andere Sorgen. Mach du mal, das ist schon alles richtig so.“

Er bekam den Mund nicht zu, als er am Morgen des Heiligen Abend auf den gewaltigen Baum zuging, der das ganze hintere Drittel im Wohnzimmer belegte. Er ließ das große grüne Ding dabei nicht aus den Augen. Theo stand auf einer Leiter und behängte die weit ausladenden Zweige mit dem alten, geerbten Weihnachtsschmuck.
Schon seit Wochen sagte er „Opa“. Es enttäuschte Klara - was sie wunderte und ärgerte -, dass Bernd sich beharrlich weigerte, „Oma“ zu sagen. Und das, obwohl sie ständig in seiner Nähe war! „Mama“ rief er bei jeder Gelegenheit, obschon sich Karin nur noch wenig mit ihm beschäftigte.
„Papa“ wollte er nicht sagen, was Klara wiederum freute; sie hatten es auch nur halbherzig - pflichtgemäß sozusagen - versucht. Es schien niemandem wichtig zu sein und Karins Mann war es offensichtlich völlig egal.
„Opa, Opa!“
Mit der rechten Hand zeigte er auf den fast fertig geschmückten Weihnachtsbaum.
„Na? - Da staunst du, mein Junge! Ein schöner großer Baum ist das! Hat Opa selber aus dem dunklen Wald geholt. Jetzt darf er unser Weihnachtsbaum sein – und dafür schmücken wir ihn“
Theo balancierte auf der hölzernen Stehleiter, die Klara sonst zum Fensterputzen benutzte. Er lachte, war glücklich, weil er den Jungen in seiner Nähe wusste.
„Der Junge versteht das nicht, was du da sagst, Theo. Du musst anders mit ihm sprechen!“
Sie warf ein ganzes Bündel silbrig blinkendes Lametta in den Baum und setzte sich wieder in ihren Sessel.
„Was der versteht, das wissen wir beide nicht; lass mich so reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Ihr Frauen wisst ja immer alles besser, wenn es um die Kinder geht!“
„Da hast du recht!“
Bernd hockte sich auf den Boden und legte den Kopf in den Nacken. So konnte er alles betrachten: den wuchtigen Baum, die bedenklich wackelnde Leiter und den komisch an die Decke gedrückten Kopf seines Opas.
Die dicken, spiegelnden Kugeln – vollrunde und aufgebrochene -, drehten sich leicht; die silbernen Glöckchen schienen nur noch auf ihren Einsatz zu warten; die mit Puderzucker bestreuten Plätzchen, das flirrende, lang herab hängende Lametta, die schlanken gelbweißen Kerzen - alles festgemacht an den dichten dunkelgrünen Ästen des Baumes - machten einen großen Eindruck auf Bernd.
Er saß mit halb offenem Mund vor dem Baum und staunte über das neue Ding, das so angenehm duftete.
Plötzlich entdeckte er etwas, was ihn regelrecht fesselte. Oben auf der abgesägten Baumspitze, fast an der Decke, direkt neben Opas Gesicht, schwebte eine wunderliche Figur, die ein langes rotes Gewand trug. Auf ihrem Rücken breiteten sich silbrig glänzende Flügel aus. Sie schaute Bernd ununterbrochen an. Ihr Gesicht - aus angemaltem Porzellan gefertigt - war schmal und hübsch; ihre großen Augen schienen zu lachen.
Sein rechter Arm zeigte schnurgerade auf diese wunderliche Figur. Theo richtete sie immer wieder aus, denn sie wollte ständig nach vorne kippen. Klara saß hinter dem Jungen im Sessel und ordnete die verschlungenen Stränge des Lamettas vom Vorjahr; sie war mit ihren Gedanken weit weg, dachte an Ewald und suchte nach Gründen für sein Verschwinden. Niemand achtete auf Bernd und seine andauernd ausgestreckte Hand.
„Oma, da!“
Das wirkte wie ein Donnerschlag! Klaras Kopf ruckte hoch, die Leiter wackelte ordentlich. Noch immer wies die Hand auf den Engel, der schon seit Generationen die Baumspitzen aller Weihnachtsbäume in diesem Haus schmückte.
Der Engel lächelte, aber es war wohl nur das Zittern der Äste, das sich auf ihn übertrug, als Theo spontan, Halt suchend, in den Baum gegriffen hatte.
„Er hat Oma gesagt! Hast du´s gehört?“ Klara sagte es betont beiläufig, aber sie konnte ihre Freude nicht verbergen.
„Ja sicher, Klara! Es wird Weihnachten!“
Theo griff nach dem zerbrechlich wirkenden Engel und stieg vorsichtig herunter.
„Da, mein Kleiner!“
„Da, da, Oma!“ Bernd zeigte auf das Gesicht des Engels.
„Er meint, das wärst du!“
„Rede kein dummes Zeug, Theo. Damit spaßt man nicht!“
Aufgeregt drehte Bernd den Engel hin und her, erforschte sein Gesicht, fuhr ungeschickt mit den Fingern über das glatte Porzellan. Als keine Bewegung, keine Regung erkennbar war, wendete er ihn unschlüssig; dann hatte er genug von dem steifen Engel und stellte ihn auf den Boden.
Aufmerksam beobachtete er, wie Theo den Engel auf die Baumspitze setzte, lachte hell auf, krähte vor Vergnügen, als der Engel nach vorne kippte und Theo ihn mit einem Schreckensruf auffing.
„Wie er das gesagt hat! Als wenn er schon immer Oma gesagt hätte!“, sagte Klara kopfschüttelnd.

