Knucklehead Teil 3

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bluesnote

Mitglied
Rufus faltete die Zeitung zusammen, nahm die frische Tasse Kaffee, lehnte sich zurück und schlug bequem die Beine übereinander. Er saß in seinem Club am Ende der Strasse. Der Präsident drehte sich nach einer halb nackten Tabledance – Queen um, die ihm ein gestohlenes Handy reichte, an dessen Ende jemand zur vereinbarten Zeit mit Informationen wartete. Er erfaßte den schlanken Arm des Mädchens und mit leichten Schwung landete sie auf seinem Schoß.
> Ist der Adler gelandet? < Ruff lauschte mit dem Gerät am Ohr.
> Ja! Auf seinem Flug hat er ein Nest geplündert. <
> Ist sein scharfes Auge blind? <
> Blind und ahnungslos! <
Edgar Rufus informierte sich über Weg und Richtung der Verfolgten. Dann legte er auf mit dem Hinweis, das er genügend seiner Leute für die Jagd entsenden würde. Später wollte er sich dann wieder melden. Zwischen den niedlichen Titten der Tänzerin hindurch sah er auf das Handy, als könne er auf dem Display die Verfolgung bildlich sehen.
Er begann zu schwitzen, aber nicht, weil die Kleine ihre festen Brüste in sein Gesicht drückte. Ihm wurde bewußt, er hatte gerade den Fehler eines blutigen Anfängers begangen.

Sie machten sich bereit für die Suche nach Tom’s Kutte. Da ihr Rastplatz nun verraten war, räumten sie ihr Campingzeug zusammen, jeder packte sein Zelt gerollt hinter dem Sattel. Mick war als erster fertig und ging noch einmal weit hinein den Wald. > He, was rennst du so weit zwischen den Bäumen, willst du einen See anlegen? < Die Männer lachten.
Als Mick zurück kehrte, waren ihre Maschinen längs gestartet. Alle waren bereit für ein neues Abenteuer.

Bonnie wußte, sie mußte auf dem sandigen Feldweg vorsichtig fahren.
Die Hija würde mit der erbeuteten Kutte bei Carmen Ehre einlegen und die Chefin damit überzeugen, das sie nun ein vollwertiges Mitglied der Töchter der Strasse war.
Die Hijas del Camino legten Wert auf Mut, aber auch auf Vorsicht. Die Regeln waren klar, eine davon war, selbst das hübscheste Gesicht unter einem Helm zu verbergen. Jegliche Schminke war verpönt, langes Haar mußte unter der Lederjacke verborgen werden. Sie trugen ihr Wappen auf der Haut, als Tätowierung auf der linken Schulter: die schwarze Lilie gepaart mit einem Schlangenkopf. Auch Bonnie war soweit, das Jahr der Prüfung war um, sie wollte endlich unter der Nadel der Zeremonienmeisterin. Nur, wenn Carmen, Lilith’s erste Tochter ihr Ok gab und der blutige Odem der Göttin auf ihrer Schulter brannte, erst dann war sie eine von ihnen.
Eine echte Hija del Camino.

