Klugheit langweilt

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Walther

Mitglied
Klugheit langweilt


Man braucht zumeist ein ganzes Leben lang,
Um sich und Andre endlich zu durchschauen.
Man hat sich schnell vertan, die Nase angehauen.
Das Wort „Enttäuschung“ hat dann einen guten Klang.

Man könnte früher auf Erkenntnis bauen:
Erfahrung kommt frei Haus und ohne Zwang.
Wer jung ist, handelt oft im Überschwang:
Die Dummen üben selbst. Jedoch die Schlauen,

Sie hören früh schon zu, wenn man erzählt.
Gelegentlich ist’s klug, still zuzuhören,
Auch wenn das langweilt, ärgert, pfupfert, quält.

Wer vorschnell ist, kann sich soviel zerstören:
Auch wenn der harte Kampf den Sieger stählt,
Den Klugen würde die Vernunft betören.
 
B

bluefin

Gast
immerhin, lieber @walther, ist die von dir gepriesene maxime garant dafür, dass alte, staubige zöpfe erhalten bleiben und neue frisuren bestmöglich verhindert werden. die katholische kirche z. b. flicht dergestalt immer noch an ihrer uralten perücke herum.

leider hat aber ebengerade diese tranig-konservative mode erweislich weder kriege noch sonstige unbilden verhindert - ganz im gegenteil!

du glaubst ja gar nicht, @walther, wie befreit mein geliebtes bayernland nach dem stoiber/huber/becksteinschen höllensturz (aus deren programm mir dein sprüchlein entliehen zu sein scheint) aufgeatmet hat und frei nach vorn zu blicken wagte, hoffend, dass nicht gleich wieder dergestalt reaktionäres gesindel an die macht käme. aber ich fürchte, ich fürchte...

übringens - nicht nur der olle ringelnatz wusste schon:
Kinder, ihr müßt euch mehr zutrauen!
Ihr laßt euch von Erwachsenen belügen
Und schlagen. - Denkt mal: fünf Kinder genügen,
Um eine Großmama zu verhauen.
ganz liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Walther

Mitglied
Hallo Walfisch,

wieder ein Eintrag, der zu genau 100% das Thema verfehlt und mit Textarbeit nix zu tun hat. Hinweis 1: Ich kenne Ringelnatz, da selbst ein Fan von ihm. Hinweis 2: Übrigens schreibt man ohne "n".

Wobei: Walfische schreiben sowieso alles mit "n". Weiln sien kein Plan habn.

Gruß W.
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Walther,

nicht allen ist Textarbeit erwünscht, aus welchen Gründen auch immer ... ;)

Für mich ist dies hier ein Forum zum Üben & Lernen; denn wäre ich eine hochklassige und makellose Autorin, schriebe ich für Suhrkamp. - Ich weiß, dass du darüber nicht anders denkst, wenngleich du, bezogen auf Sonette, sicherlich schon sehr fortgeschritten bist. -

Inhaltlich gebe ich dir weitgehend Recht, wenn es auch nicht immer ein ganzes Leben dauert, um einen (anderen) Menschen zu durchschauen. Zuweilen reichen ein paar Sekunden ...

Zwar betört den Klugen die Vernunft, doch auch das Bauchgefühl ist sehr verlässlich, wenn man es denn wahrnimmt.

Herzliche Grüße
Heidrun
 
B

bluefin

Gast
lieber @walther,

bluefin zählt zu jener gruppe gemeiner vertebraten, die gedichte oder texte hauptsächlich des inhalts wegen lesen, weniger wegen der form. ist der inhalt fein, stört ihn eine mangelhafte verpackung nicht besonders; ist der inhalt aber dürftig, dann scheint ihm die hülle "obsolet", wie du selbst immer so schön sagst.

wenn du wolltest, dass man nur silben zählte oder kommas anstriche, käm ich mir vor wie ein konzertbesucher, der sich nicht für das stück selbst interessierte, sondern nur darauf passte, dass sich der sologeiger in der intonation vertäte oder der hornist, wie ja so oft, kiekste.

anyway. du wirst die inhalte, die du postest, schon auch verteten müssen, zumal die deinen, wie schon mehrfach gesagt, meist recht grundsätzlich daherkommen. es amüsiert mich, wenn du ein um's andere mal rufst, ich hätt vorbeigeschossen. dabei schieß ich doch gar nicht, sondern sag, dass man mit manchen grundsätzlichkeiten schreckliches anrichtet.

walfische bremsen auch für kleinlebewesen wie bademeister, kinder oder schlüsselblümchen - man übersieht sie so gern. audetur et altera pars!