„Morgen ist Weihnachten, Theo!“ Sie sagte es so betont, als sei das eine neue Erkenntnis; dabei gab es seit Tagen kein anderes Thema.
Sie wartete auf ihren Mann, der die Schlafzimmerfenster zusätzlich mit dickem Pappkarton verklebte. Seit zwei Tagen gab es eine neue, verschärfte Verdunkelungsanweisung, und die Strafen bei Zuwiderhandlung waren drastisch.
„Ich weiß, Klara! War ja wohl nicht zu übersehen!“
Ständig backte sie Brote und Plätzchen; tagelang machte alleine schon der verführerische Duft auf Weihnachten aufmerksam. Karin hatte alle Kugeln und Glocken blank reiben müssen und sich mit ihr darüber gestritten, wer die Fenster putzen sollte.
Er selber hatte ständig in der Werkstatt zu tun gehabt, war oft verlegen gewesen, wenn man über die verschlossene Tür schimpfte. Und jetzt stand der fertig geschmückte Baum im Wohnzimmer, wie in jedem Jahr.
Theo streifte sein bodenlanges Nachhemd über, legte sich neben seine Frau, und sie ergriff seine Hand.
„Ich meine ja bloß...“
„Ich weiß, woran du denkst, Klara. Ich kenne deine Gedanken. Du hoffst auf ein Wunder – ein großes Wunder! Du wünschst dir, dass morgen unsere Söhne vor der Tür stehen. Stimmt es, Klara? - Du wirst dich selber enttäuschen - es ist ein unerfüllbarer Wunsch – du weißt es! Tu dir nicht unnötig weh.“
„Ich lebe nur von solchen Hoffnungen, Theo!“
„Du musst wieder leben lernen; du musst diese Traurigkeit los werden, Klara! Du zerstörst dich damit!“
„Nenn mir einen Grund dafür, Theo!“
„Wir sind der Grund - wir, deine Familie, liebe Klara. Du machst keinen lebendig mit der Trauer – das Leben geht weiter!“
Sie antwortete nicht, sah seine unruhig bewegten Hände und hatte Mitleid mit ihm.
„Lass uns beten!“
Sie schlief auch in dieser Nacht recht gut, aber ihr Schlaf war oberflächlich; sie war bereit, jederzeit wach zu werden, wenn es notwendig wurde; sie hütete selbst im Schlaf noch ihr Haus.