Sie brauchten nicht lange zu suchen, sie wurden gefunden.
Die Männer wagten es und fuhren in die Stadt ein. Sie bewegten sich durch die Viertel, versuchten, sich zu orientieren, einen ersten Anhaltspunkt zu finden. Biker treffen sich überall wieder, jemand fuhr ihnen mit einer gut gepflegten Braker entgegen, hob die Hand und grüßte sie. Sie grüßten zurück.
> Sie zeigen keine Flagge. Man erkennt sie nicht ohne weiteres <, sagte ihnen Mick. Sie achteten auf Chopper und kamen dabei an das Ende einer Strasse. Weit hinter ihnen am anderen Ende tauchten in ihren Rückspiegeln plötzlich Motorräder auf. Die Fremden standen dort, beobachteten sie nur.
> Wir fahren um den Häuserblock und versuchen in ihren Rücken zu kommen<, rief Will. Sie brauchten es nicht mehr zu tun, um die Biegung herum erschienen vor ihnen Maschinen.
Die Männer fuhren in eine Nebenstrasse, jetzt verfolgt von ungefähr zwanzig Maschinen. Sie bemerkten, sie wurden geleitet. Sie bogen ab, sobald vor ihnen Ledernacken auftauchten und fuhren so eine Weile die Strassen entlang, bis ihre Fahrt in einem von Häusern umschlossenen Hinterhof endete.
Sie hielten endgültig inmitten des großen Hofes auf dem Kopfsteinpflaster. Hinter ihnen kamen unter dem Torbogen eines Reihenhauses an die hundert Chopper hindurch. Die Hijas stellten sich unter dem Gedröhne ihrer Maschinen im Halbrund hinter ihnen auf. Die im Karree gebauten mehrstöckigen Häuser warfen den Widerhall der donnernden Motoren immer und immer wieder zurück.
Die Männer wußten, das, was jetzt zählte, war Ruhe bewahren. Also stand ihnen jetzt nur zu, abzuwarten, was sich vor ihnen abspielen würde.
Der Hof besaß einen Umfang von Hundert mal hundert Metern, in dreißig Metern Entfernung vor ihnen standen einige verrostete eiserne Tore, an denen bunte Wäscheleinen hingen. Rechts daneben hatte man mit Paletten eine behelfsmäßige Bühne aufgebaut, belegt war sie mit einem verschlissenen Perser-Teppich. Links und rechts davon standen einige Fässer, deren unterer Rand durchlöchert war, provisorische Öfen für die kältere Jahreszeit. Alles sah aus, als wenn es schon ewig dort stehen würde, Wind blies zwischen den Häusern und über den Hof, Staub erhob sich vom Boden, fegte in kleinen Wirbeln davon.
Auf der Bühne stand ein Pult, daneben ein Fahnenmast. Aus einer Hintertür erschienen zwei Frauen in Leder, eine davon hielt ein Bündel aus dunklem Stoff. Die Frauen gingen zu dem Mast, falteten das Bündel auseinander, kurz darauf hißten sie die Flagge der Hijas.
Der Hintergrund ein tiefblaues Samt, in der Mitte des Stoffes ein Kreis aus hellem Blau, darin eine schwarze Lilie, umschlungen vom Körper einer Schlange, der scheinbar im Nichts begann.
Der Kopf des Reptils war auf die umstehenden Bandenmitglieder gerichtet, mit glühenden Augen wurden sie beobachtet.
Das Maul der Schlange war weit aufgerissen, von einem der Giftzähne rannen einige Tropfen roten Blutes.
Das Zeichen der Hijas del Camino.

In dem Augenblick, als der Wind die Flagge entfaltete, betrat das obere Ende einer steinernen Treppe, welche die oberen Wohnungen erschloß, eine hoch gewachsene Frau. Ein Raunen ging durch die Menge der umstehenden Hijas, die Präsidentin betrat die Bühne.
Hier, in ihrer Burg ließ sie ihr langes rotbraunes Haar seine Freiheit. Allen war es gestattet, hinter den Mauern ihrer Festung ihre Weiblichkeit zu zeigen. Auf die Bühne begleitet wurde sie von zwei Mitgliedern der Bande, von der eine Toms Kutte hoch empor hielt, die andere eine brennende Fackel.
Die Präsidentin trat an das Pult, im letzten ersterbenden Gedröhne der Motoren hob sie beide Hände. Bei ihrer Größe sah das erhaben aus und als Ruhe herrschte, sprach sie.
> Es sieht so aus, als hätten wir hier ein paar Pisser, die nicht lesen können! < Bei diesem Satz sah sie die Männer an.
> Also, gut. Machen wir es ihnen auf eine andere Weise deutlich, was wir von ihren Besuch halten! < Allgemeines Gelächter der Frauen ringsum, die erste Hija nahm die Fackel und kam damit Toms Kutte bedrohlich nahe.
> It’s your burnin’ Chapter <, hörte Tom eine der weiblichen Biker sagen, die mit dem Finger direkt auf ihn zeigte und ihn lächelnd dabei zuzwinkerte. Er schloß aus ihrer englischen Aussprache, das die Hijas nicht nur in dieser Gegend vertreten waren.
Tom hing an das Kleidungsstück, es bedeutete ihm ein Teil seiner Freiheit. Blitzschnell zog er zwischen Hose und Gürtel eine versteckte Beretta mittleren Kalibers hervor, > der Adler köpft die Schlange! <
Die Hijas im Halbrund hinter ihnen reagierten als erste, metallisches Knacken von Hämmer und das Ratschen von Schlitten verschiedenster Schußwaffen war zu hören. Alle Fenster der Häuser waren mit den Töchtern besetzt, Handfeuerwaffen, darunter auch etliche Gewehre, zielten auf die kleine Gruppe. Irgend eine Mutter rief, > Kind! Nicht! <
Staunten die Perros vorher schon über die Menge der eintreffenden Töchter, so wurde ihnen jetzt in vollem Umfang bewußt, wieviel größer ihr möglicher Gegner war. An vielen Fenstern standen gleich drei oder vier Hijas. Nach einem zweiten Überblick schätzten sie die Bande auf etwa vierhundert anwesende Mitglieder.
> Mach keinen Mist, Tom <, Will warnte.
Was sie jetzt brauchten, war Diplomatie, doch das brauchte Zeit.