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Walther

Mitglied
bluefin,

Du solltest langsam kapiert haben, daß ich auf Deine Einträge nicht inhaltlich antworten werde. Deine Salbadereien nerven nicht nur mich.

Du scheinst Deine Rezeption der Welt mit der zu verwechseln, die dieselbe interessiert. Dem ist nicht und das ist gut so.

Die nächste Stufe meines Behandelns Deiner Einträge ist die Karl Valentin Regel, die da lautet: Den ignorier i ned emal.

Sie tritt ab sofort in Kraft.

Bester Gruß W.
 

Walther

Mitglied
Hallo Heidrun,

danke für Deine Schützenhilfe. Unser Nichtfischnichtfleisch zieht seine Bedeutung aus der Beachtung. Einfach nicht beachten, dann fällt er in sich zusammen wie ein Blasebalg.

Lieber Gruß W.
 
B

bluefin

Gast
wie oft, lieber walther, willst du mich denn noch nicht mehr beachten? sei versichert - es macht den leviathanen nichts aus, wenn man sie betrachtet; sie sind es gewöhnt.

manche bezahlen sogar mit gold, um uns blasen zu hören.

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

Honey

Mitglied
Ich kann die Überschrift nur unterschreiben und übe weiter selbst...:) gehöre da wohl eher zu den Dummen. Trotzdem gefällt mir dein Gedicht sehr gut.

liebe Grüße
Honey
 

Walther

Mitglied
Hallo Honey!

Der, der das schrieb, hat ebenfalls fast ein ganzes Leben leider dagegen verstoßen. :D

Gruß W.
 

presque_rien

Mitglied
Hey Walther,

hmm, interessant. Für mich passt die Überschrift nicht so richtig zum Inhalt, weil du dich mit der Schlusspointe doch auf die Seite der Klugheit stellst. Es könnte besser "Klugheit langweilt?" heißen.

Bei "Um sich und Andre endlich zu durchschauen" dachte ich zuerst: "Wer ist dieser Andre und warum muss ich ihn durchschauen?!?" Eine Google-Suche für "sich und andere" ergab auf der ersten Seite nur kleingeschriebene Treffer.

"pfupfert" kannte ich noch gar nicht, obwohl das, wie ich jetzt gelernt habe, dank Köhler so bekannt sein soll... (Passiert mir übrigens oft bei deinen Gedichten, dass ich Wörter nachschlagen muss - danke dafür :).)

Und meine Meinung zu unregelmäßiger Zäsur in Sonetten kennst du ja ;)...

****

Inhaltlich muss ich auf ganzer Linie widersprechen! Man kann vielleicht der Ansicht sein, andere Menschen mehr oder weniger schnell durchschauen zu können - aber sich selbst?!? Man kann "sich" und "andere" in dieser Beziehung auch gar nicht auf eine Stufe stellen, womit ich beim nächsten Kritikpunkt bin: Erfahrungen lassen sich nicht übertragen, weder real, noch in Gedanken. (Deshalb bringt es auch nichts, jemanden mit den Worten zu trösten: "Anderen geht es noch schlechter.") Man sagt das zwar gern, dass der Kluge aus fremden Fehlern lernt, aber das ist doch wirkich realitätsfern. Gerade das Nicht-Lernen aus Fehlern, weder fremden noch eigenen, ist doch eins der Erkennungsmerkmale des menschlichen Verstandes (sonst hätte sich letzterer längst zu einem reinen Instinkt entwickelt). Das weißt du natürlich auch selbst, aber warum dann das Gedicht? Für mich bleibt es leider nichts als schöne Form (bis auf die Zäsuren ;))...

Lg Julia

P.S.: Happy New Year!
P.P.S.: @bluefin - Danke für den Ringelnatz!
 

Walther

Mitglied
Klugheit langweilt


Man braucht zumeist ein ganzes Leben lang,
Um sich und andre endlich zu durchschauen.
Man hat sich schnell die Nase angehauen.
Das Wort „Enttäuschung“ hat dann guten Klang.

Man könnte früher auf Erkenntnis bauen:
Erfahrung kommt frei Haus und ohne Zwang.
Wer jung ist, handelt oft im Überschwang:
Die Dummen üben selbst. Jedoch die Schlauen,

Sie hören früh schon zu, wenn man erzählt.
Gelegentlich ist’s klug, still zuzuhören,
Auch wenn das langweilt, ärgert, pfupfert, quält.