Der erste Weihnachtstag begann um sechs Uhr mit der großen feierlichen Frühmesse. Die Glockenklänge überschlugen sich, obschon die große Glocke fehlte. Uniformierte, mit einem großen Schwertransporter voll beschlagnahmter Kirchenglocken, hatten sie in der Vorwoche abgeholt, um sie in Hamburg einschmelzen zu lassen.
„Sie machen Kanonen aus den Glocken! Unsere geweihten Glocken sollen töten! Das ist Gotteslästerung!“ Klara war zum ersten Mal wütend auf den Führer gewesen.
„Bald werden sie das Glockenläuten verbieten, und den drei anderen Glocken ist wohl auch nur noch eine Galgenfrist gegönnt, munkeln die Leute im Dorf.“ Theos Kunden wussten ständig etwas zu erzählen, wenn sie ihren geflickten Hausrat abholten.
In diesem Jahr nahm Karin den Jungen mit in die Kirche; sie wollte ihn nicht mit ihrem Mann alleine im Haus lassen, der noch schlief – oder wenigstens so tat. Klara war schon vorgegangen, wollte in der Sakristei mit Pastor Harrier über die Bittmesse für Ewald sprechen und das Entgelt dafür bezahlen.
Sie ging, mit Bernd auf dem Arm, mit hoch erhobenem Kopf durch den Mittelgang der kalten Kirche. Klara saß schon auf der rechten Seite des Kirchenschiffes, die für die Frauen reserviert war, winkte leicht mit der Hand, als sie Karin erblickte.
Karin spürte, dass man sie auffällig musterte. Sie wusste, dass sie ihr alle nachsahen, die abfälligen Blicke brannten ihr im Rücken. Sie machte einen tiefen Knicks vor ihrer Bank, bekreuzigte sich flüchtig und setzte Bernd auf die Bank.
Es regte sie eigentlich nicht mehr auf. Sie wurde an jedem Sonntag so gemustert. Da schoben sich die Köpfe der Frauen zusammen, wurde die Zeit vor dem Eingangsläuten genutzt, um flüsternd die Meinung über diese „ungehörige Person“ los zu werden.
Mit der Zeit hatte sie ihre Verlegenheit abgelegt, war – wenigstens äußerlich - kälter geworden. Anders als noch vor einem Jahr, konnte sie manchmal sogar zurückstarren, den Frauen in die Augen sehen, ja, sie schaffte es, hin und wieder überheblich zu lächeln.
Aber heute war alles anders. Es war Weihnachten, und es sollte festlich und ordentlich wie immer sein - und da kam sie, die unzüchtige Person, und brachte ihren Bastard mit in die Kirche!
Der Organist ließ wohl sämtliche Pfeifen ertönen; es rauschte und brauste, die Klänge füllten den hohen Raum, man hatte das Gefühl, als bade man in diesem Tonmeer. Bernd drehte seinen Kopf so weit, dass er die glänzenden Pfeifen sehen konnte, aus denen offensichtlich die angenehmen Geräusche kamen.
Der Gesang gefiel ihm, erinnerte ihn an die Lieder, die Oma sang, wenn er ins Bett ging. Aufgeregt verzog er die Nase, als er den Weihrauch roch, dessen Schwaden aus den Weihrauchschwenkern wie feiner Nebel zur Madonna im Strahlenkranz aufstiegen. Sie hing schräg über ihm an der Decke, und er sah die geheimnisvolle Frau lange forschend an. Sie schwebte einfach so, mitten in der Kirche; das dünne Drahtseil erkannte er nicht.
Die vielen Eindrücke überwältigten ihn, und er wurde müde. Während der Wandlung lag er schon auf Karins Schoß, der Kopf hing seitlich herunter; er schlief tief und fest.
Als der Zeitpunkt der Kommunion näher kam, wurde Karin unruhig; sie wollte heute nicht gehen, suchte nach einem Ausweg.
„Mir sind die Arme eingeschlafen; ich kann den Jungen nicht anheben und nicht aufstehen! Geh du alleine, Mutter; der Junge wird sonst wach!“
„Was soll das, Karin? Es ist Weihnachten - da geht man zur Heiligen Kommunion! Nimm ihn mit nach vorne.“
„Nein, nein - wer weiß! Nachher wird er wach und weint!“
Sie war froh, dass sie eine Ausrede hatte; sie fürchtete sich vor dem Gang zur Kommunion, ahnte, dass sie damit zum Tagesthema werden würde.
Vor ihnen leerten sich die Bänke, und die Schlangen der andächtig und mit gesenktem Kopf wartenden Männer und Frauen wurde immer länger.
„Geh, Karin!“
„Ich kann nicht gehen, Mutter! Ich habe nicht gebeichtet! Ich hab’s vergessen!“
„Die Leute werden glauben, dass du wegen deiner Schuld - weil du eine Todsünde begangen hast - nicht zur Kommunion gehst“
„Und sie werden denken, dass es unverschämt ist, mit diesem Bastard im Arm die Kommunion zu empfangen, den Leib unseres Herrn als Sünderin in den Mund zu nehmen!“
„Du hast deine Todsünde gebeichtet; jetzt ist es genug! Du gehst!“
„Nein! Ich will nicht... Die können mich alle mal!“
„Karin! Du versündigst dich schon wieder!“
Sie waren erst still, als Karin sich anschließen oder endgültig am Platz verharren musste. Keine Frau blieb sitzen, alle standen im Mittelgang, in der Schlange vor dem Altar. Wer sitzen blieb, konnte sicher sein, dass ihn alle Blicke abfragten, unzählige Köpfe darüber nachdachten, welchen Grund es dafür geben mochte.
Die Männer, die auf der linken Seite des Kirchenschiffes ihren Platz hatten, bildeten die zweite Schlange. Die ernsten und andächtigen Gesichter zeigten ihre Bereitschaft für die festliche weihnachtliche Kommunion.
Karin blickte zu den Männern hinüber und sah ihren Vater in der Schlange stehen; er hatte keinen Blick für sie, schaute auf seine gefalteten Hände.
Klara stieß Karin heftig an. „Du gehst!“ - und damit gab Karin auf.
„Sollen sie sich doch das Maul zerreißen, diese Hyänen und Pharisäer!“
Sie stand langsam auf, stemmte Bernd mit den gefühllosen Armen hoch, und stellte sich in die Reihe der Wartenden. Sie hob den Kopf sehr hoch, wollte keine Demutshaltung annehmen, die alle anderen durch ihre gesenkten Köpfe anzeigten.
Bernd blieb ruhig, er schlief fest. Langsam zog die Reihe vor; Karin spürte die strafenden Blicke der zurück kommenden Frauen fast schmerzhaft auf Gesicht und Körper. Als sie endlich am Altar stand, war sie erleichtert, atmete tief durch.
Pastor Harrier hob den Blick nicht, als er ihr die Hostie auf die herausgestreckte Zunge legte; er wusste alles über seine Gemeindemitglieder. An Bernd, dessen Kopf fast seine Brust berührte, ging sein Blick achtlos vorbei.
Sie konnte alle Texte auswendig, wusste genau, wann sie aufstehen musste, wann sie zu knien hatte. Die lateinischen Gesänge und Gebete erforderten den richtigen Einsatz, die korrekte Antwort auf die Vorgabe des Vorbeters. Sie betete und sang, ohne nachzudenken; sie hatte im Kommunionunterricht gut aufgepasst. Aber heute wollte sie nicht mitmachen; sie schloss ihre Lippen und blickte hoch zum Altar. Pastor Harrier schloss die Messe mit dem tridentinischen Glaubenbekenntnis:
„Credo in unum Deum Patrem omnipotentem, factorem cæli et terræ, visibilium omnium et invisibilium; et in unum Dominum Iesum Christum, Filium Dei unigenitum, et ex Patre natum ante omnia sæcula, Deum de Deo, lumen de lumine.“
Sie bekam den Mund nicht auf, konnte nicht mitbeten, senkte den Kopf und sah in das blasse Gesicht ihres Jungen.

