Kleine Ziege Dreibeinchen

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HelenaSofie

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Kleine Ziege Dreibeinchen

Im Wildgehege am Stadtrand lebten viele Ziegen. Die kleine Ziege Dreibeinchen gehörte auch dazu. Ihnen ging es gut. Sie hatten genug zu essen und viel Platz zum Spielen, Toben und Ausruhen.
An einem warmen Sommertag hüpfte die kleine Ziege Dreibeinchen gerade am Zaun entlang, als ihr der schwarze Ziegenbock zurief: " Wie siehst du denn aus! Hat bei dir die Farbe nicht gereicht?" Laut lachend sprang der Ziegenbock davon.

Mit gesenktem Kopf schlich die kleine Ziege zum Rand der Wiese und setzte sich ins Gras. Die Freude über den schönen Sommertag, über die warmen Sonnenstrahlen, die ihre Nase kitzelten, war weg. Sie hatte das Gefühl, einen großen schweren Stein im Bauch zu haben.
Traurig schaute sie auf ihre Beinchen. "Ziegenbock hat ja Recht", dachte sie. Drei ihrer kleinen Beine waren hellbraun. Nur das vierte Beinchen war dunkelbraun wie das übrige Fell. Bisher hatte sie das nicht gestört und die anderen Ziegen störte das auch nicht. Sie spielten mit ihr und hatten nie etwas zu ihren Beinchen gesagt.

Aber jetzt war alles anders. Ziege Dreibeinchen schämte sich auf einmal für ihr Aussehen. Sie versteckte ihr dunkles Beinchen unter ihrem Bauch und blickte unendlich traurig zu den anderen Ziegen hinüber. "Sie sind alle viel schöner als ich", dachte sie.
Bis zum Abend blieb Ziege Dreibeinchen im Gras sitzen. Am liebsten wäre sie gar nicht mehr aufgestanden.

Am nächsten Tag ging es ihr noch schlechter. Sie schlich erst zum Futtertrog, nachdem die anderen Ziegen schon satt waren. Auf den Turm mit den vielen dicken Steinen, den sie so liebte, kletterte sie nicht mehr. In der Höhe hätte man ihre Beinchen genau sehen können. Sie versuchte, sich immer so an den Zaun zu stellen, dass ihr dunkles Bein verdeckt war.

Ein paar Tage später legte sie sich weit weg von den anderen Ziegen ins Gras und ließ den ganzen Tag die warme Sonne auf ihr dunkles Beinchen scheinen. "Vielleicht wird es davon ein bisschen heller", hoffte sie. Am Abend brannte ihr Fell von der vielen Sonne, die Beine taten weh vom langen Liegen, sie hatte Durst und Bauchweh vor Hunger. Das vierte Beinchen war aber noch genau so dunkel wie vorher.

Traurig trottete sie zum Futtertrog, um sich ein paar Reste zu suchen. Sie musste genau hinsehen, um noch etwas zu finden. Daher achtete Dreibeinchen auch nicht auf das kleine Mädchen, das mit seiner Mutter am Zaun stand. "Mama, die möchte ich als Patenziege", sagte das Kind. Es hatte zum Geburtstag eine Ziegenpatenschaft geschenkt bekommen. Nun war es hier, um sich eine Patenziege auszusuchen. "Warum ausgerechnet diese kleine Ziege? Es gibt noch so viele andere im Gehege. Wir sollten uns weiter umsehen", meinte die Mutter. "Bitte, Mama, ich möchte diese kleine Ziege! Sie gefällt mir."

Ziege Dreibeinchen glaubte nicht richtig gehört zu haben. Ungläubig schaute sie um sich. Aber keine andere Ziege war in der Nähe. Sie war damit gemeint. "Mama, ich werde die kleine Ziege immer gleich an ihren drei hellen Beinchen erkennen und brauch nicht lange nach ihr zu suchen, wenn ich sie besuche." "Eigentlich hast du Recht, manche Ziegen sehen fast gleich aus", meinte die Mutter, als sie das Wildgehege verließen.
Ziege Dreibeinchen stand noch immer da und dachte: "Ausgerechnet mich will das Kind als Patenziege haben!"
Der schwere Stein in ihrem kleinen Bauch war auf einmal weg und ein Sonnenstrahl kitzelte ihre Nase, so dass sie niesen musste.

Nach ein paar Tagen, die der kleinen Ziege wie eine Ewigkeit vorkamen, erhielt sie ein rotes Halsband. Jeder konnte nun sehen: Dreibeinchen hat einen Tierpaten. Ganz leicht wurde ihr ums Herz. Vor Freude rannte sie auf der Wiese hin und her und kletterte dann auf den obersten Stein des Turmes. Alle konnten sie sehen. Sie lachte der Sonne entgegen und dachte: "Mir geht es gut!"


Geschichte zum Vorlesen für Kinder ab 4 Jahren
 

Josi

Mitglied
Hallo Helena Sofie,

Ich finde deine Geschichte sehr anrührend!
Die Geschichte zeigt auch sehr schön wie sich ein Außenseiter fühlt.
Ich habe dir mehr Punkte gegeben, aber als Festzeitungsschreiber werden leider Punkte wieder abgezogen.
Schade!

Liebe Grüße
von Josi
 
D

Donkys Freund

Gast
Der Schreibstil ist sehr kindgerecht und hat trotzdem einen schönen Lesefluss. Die Geschichte hat mit der Patenschaft und dem roten Halsband eine Auflösung, die mir gefällt. Für das Vorschulalter prima geeignet.

Das Thema, dass eine Schwäche auch eine Stärke sein kann, wird für Kinder gut dargelegt.
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Donkys Freund,

herzlichen Dank fürs Lesen, Kommentieren und die Bewertung. Ja, ich versuche, in meinen Geschichten etwas einzubauen, was auch in ähnlicher Form eine Kinderseele beschäftigen kann.

Liebe Grüße
HelenaSofie
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Estrella fugaz,

herzlichen Dank. Ich habe mich über deine lieben Worte sehr gefreut. Es ist einfach schön, besonders auch für einen Neuling, festzustellen, dass die Geschichte gefällt.

Liebe Grüße
HelenaSofie
 

Fallanda

Mitglied
Ist lustig, weil erinnerte mich an einen Ausflug in den Märchenwald mit angeschlossenem Ziegengehege.
Man kann die ja dort füttern und die ganze Herde hat sich an den Zaun gedrängt. Nur son Kleines war ziemlich zurückhaltend.
Das hat dann natürlich mehr Aufmerksamkeit von uns erhalten, brachte aber nix mit Futter rüber werfen, weil dann die restliche Ziegenbande das Kleine auch noch fast übern Haufen gerannt hat.
Weiß aber nicht mehr, ob es auch so eine spezielle Färbung hatte. :)

Besonders witzig find ich den 'Ziegengedanken' beim Sonnenbaden:
"Vielleicht wird es davon ein bisschen heller"
*lach*
 

HelenaSofie

Mitglied
Hallo Fallanda,

ich habe mich über deine Antwort gefreut und danke dir herzlich. Dir wünsche ich auch weiterhin viel Freude beim Schreiben.

Liebe Grüße
HelenaSofie
 



 
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