Kleider machen Leute

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Haremsdame

Mitglied
Kürzlich überraschte mich zu Hause ein fremder junger Mann. Er trug eine Feuerwehrkappe auf dem Kopf und ein dunkelblaues Sakko mit silbernen Knöpfen. Mein Erstaunen ob des ungebetenen Gastes erhöhte sich noch, als er mich ansprach: „Mami, weißt du, wie man Krawatten bindet?“

Dass ich meinen 14jährigen Sohn nicht auf Anhieb erkannte, lag nicht an meiner beruflich bedingten, häufigen Abwesenheit, sondern ganz einfach an der ungewohnten Kluft. In löcherigen Jeans und mit wehenden Haaren ist mir Maximilian viel vertrauter. Zwar hatte ich den Beschluss, in dem er vor wenigen Wochen nach Ablauf der Probezeit zum aktiven Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr ernannt worden war, in eigenen Händen gehalten – die daraus resultierende Wandlung war mir zu jenem Zeitpunkt jedoch nicht bewusst.

Nachdem ich mich vom ersten Schreck erholt und mein Mann seinem Filius den Krawattenknoten beigebracht hatte, überzog eine leichte Röte das Gesicht unserer 12jährigen Tochter. Auch sie erkannte ihrem Bruder erst auf den zweiten Blick.

Vor wenigen Tagen meinte Maximilian beim Mittagessen: „Meinst Du, der Papi leiht mir seine Fliege?“ Auf Nachfrage erfuhr ich, dass im Gymnasium ein ‚Spießertag’ geplant sei. Die Schülermitverwaltung habe angedroht, jedem eine Strafe zu verpassen, der nicht ‚standesgemäß’ gekleidet erscheine. Der wollte mein Sohn entgehen, indem er seine Firmkombination, die schon über ein Jahr unbenutzt im Schrank hängt, noch einmal zu Ehren kommen lässt. Aufgemotzt mit einem weißen Hemd und Vaters Fliege glaubt er dem Thema gerecht zu werden.

Statt der Freude, die mir diese Einstellung zur Kleidung vor Jahren bereitet hätte, holt mich heute Wehmut ein. Die Erinnerung an den ersten Anzug, der zur Kommunion angeschafft und nur wenige Stunden getragen wurde, hat mich im Laufe der Jahre lockerer gemacht. Endlich habe ich mich mit dem Geschmack meines Sohnes angefreundet, da entdeckt er die ‚Feinheiten’.

Die zeigt er aber nur nach außen. Denn wenn ich sein Zimmer betrete, erwartet mich immer noch die gewohnte ‚Ordnung’. Meist liegen auf dem Boden zwischen T-Shirts, Socken und Jeans getragene Sportklamotten und schmutzige Fußballschuhe. Seit ich mich weigere, dieses Durcheinander zu beseitigen, sammelt der auf sein Äußeres bedachte alles einmal wöchentlich ein und deponiert es vor der Waschmaschine, um nicht eines Tages vor einem leeren Kleiderschrank stehen zu müssen.

Wie wichtig das öffentlich Erscheinungsbild in diesem Alter ist, unterstrichen Maximilians Freunde. Sie bastelten als gemeinsames Geburtstagsgeschenk Stelzen für ein Mädchen, das des öfteren ihre geringe körperlich Größe beklagt hatte.
 
T

Talke

Gast
Wandel usw.

Deine Geschichte gefällt mir sehr gut.
Unterhaltsam und gleichzeitig sprachlich gut durchdacht, lässt sie mich auch nachdenklich zurück.
Frdl. Grüße
Talke
 

Haremsdame

Mitglied
Liebe(r) Talke,

Deine für Deine Wertung meines Textes. Hat mich sehr gefreut, dass er immer noch ankommt, obwohl er schon einige Jahre alt ist :)
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Das ist nur ein Fragment, nicht mal als eigenständiger Tagebucheintrag "komplett". Es eröffent nach hinten hin zu viele neue "Handlungen". So kurios es klingt: Kürzer wär besser. Das Heraugeputze als Hauptteil und dann ganz kurz zum Schluss etwas wie "Nur sein Zimmer, das hat diesen Wandel nicht mitgemacht."
 



 
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