Karin und Klara schoben sich langsam zur Ausgangstür, beachteten die umstehenden Frauen nicht.
„Vater geht noch zum Amtsaushang am ‚Domhof’. Er will sehen, ob es was Neues gibt“, sagte Klara, als sie den suchenden Blick ihrer Tochter sah.
„Die Liste der Toten und Vermissten wird immer länger. Ein Wahnsinn!“
„Sei still! Lass das keinen hören; das fehlt gerade noch. Wir haben schon genug Sorgen.“
Schweigend gingen sie durch das große Portal in die Dunkelheit. Keine Straßenlampe brannte, alle Fenster der gegenüber liegenden Häuser waren verdunkelt. Inzwischen hatte leichter Schneefall eingesetzt; die Straße war unter einer dünnen Schneedecke verschwunden. Als sie endlich im Freien standen, sich die Kopftücher überstreiften, sagte Klara leise:
„Na siehst du, Karin! Der Junge hat sich doch prima gehalten; so war es jedenfalls besser. Hast du ihre Blicke gesehen? Wie die dich angeschaut haben!“
„Ich glaube, ich wäre besser zu Hause geblieben. Jetzt werden sie sich erst recht das Maul zerreißen.“
„Das werden sie wohl! Aber deshalb kannst du an Weihnachten nicht die Messe schwänzen! Du bist selber verantwortlich für diese unsägliche Situation! Such bitte nicht die Schuld bei anderen! Sie haben ja nicht ganz unrecht, wenn sie dich als Sünderin bezeichnen. Du hast ein uneheliches Kind geboren, und du bist nicht kirchlich verheiratet! Du musst allmählich deinen Ruf wieder herstellen - und dich bewähren – deine Heirat mit diesem schrecklichen Menschen war da nicht gerade förderlich!“
„Mutter! Es ist mein Mann, und ich wollte ihn! Mir reicht´s allmählich! So kann das doch nicht weitergehen! Ich komme mir vor wie eine Verbrecherin. Was habe ich denn getan? Soll ich für den einen Fehltritt mein Leben lang büßen? Ich habe keine Lust, immer nur brav das zu tun, was dir und diesen Quatschmäulern gefällt.“
„Doch! Das wirst du! Solange du in meinem Haus lebst, wirst du das!“
„Ich habe ein Recht auf ein eigenes Leben, auf eine eigene Meinung! Du schiebst immer die Leute und die Kirche vor! Die sollen sich um ihren eigenen Dreck kümmern!“, rief sie erregt, jetzt viel zu laut.
„Karin! Halte deinen Mund! So etwas will ich nie wieder hören! Du bist und bleibst eine Sünderin! Was habe ich bei dir nur falsch gemacht?“
„Viel – sehr viel, Mutter! Und ich lasse mir nicht mehr viel gefallen; ich bin ein erwachsener Mensch, merk dir das! Ich bin ich, und die da - die sollen sich da raus halten! Und der Pastor, dieser Pharisäer auch!“
Ihre Stimme wurde immer lauter, und sie blickte die Frauen herausfordernd an. Ihre weißen Gesichter leuchteten in der Dunkelheit wie Monde; alle Köpfe waren ihnen zugewandt. Klara ergriff den Arm ihrer Tochter, drückte ihn hart und zog sie mit sich.
„Los, komm! Es ist besser, wenn wir jetzt gehen! Wir sind bald mit dem ganzen Dorf verfeindet! Es reicht, Karin! Noch ein Wort gegen mich oder unsere heilige Kirche, und du kannst Weihnachten alleine mit deinem Mann verleben! Reiß dich zusammen!“
Sie gingen steif nebeneinander her; Karin stapfte mit jedem Schritt ihre Wut in die dünne Schneedecke. Bernd schlief immer noch, war aber während ihres Streites mehrfach zusammengezuckt.
„Es ist genau so wie im vergangenen Jahr! Streit, ausgerechnet an Weihnachten, und immer durch den Besuch dieses verdammten Weihnachtsgottesdienstes ausgelöst! Es ist ein Witz!“, dachte Karin, und die Wut machte sie schwindelig.
Im Hausflur blieb sie unschlüssig stehen, spielte einen Augenblick mit dem Gedanken, sofort in ihr Zimmer zu gehen.
„Ich glaube, der Gottesdienst bringt uns noch mehr Unfrieden, als wir so schon haben! Muss wohl am Pastor liegen!“, sagte sie heftig und spürte gallebitteren Ärger.
Sie konnte sich diese Bemerkung einfach nicht verkneifen, obschon sie wusste, dass Weihnachten damit gelaufen war - sie kannte ihre Mutter gut genug. Der eisige Blick, mit dem Klara sie ansah, ließ sie Schlimmes ahnen.
Die Türglocke bimmelte. Theo kam herein und schlug an der Außenwand den Schnee vom Hut.
„Richtiges Weihnachtswetter; so muss es sein!“ Er sah die Frauen an, und die Gesichter sagten ihm genug.
„Es ist Weihnachten, Klara - Karin! Bitte! Unser erstes Weihnachten, bei dem wir einen Toten zu betrauern haben und um einen vermissten Sohn bangen. Unser Weihnachten wollen wir trotzdem feiern, wie es richtig ist und wie wir es immer gefeiert haben – in Frieden! Tut mir den Gefallen und streitet nicht an diesem Tag; das sind wir unseren Söhnen schuldig.“
Sein Appell traf auf versteinerte Gesichter, auf harte Augen; es war zu spät!
Klara ging in die Küche, und Karin stellte Bernd sachte auf den Boden; er war gerade wach geworden, rieb sich verschlafen die Augen.
„Vater, ich will doch keinen Ärger. Ich weiß selber, was ich alles falsch gemacht habe. Manchmal wünsche ich, weit weg zu sein, in einem anderen Leben, das nicht mit so vielen Fehlern behaftet ist wie dieses.“
Sie sah ihren Vater an, der verlegen zu Boden blickte. Sie liebte ihn und wusste, wie schwach er war; sie konnte bei ihm keine Hilfe erwarten.