Wer vorschnell ist, kann sich soviel zerstören:
Auch wenn der harte Kampf den Sieger stählt,
Den Klugen würde die Vernunft betören.
 

Walther

Mitglied
Hallo lb. Julia,

Du weißt, wie sehr ich Deine Meinung schätze. Daher habe ich mir etwas Zeit genommen, darauf zu antworten.

(1) Andre groß oder klein

Das mache ich immer wieder falsch, weil es aus der Systematik, der Logik, fällt. Ich habe es oben "gefixt", wie der Computerer in mir das so gerne neudeutsch nennt.

(2) (Un-)regelmäßige Zäsur

Das sollte ein reiner fünfhebiger Jambus werden, mit männlichen und weiblichen Kadenzen. Also genau nach Rezept bzw. Formvorgabe. Ich habe wirklich in der ersten Strophe falsch gezählt. Asche auf mein Haupt. :)

Hier mein Silbenbild mit der Korrektur:
Man braucht zumeist ein ganzes Leben lang,
xXxXxXxXxX
Um sich und andre endlich zu durchschauen.
xXxXxXxXxXx
Man hat sich schnell die Nase angehauen.
xXxXxXxXxXx
Das Wort „Enttäuschung“ hat dann guten Klang.
xXxXxXxXxX

Man könnte früher auf Erkenntnis bauen:
xXxXxXxXxXx
Erfahrung kommt frei Haus und ohne Zwang.
xXxXxXxXxX
Wer jung ist, handelt oft im Überschwang:
xXxXxXxXxX
Die Dummen üben selbst. Jedoch die Schlauen,
xXxXxXxXxXx

Sie hören früh schon zu, wenn man erzählt.
xXxXxXxXxX
Gelegentlich ist’s klug, still zuzuhören,
xXxXxXxXxXx
Auch wenn das langweilt, ärgert, pfupfert, quält.
xXxXxXxXxX

Wer vorschnell ist, kann sich soviel zerstören:
xXxXxXxXxXx
Auch wenn der harte Kampf den Sieger stählt,
xXxXxXxXxX
Den Klugen würde die Vernunft betören.
xXxXxXxXxXx
Die beiden Silbenpaare habe ich entfernt. Danke für diesen Hinweis. Es ist eben doch wichtig, seine Gedichte aufmerksamen Lesern "vorzuwerfen". Mancher Schnitzer wird so aufgedeckt und läßt sich häufig rasche beheben.

(3) Inhalt

In der Tat kann der Titel mit einem Fragezeichen gelesen werden, soll er auch, ehrlich gesagt. Allerdings war ich der Ansicht, man müsse sich dieses Fragezeichen sparen können, da der Text selbst selten behauptet, meistens eher nahelegt.

Das LyrIch ist selbst Leidtragender abweichenden Handelns gewesen; es weiß im Grunde, daß das Rezept des Zuhörens meist etwas für den zweiten Versuch ist. Erst macht man es selbst so, wie man sich das in seinem oft dummen Kopf dachte; wenn man nicht auf den Kopf gefallen ist, zieht man beim zweiten Versuch die Empfehlungen zurate, die einem gegeben wurden.

Dennoch ist es nicht weniger wahr, daß manches in der Rückschau vermeidbar gewesen wäre, hätte man die Hörrohre offen gehabt (und nicht auf Durchzug gestellt). Es gibt das eine oder andere, das unwiederbringlich daneben geht. Wenn man ein paar Lebensjahrzehnte hinter sich hat, weiß man das. Daher ist der Kluge auch meist selbst erst hinterher klug, und das ist eindeutig der einfachere Teil der Klugheit.

Das Sonett ist ein Lehrgedicht, das gerne zur Vermittlung unangenehmer Wahrheiten verwandt wird. Vielleicht seien wir einen Augenblick einmal so gnädig und nehmen die Aussage als das hin, was sie ist: Eine Erkenntnis, die richtig ist und dennoch wenig nützt, weil man sie wohl doch häufig selbst machen muß.

Und so gesehen paßt dann auch der Titel: Klugheit langweilt, vor allem wenn sie Altklugheit heißt. Womit ich sagen will: Man sollte dem W. mehr (Selbst-)Ironie zutrauen. Es würde nicht schaden.

Lieber Gruß W.
 



 
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