Bevor es zu Verhandlungen kam, nahm eine andere Aktion ihren Lauf. Angestiftet von den Perros selbst, aber den Perros, welche jetzt ihre Feinde waren.
Alle waren sie im Hof und an den Fenstern versammelt. Niemand achtete auf den Eingang, die Hausunterführung, welche den hauptsächlichen Zugang in das Innere des Quadrats ermöglichte.
Einige Blendgranaten flogen auf sie zu. Beim Aufschlag wurde vorerst allen die Sicht vernebelt, dann wurde geschossen.
> Abhauen! Los, abhauen! <
Will schrie. Die Jungs um ihn begriffen sofort, das sie vorerst zu Fuß die Flucht durch die Hintertüren der Häuser antreten mußten. Würden sie versuchen, mit ihren Motorrädern durch das Portal zu fliehen, würden sie in das Feuer des Gegners hinein fahren und gleichzeitig von den Hijas hinterrücks erschossen werden; die sofort wütend auf den Eingang schossen.
Die Töchter der Strasse blieben dort stehen, wo sie standen, viele duckten sich und gingen in die Combat-Stellung, zielten und schossen mit ihren Waffen ins Blinde hinein.
Im dritten Stock eines der Häuser überrumpelten die Outlaws eine aufgebrachte Familie und besetzen einige Fenster, die eine gute Sicht auf den Hinterhof ermöglichten. Ob sie wollten oder nicht, sie hatten nun einen stillen Pakt mit den Hijas, waren Verbündete im Kampf.
Die erste Idee war die lebensrettende gewesen.
Kaum besetzten sie die Fenster, hörten sie mindestens eine automatische Schnellfeuerwaffe, eine tschechische Skorpion oder eine Uzi. > Wartet, bis der Nebel verfliegt, jeder Schuß ein Treffer! < Wieder war es Will, der den Befehl gab, der Nebel hob sich und wurde licht.
> Könnt ihr was sehen <, Tom wartete auf eine Antwort, die Hijas waren nun hinter der Bühne und in den Kellereingängen in Deckung gegangen. Alle schafften es nicht, wagten nicht mehr, ihren Standort mitten auf dem Hof zu verlassen, aus Angst, dem Gegner einen Moment zu lang den Rücken zu kehren.
> Die Schweine halten einfach die Läufe in den Eingang und schießen blind! < Tom machte die anderen darauf aufmerksam, ein glücklicher Umstand für alle, die mitten im Hof standen. Bisher lagen nur einige Verletzte am Boden, Bonnie wurde angeschossen. Sie humpelte und versuchte, irgendeine Deckung zu erreichen.
Tom sah es. Er konnte sich nicht darüber freuen, die Diebin so getroffen zu sehen.

> Ich muß auf den Hof! < Noch ehe jemand protestieren konnte, drehte Tom sich um und rannte die Treppen hinunter auf den Platz zu Bonnie. Er umfaßte sie mit einem Arm, zog sie zu den Häusern zurück. Dabei beobachtete er den Eingang, in dem jetzt ein Schatten erschien. Die Waffen der Hijas vor ihnen schwiegen im Moment, um sie nicht zu treffen, aber von oberhalb aus den Fenstern hörten sie Schüsse. Der Schatten fiel, Tom’s Leute gaben ihnen Feuerschutz. Plötzlich stürmten mehrere Leute den Eingang, sie feuerten dabei aus automatischen Waffen. Er erkannte ihren eigenen Clan – Perros.
Sie wurden nicht getroffen, da die Angreifer zu sehr damit beschäftigt waren, die Gefahr von oben möglichst klein zu halten. Tom konnte Bonnie endlich in einen der Kellergänge zerren, nebenbei bemerkte er, das seine Kutte nun endgültig brannte.
Frauen bedeuteten ihnen nicht mehr, als Sex und Vorzeigeobjekt. Die Männer tätigten alle Geschäfte unter sich, Frauen teilten ihr Leben nur insofern, das sie für Verpflegung und Sex zuständig waren, mehr nicht. Tom dachte darüber nicht anders, war er doch in dieser Gemeinschaft erwachsen geworden, die wie verschiedene Völker in verschiedenen Ländern auch ihren eigenen Kult und ihre Rituale besitzen.
Nun war es jedoch anders, Tom erkannte den von außen erzwungenen Pakt der beiden Gruppen an und somit waren die Hijas für ihn ebenbürtige Kämpferinnen und Eidgenossen.
Von unten vom Kellereingang her sahen sie den letzten sich verflüchtenden Nebel, dafür lag jetzt der Rauch der heißen Waffenläufe über ihnen und die Luft war geschwängert von dem stickigen Geruch öliger Magneten. > Ich muß nachladen <, sagte Bonnie zu Tom.
> Du brauchst einen Arzt <, erwiderte Tom. Eine Kugel hatte ihre linke Wade durchbohrt, ein glatter Durchschuß.
> Tut mir leid, das mit deiner Kutte. <
Tom zuckte mit den Achseln, > ist halt Kult! Nicht mehr zu ändern, ist aber jetzt auch nebensächlich. Zunächst müssen wir hier rauskommen. < Weiter kam ihre Unterhaltung nicht, Tom half mit, eine blutende, vor Schmerz schreiende Hija festzuhalten.
Die Angreifer schafften es jetzt auch, trotz der Masse der Hijas den Hof zu stürmen.
Die Verteidiger griffen daher nun zu einer anderen List, sie gingen durch die Flure der Häuser und versuchten den Feind von außen anzugreifen. Im Keller nahmen sie bereit gestellte Molotow-Cocktails mit. Oben schaffte es Will, seine Chief Special gegen ein Repetiergewehr von einer der Hijas zu tauschen. Er zog den Bügel nach unten, eine leere Hülse fiel aus, dann wieder nach oben. Anlegen, Schießen, Laden, Anlegen, Schießen, Laden, Anlegen, Schießen, Laden. Bei jedem Schuß fiel auf dem Hof ein Mann.