An diesem Morgen sprachen die Frauen stockend, mit belegter Stimme. Sie mussten sich sichtlich überwinden, den Mund zu öffnen. Wenn wirklich notwendige Worte gesagt werden mussten, sprachen sie an den Adressaten vorbei in die Luft.
„Nimm drei Ringe vom Herd!“
„Stell die Pfanne auf die Platte!“
Als Karins Mann mit mürrischem Gesicht in die Küche kam, standen sie nebeneinander am Herd, bereiteten das Frühstück.
„Guten Morgen“, seine Stimme klang heiser; er hatte am Vorabend mit einigen Arbeitskollegen Bier getrunken.
„Das war meine persönliche Weihnachtsfeier“, hatte er in der Nacht zu Karin gesagt, erst laut gerülpst und dann die ganze Nacht geschnarcht.
„Frohe und gesegnete Weihnachten!“ Klara hätte es nicht zu sagen brauchen; ihre Abneigung war mit jedem Wort deutlich zu spüren.
Es roch nach Kaffee und Gebratenem; eine flüchtige Dunstwolke strömte aus den beiden großen Pfannen. Sie hatten die rotglühenden Ringe weggeschoben, und das Herdfeuer warf Flackerlichter an die Decke.
Karl spürte die angespannte Atmosphäre. Die ungewöhnliche, lastende Stille bezog er auf sich und sein Fernbleiben vom Gottesdienst – und er war hungrig.
„Diese blödsinnige Nüchternheit! Der Papst weiß ja überhaupt nicht, was er da verordnet. Was soll der Quatsch, dass man bei der Kommunion nüchtern sein muss? Kann mir das mal einer sagen?“
„Halte bitte den Mund, Karl!“ Theo kam durch die Hoftür und sah seinen Schwiegersohn zornig an. „Wir lassen dich in Ruhe, und du lässt uns unseren Glauben. Es ist Weihnachten, und da solltest du dich ein wenig zurück halten.“
Dass er mit dem Frühstück warten musste, bis die „Bettanten“, wie er die Frauen bei seinen Kumpels an der Theke nannte, aus der Kirche kamen, das hielt er für eine mutwillige Bestrafung durch seine Schwiegermutter.
„Mag mich nicht, die Alte. Die wünscht mich dahin, wo der Pfeffer wächst!“, sagte er, wenn er genug getrunken hatte.
„Ist doch wahr!“, sagte er und setzte sich mürrisch an den Tisch. Er griff sofort zu und wartete nicht auf die anderen, die noch nicht saßen. Bernd hockte mit müden, halb geschlossenen Augen still auf seinem Stuhl, durch ein Kissen erhöht, und sah seinen Vater nachdenklich an.
Schweigend und starr blickten die Frauen auf ihre Teller, stocherten unlustig im Essen. Sie überstanden mühsam das sonst nach der Weihnachtsmesse so feierliche, oft sogar fröhliche Frühstück, bei dem die kribbelnde Spannung vor der Bescherung deutlich zu spüren war. Heute dachte niemand an die Geschenke, die man sich erhoffte.
„Glückwunsch, Klara! So gut wie in diesem Jahr hat dein Wurstebrot noch nie geschmeckt!“, konnte man in jedem Jahr hören, wenn diese münsterländer Spezialität, die niemand so gut mischen und würzen konnte wie Klara, aufgetischt wurde. Heute bestrichen sie wortlos die kross gebratenen, duftenden Scheiben mit Rübenkraut, schlürften nach jedem Bissen den heißen schwarzen Kaffee aus den dickwandigen Tassen.
„Das Zeugs würde ich nicht einmal herunter würgen, wenn ich vor Hunger sterben müsste!“
Karl verzerrte sein Gesicht ziemlich überzogen und theatralisch, damit jeder seinen Ekel begriff.
„Brauchst du auch nicht! Das ist nur was für Feinschmecker!“, sagte Klara und sah ihn verächtlich an.
Karl aß das dick geschnittene Weißbrot, das Klara in der Woche gebacken hatte, und bestrich es mit dem selbstgekochten Rübenkraut.

„Na? Wollen mal gucken, ob das Christkind da gewesen ist“, sagte Theo und wollte ausnahmsweise das jüngste Familienmitglied zuerst beschenken.
Er setzte die schwere Tasse ab und ging raus in die Werkstatt. Alle versteckten ihre Geschenke in dem großen Raum, der vollgestellt war mit alten Haushaltsgeräten, Weißblechen, defekten Dachrinnen und anderen sperrigen Sachen, die ausreichend Möglichkeiten boten.
Der kleine, hölzernen Bollerwagen, in kräftigem Rot angestrichen, war bis an den Rand mit Holzklötzchen gefüllt. Die Bausteine zeigten runde, rechteckige oder auch quadratische Formen. Sie waren alle gleich dick, und aus dem frischen Kiefernholz strömte ein harziger Duft. Er stellte den Wagen vor Bernd auf den Boden, setzte sich selber dazu und zeigte auf sein Geschenk.
„Hat das Christkind gebracht; ist für einen kleinen lieben Jungen!“
Bernd jauchzte laut, schob, drehte und wendete das Gefährt, wühlte in den Klötzchenbergen, warf sie auf den Boden, streichelte und beroch sie.
Die Ergebnisse abendfüllender Strick– und Häkelarbeiten, eine blaue Wollmütze von Klara, der dazu passende Schal und die Handschuhe von seiner Mutter, lagen unbeachtet neben ihm. Von Karl, seinem Vater, bekam er nichts, aber das bemerkte er nicht.
Es ging in der sonst üblichen Reihenfolge weiter. Theo reichte seiner Frau ein schön gebundenes Mess- und Gesangsbuch.
„Ist auch eine Widmung drin, Klara. Sollst dich noch lange dran erinnern, meine ich, an diesen besonderen Tag.“
Sie blätterte ziellos, las aufmerksam und sehr lange die Widmung, sah ihren Mann nachdenklich an - und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte sie.
„Ich weiß ja, warum ich diesen Mann geheiratet habe. Es ist gut, was du geschrieben hast, Theo!“ Sie las noch einmal, diesmal mit halblauter Stimme, die Widmung.
„Für meine liebe Frau Klara, die bei diesem Weihnachtsfest den größten Verlust ihres Lebens beweint! Wir trauern um unseren Ältesten, Bernhard, der am 24. Juli gefallen ist.
Dein dich liebender Theo, am 25. 12. 1941“
Es war eine ganze Zeit still, nur die klappernden Klötzchen und das Knacken der Kohlestücke im Küchenherd waren zu vernehmen - selbst Karl saß still und blickte betroffen auf seinen Teller.
Karin stand mit einem Ruck auf und holte ihre Geschenke herein. Sie hatte die größte Mühe gehabt, sich für ihre Mutter etwas einfallen zu lassen. Ihr fehlte die innere Bereitschaft, der Wille, ihr eine Freude zu machen.
Erst drei Tage vor Weihnachten war ihr die Idee gekommen, als sie im Laden ihrer ehemaligen Schulfreundin Kathrin Schulte zufällig ein Kopftuch aus schwarzem dicken Stoff gesehen hatte. Es war sogar recht billig gewesen, weil es schon etwas aus der Mode war.
„Deiner Mutter wird es trotzdem gefallen; das ist was für ältere Leute“, hatte Kathrin Schulte grinsend gesagt.
Sie mochten sich heute nicht mehr sonderlich, sprachen nur noch selten miteinander. Aber Karin wusste, dass sie sie verteidigt hatte, als man bei der Sammelaktion des Winterhilfswerks auf ihre Mitwirkung verzichten wollte.
Wortlos hielt sie Klara das große, quadratische Tuch hin, wartete auf eine Reaktion ihrer Mutter.
Klara nahm das Tuch, strich leicht über den festen Wollstoff und nickte. „Danke! Traurig genug, dass ich das jetzt wohl ständig tragen muss“, sie sah ihre Tochter nicht an.
Theo legte Karin umständlich ein paar Schuhe auf den Schoß. Sie sah ihn erstaunt an, seit Monaten sparte sie für neue Schuhe.
„Woher hat der Mann das gewusst?“ Sie gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange.
„Wie bist du an das Leder gekommen? Ich weiß doch, wie schwer es im Augenblick ist, gutes Leder zu bekommen“, sagte sie, während sie die handgearbeiteten Schuhe anzog.
„Beziehungen!“
„Die passen ja genau! Mensch, Vater, wieso hast du meine Maße gewusst?“
„Hab ich nicht gewusst! Hab nur ein altes Paar von dir mitgenommen; der Holtkamp hat die ausgemessen - das ist ja schließlich sein Beruf. Kostete übrigens nichts; der hat ja noch massig Schulden bei mir!“
Das gab zum ersten Mal ein leichtes Lächeln, das aber schnell wieder abgestellt wurde. Von ihrer Mutter bekam Karin einen gestrickten Schal, den sie mit verlegenem Gesicht und undeutlich gemurmeltem Dank annahm.
Karl wurde als letzter beschenkt; sie legten mit linkischen Bewegungen die Geschenke einfach vor ihm auf den Tisch.
Das Rasierwasser hatte Karin aus dem stillgelegten Frisiersalon ihres toten Bruders genommen. Man durfte da zwar nichts rausnehmen, hatte Klara bestimmt, aber außer Karin wusste niemand von dem Postpaket mit Rasierseife, Haar- und Rasierwasser, das erst nach Bernhards Tod eingetroffen war.
Karl dankte wortlos, mit einem flüchtigen Kopfnicken, aber als Klara ein Paar Handschuhe auf den Tisch legte, wurde er rot und hüstelte verlegen. Karl hatte keine Geschenke - weder für seine Frau noch für die anderen Familienmitglieder.
„Braucht auf nichts zu warten! Ihr wisst ja, was ich von der dämlichen Schenkerei halte - ich bin einfach dagegen!“, verkündete er trotzig, während alle nochmals ihre Geschenke begutachteten.
„Hab ich auch nicht von dir erwartet, Karl. - Nur an den Jungen hättest du denken können!“
„Nein, nein, Karin! – Wieso, sollte ich? Das gab´s bei uns zu Hause nie - und ich will das gar nicht erst anfangen! Ihr verderbt den Jungen!“
Karin antwortete nicht, betrachtete ausgiebig ihre Schuhe, spazierte probeweise durch die Küche und nickte zufrieden.
Karl wollte nicht mit, als Klara alle aufforderte, zum feierlichen Singen ins Wohnzimmer zu kommen. Er blieb sitzen und wartete, bis er alleine war, dann ging er nach oben, zog sich einen Mantel an und verließ das Haus.
Es war warm im Wohnzimmer. Theo hatte vor dem Gottesdienst das Feuer im Kachelofen angezündet. Der Ofen bullerte und strahlte eine große Hitze ab.
„Lass ihn ausgehen, Theo. Leg nichts mehr nach. Es bleibt bis zum Abend warm hier drin“, sagte Klara und stellte sich neben Karin vor den Baum; sie warteten darauf, dass Theo die Kerzen anzündete.
Bernd hob den Blick, als der Fidibus - ein langer Kiefernholzspan - mit einer bläulichen Flamme brannte. Er saß auf dem Boden, spielte mit seinen Klötzchen, die Theo mitgenommen hatte.
„Es ist ein Ros’ entsprungen“, sang Klara mit ihrer schönen, hellen Stimme, während Theo langsam, bedächtig die Kerzen anzündete.
Als alle Kerzen brannten, sagte Klara mit fester Stimme: „Wir wollen zuerst für Heinrich, Ewald und Willi beten; auch Bernhard, der nie mehr mit uns Weihnachten feiern wird, wollen wir in unser Gebet einschließen.“