Abgelegen vom Portal zum Hof standen die Maschinen des Gegners. Die Wache war schnell überwältigt, brennende Sprit-Cocktails landeten in den Haufen geparkter Bikes und steckten die meisten davon in Brand.
Mit den schwarzen Rauchwolken kam eine überwältigende Wut über die Töchter der Strasse. Die Stecher der Waffen hämmerten im Akkord, Kugel um Kugel verließ die Läufe. Im tödlichen Hagel dieses Straßenkampfes mußte der Gegner aufgeben und die Flucht zu Fuß antreten, wer noch fliehen konnte. Die restlichen Cocktails flogen ihnen hinterher, einige liefen noch ein Stück weit als lebende Fackel, bevor sie sich auf den Boden wälzten und verzweifelt versuchten, die Flammen zu ersticken. Doch die Flammen waren seit der ersten Kugel entfacht und brennendes Benzin ist eine furchtbare Waffe. Aus der Ferne ertönten erste Sirenen.
In diesem Reigen aus Alarmsirenen, schreienden Menschen, Pulverdampf und dem Geruch nach blutigen Eisen dröhnte aus dem Portal heraus der Sound von überdrehten Motoren. Will’s Gang nutzte die letzte Gelegenheit, um auf ihren Choppern zu fliehen. Tom hatte den Anschluß gefunden, aus der Menge von kämpfenden, zwischen Verletzten und Toten hindurch mußten sie abhauen.
Den brennenden, schmorenden Asphalt unter die Räder nehmen. Wieder hatten sie der Allgemeinheit einen Grund gegeben, sie zu hassen.

Er fand, er war ein Idiot. Ruff konnte seinen Informanten nicht erreichen, das gestohlene Handy hatte die Nummer des Spähers nicht gespeichert. Er versuchte es noch mal, drückte auf Menüauswahl, während er mit der linken Hand die schwere Limousine steuerte. Nichts! Leer.
Dem Informant wurde die Nummer des Gerätes mitgeteilt, als er vom Club aus startete. Doch niemand dachte an die Funktion, Telefonnummern bei Bedarf nicht anzeigen zu lassen. Und es gab keine Notiz über die Nummer des Spähers. Niemand merkt sich heutzutage mehr eine Telefonnummer, Speicher und Notizfunktionen haben das menschliche Gedächtnis ersetzt.
Scheiße, Ruff’s einziger Gedanke im Moment.
Er konnte auch seinen Fahrer nicht erreichen, also fuhr er selbst.
Er war auf die Schnelle abgereist. Ruff fragte sich, wann war er das letzte Mal Motorrad gefahren?
Egal, der starke, schnelle Wagen würde ihn rechtzeitig hinbringen. Sie waren auf Landstrassen gefahren, um Fluchtmöglichkeiten nutzen zu können, er und seine Jäger nahmen Autobahnen.
Rufus fühlte sich allein, sein einziger Trost; neben ihm auf dem Sitz lag ein stählerner Buchhalter aus Chicago. Ruff würde die Sache selbst in die Hand nehmen.
Es war zudem ein Fehler gewesen, die Flüchtenden so lange am Leben zu lassen. Rufus konnte sich nicht mehr auf diese Männer verlassen. Er fragte sich, wann würden sie singen, sollten die Bullen sie zuerst fassen
In dieser Situation versuchte er ein letztes Mal seinen Chauffeur ans Handy zu bekommen. Er nahm sich vor, wenn er ihn zu Gesicht bekam, würde er mit einer Kugel dafür sorgen, das er auf dem anderen Bein auch noch hinkte.
 



 
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