Sie standen still, mit gefalteten Händen; Klara hatte die Augen geschlossen, war weit weg. Als Theo sie sanft anstieß, regte sie sich, nickte verlegen und stimmte das übliche Eingangslied an.
„Stille Nacht, heilige Nacht, alles schläft, einsam wacht...“, sangen sie und sahen dabei den Baum an.
Klara und Karin trugen mit ihren hohen und klaren Stimmen das Lied, gaben sich damit selber einen kalten Schauer auf den Rücken; Theo sang viel zu tief und hinkte immer eine halbe Note hinter den Frauen her.
Die unruhig flackernden Kerzenflammen zeichneten Schattenbilder in das Gesicht des Engels. Bernd betrachtete versonnen die lebendig gewordene Figur, die von der Baumspitze auf ihn herab sah. Er lachte sie vorsichtig an, winkte auch einmal und gab auf, als er keine Reaktion erkennen konnte.
„Mir fehlen ihre kräftigen Stimmen! – Die Jungen fehlen mir so schrecklich! - Ich wollte, Weihnachten wär schon vorbei!“
Klara sagte es in die anhaltende Stille, nachdem der letzte Ton verklungen war - und sie sah dabei schuldbewusst in das Gesicht ihres Mannes, der starr eine Kerzenflamme fixierte.
„Wir sind auch noch da!“, sagte Karin; ihre Mutter blieb stumm.
Karin dachte darüber nach, ob ihre Mutter wohl auch so um sie trauern könnte, wenn sie sterben würde. Sie war sich sicher, dass sie wohl kaum vermisst würde.
„Ich müsste es mal probieren“, dachte sie, und als ihr die Verzweiflung den Hals zuschnürte, fragte sie sich plötzlich, wie viele Weihnachten sie noch mit ihrem Mann erleben würde.
Sie hatte ihre Fehler längst bereut, verstand ihre Situation, aber aus diesem Dilemma würde es keinen Ausweg geben. Eine Scheidung würde ihre Mutter nie akzeptieren.
„Ich hatte mir eine Feldpostkarte gewünscht, Theo – nur eine von jedem Jungen - oder einen Bescheid, dass sie Ewald gefunden haben. Manchmal werden Wünsche ja wahr - aber es ging wohl nicht“, sagte Klara leise, als sie das letzte Weihnachtslied gesungen hatten - und weinte lange.
Niemand wagte es, sie zu trösten; sie hörte erst auf, als sie den traurigen Blick ihres Enkels sah, der seine Klötzchen vergessen hatte und seine Oma anstarrte.
Als sie ihn auf den Schoß zog, seine Wärme spürte und sein Gesicht an ihrer nassen Wange fühlte, da kam sie plötzlich, die beglückende Liebe, wie sie ihr in diesem Maße nur bei Bernhard begegnet war.
Tastend ergriff sie die Hand ihrer Tochter und drückte sie fest an sich. Es war still im Raum; nur der Ofen war zu hören, als Klara sich räusperte.
„Ich kann unserem Herrn nicht genug danken, dass er uns Karin und diesen Jungen geschenkt hat. Ich liebe euch!“
Sie saßen noch lange still, lauschten den Geräuschen, die aus dem Ofen kamen und spürten das geheimnisvolle Glück, das zu Weihnachten manchmal sogar die Menschen befällt, für die diese Fest eigentlich nur bedeutet, dass sie ein paar zusätzliche freie Tage genießen können.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

heute bin ich endlich dazu gekommen, deine klara zu lesen. sie gefällt mir ganz wunderbar. vielleicht ist sie von manch einem nicht gelesen worden, weil sie so lang ist. aber etwas schönes kann nicht lang genug sein. dennoch wäre es vielleicht besser, so lange sachen unter erzählungen zu posten. ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Danke

liebe flamarion,
ja da hast du recht. Da steht zeitgleich meine Geschichte "In einem fremden Land". Das Problem: Bei Erzählungen ist die Resonanz noch schlechter (nahe Null) als bei Kurzgeschichten. Danke für dein Kompliment
eduard
 

ingridmaus

Mitglied
Eine wunderschoene ruhige, besonnene Geschichte, beim Lesen ist mir mehrfach eine Traene ins Knopfloch gestiegen. Es ist wirklich ergreifend, wie die Botschaft rueberkommt, ohne einen anzuspringen. Dankeschoen!
Gruss
Ingrid
 

Breimann

Mitglied
Liebe Ingrid,

es gibt viele Gründe, warum mich deine Rezension so gefreut hat. Einen nur hier: Sie ist halt so, wic ich gerne schreibe - und das braucht meistens Platz - und Zeit natürlich beim Leser. Viele haben heute nicht mehr die Geduld für lange Erzählungen. Leider!
Danke und eine schönes Wochenende
Eduar
 

Antaris

Mitglied
Hallo Breimann,

auch mir gefällt Deine Geschichte sehr gut. Ich habe mich allerdings hin und wieder bei dem Wunsch ertappt, warum ist die Geschichte nicht kürzer? Vielleicht ist das Internet nicht ganz das richtige Medium für solche Geschichte (zumindest nicht wenn dein Drucker wieder bockt) Deine Geschichte aus dem "fremden Land" habe ich jedenfalls nicht in einem Rutsch am Bildschirm durchlesen können und mir lange Gedanken gemacht, ob ich dazu was schreibe oder nicht. Jedenfalls hat mir die Atmosphäre dort sogar noch besser gefallen als hier. Wäre es vielleicht möglich, längere Geschichten etappen oder kapitelweise in die LL zu stellen (ich weiss, es ist eine Zumutung was ich vorschlage)?

Mit feurigen Grüßen

Antaris
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ach nee,

bitte nur romane kapitelweise posten! ich zieh mir längere geschichten immer auf die festplatte und lese sie dann in ruhe. ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Keine Zumutung

Nein, nein, es ist keine Zumutung, lieber Antaris. Es ist wohl nur nicht so sinnvoll. Ich habe es mit "Apfelbaum" so gemacht. Das Ergebnis ist frustrierend! ES war ein Dreiteiler - aus den genannten Gründen - und gelesen (aufgerufen) wurde vermehrt der dtritte Teil, am wenigsten der erste. Was lerne ich daraus? ich weiß es nicht. Nur eines vielleicht, ich werde einen großen Teil meiner Erzählungen, die zum Teil inzwischen auch gedruckt wurden, nicht mehr ins Internet stellen. Das ist sicher besser ss.
Danke für die positive Rezension,
eduard
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

eine anmerkung hätte ich noch - du könntest hinter "Rübenkraut" in klammern setzen, daß es sich um sirup handelt. rübenkraut kennen die nordischen nicht. die kennen nur kraut und rüben, was unordnung heißt. ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Danke, liebe flammarion

für den Tipp!!
Es ist tatsächlich so, dass das "Regionale" wohl leider in den Erzählungen unterbleiben muss. Eine Klammererklärung tut mir vom stilistischen her zu weh. So hatte ich ursprüglich in der letzten Erzählung "Ein fremdes Land" mehrfach "Kippkarren" erwähnt. Auf Anraten habe ich es raus nehmen müssen. Kippkarre ist das Wort für eine zweiräderige Karre mit Doppeldeichsel. Sie wurde früher im Münsterland (meine alte Heimat) nnd im Rheinland (meine neue Heimat) eingesetzt, als man noch Pferde (1 PS)-Antrieb als Norm ansah.
Rübenkraut ist heute hier im Rheinland - und überall, wo man Zuckerrüben anbaut - ein Standardbegriff!
Sirup? Was ist das? Ich bin dir aber dankbar, dass du das Thema "regionale Begriffe in Erzählungen" angesprochen hast. Ich möchte nicht grundsätzlich darauf verzichten, denn es gibt Nähe und Kontakt. Es wäre schade, wenn in Zukunft der Broiler, die Weiße mit Schuss, der halve Hahn und andere aus der Literatur verschwinden würden. Vielleicht gibt es dazu andere Meinungen.
Liebe Adventsgrüße
Eduard
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

sirup bekommt man, wenn man rüben solange kocht, bis dieses dunkle zähflüssiges zeug übrigbleibt. funktioniert auch bei ahornbäumen, denn es gibt auch ahornsirup. ist schon komisch, oder? ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Na klar,

liebe flamarion,
habe lange genug in den Staaten gearbeitet und dort dieses brrrr süße Zeug ständig serviert bekommen. Hab nicht daran gedacht. Aber deshalb ist Sirup nicht eineindeutig, wie der Mathematiker sagt. Rübenkraut dagegen ist es!!
Liebe grüße
Eduard
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
aber ja, mein bester.

für uns im norden ist es eindeutig das kraut an den rüben und wir fragen uns, wie man sowas aufs brot tun kann. ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Liebe flamarion,

verlassen wir das Kraut, das süße, das nicht jeder mag, aber jeder kennt.
Ich frage mich tatsächlich, wie man mit Regionalbegriffen in einer Erzählung umgehen soll. Etwa so?: Sie schmierten sich Rübenkraut, die klebrige, braune, komisch riechenden Masse - die manche als Brotaufstrich bezeichen - die aus der gekochten Zuckerrübe gewonnen wird, aufs Brot.
Na, was sagst du? Ich fände es, wenn man sich das bei allen mäglichen Begriffen so vorstellt, schreckluh.
Liebe Grüße
Eduard
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

das ist schrecklich. zum glück können wir uns vernünftig darüber unterhalten. so bin ick nu mal - wenn ich was nicht verstehe oder nicht kenne, dann frage ich. man ist ja noch lernfähig. übrigens finde ich das rübenkraut auch ganz köstlich. ganz lieb grüßt
 

Breimann

Mitglied
Regionales

Ach, mir ist erst später aufgefallen, dass es da noch ein "Regionälchen" in der Geschichte gibt: "Potthast", manche schreiben auch "Pothast". Das ist im engeren Münsterland ein netter Brauch. Der Nachbar bekommt einen ordentlichen Anteil vom Schwein, nicht zu klein bemessen. Das freut ihn zunächst, verpflichtet ihn aber, wenn er später schlachtet, genau so viel - oder mehr - als Potthast zu geben. So hat man, selbst zu Zeiten, in denen man nicht schlachtet, Frisches vom Schweinderl!
Gibt's das auch in Berlin oder anderswo?
eduard
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
nee,

in der form nicht. das ist ja direkt etwas handfestes! nee, hier gibt es nur ein paar leute, die denken, wenn sie was geschenkt bekommen, dann müssen sie irgendwann demjenigen auch was schenken und die schlimmere variante schenkt etwas in der hoffnung - ja beinahe forderung - dann auch etwas zu bekommen. geht die freundschaft entzwei, fordert man die geschenke zurück. wäre zum lachen, wenns nicht so traurig wär. von potthast hab ich schon gelesen. ich glaube, das letzte einzelschwein wurde in berlin kurz nach dem krieg geschlachtet. hier gibts doch keine landwirtschaft. ganz lieb grüßt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

da bin ick auch gespannt. weißt du, mir gehts ja nicht nur um den witz, sondern auch ums lernen, verstehen. in rätseln schreiben kann zwar auch kunst sein, ist aber so schwer verdaulich. ganz lieb grüßt
 



 
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