Knut säuft

amarno

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\"Wegen Betriebsausflug geschlossen.\"
Dumm aus der Wäsche schauend, stand ich vor der Eingangstür des bayerischen Innenmisteriums.
Den Herrn Minister hätte ich interviewen sollen.
Zum Alkoholproblem der Jugend. Und was er dagegen zu tun gedenke.
Ich hatte so einige Fragen parat. Ob es in der Starkbierzeit in Zukuft nur noch Lightbier gäbe
und ob das Oktoberfest ohne Bierzelte auskommen müsse.
Das hätte ich ihn gefragt, den Herrn Minister. Aber jetzt.
Ich wollte schon gehen, da sah ich hinter einem Fenster eine Bewegung.
Aha, es war doch jemand da. Vielleicht hätte der mir was sagen können.
Ich ging zum Eingang zurück und drückte zaghaft den Klingelknopf.
Nach einer Weile hörte ich, wie sich drinnen jemand näherte.
Die Tür ging auf und ein Männlein in Pförtneruniform stand im Türrahmen.
\"Mir ham zua\" teilte er mir mit.
\"Ja, äh, entschuldigen sie vielmals, aber ich hatte einen Termin mit dem Herrn Minister.\"
\"Der is net do und mir ham zua\" erfuhr ich weiter.
\"Das hab ich schon verstanden, aber wo ist er denn?\"
\"z´Berlin sans gfohn.\"
\"Wie bitte?\"
\"Nach Berlin sans gefahren. Alle. Hams me?\" erklärte das Männlein mit Nachdruck.
\"Hmm, dann hatte der Herr Minister dort wohl einen wichtigen Termin?\" wollte ich wissen.
\"Ahh, Schmarrn. Zum Kurt sans hie.\"
\"Zu welchem Kurt denn?\" War da etwas im Zeitgeschehen, das mir entgangen war?
\"No, zu dem Bärn hoid. Dem im Tierpark.\"
\"Ach so, den Knut meinen sie.\"
\"Kurt oda, wos hams gsogt?\" \"Knut.\" \"Ja, Knuad, is doch eh Wurscht.\"
\"Der Herr Minister ist also mit Begleitung in Berlin, um den Zoo zu besuchen?\"
\"Mei Red! I muass iatz wida nei.\" teilte mir das Männlein mit und wollte die Türe schliessen.
\"Bitte warten sie noch einen Moment. Können Sie mir nichts näheres sagen?\"
\"Derf i net. Wiedaschaun!\"
Rums. Die Tür war zu.
Und ich war nicht viel klüger als zuvor.
Warum fährt ein bayrischer Minister nach Berlin um dort einen Bären zu sehen?
Das war mehr als rätselhaft.
Während ich noch in Gedanken die wildesten Spekulationen anstellte, öffnete sich die Tür wieder.
Das Männlein war wieder da, sich mit dem Ärmel Bierschaum vom Mund wischend.
\"Sans ma net bäs, i hob blos an Durscht ghabt.\"
In der Tat hatte er jetzt etwas entspanntere Gesichtszüge.
\"Wos woins denn übahaupt wissn?\"
\"Eigentlich wollte ich den Herrn Minister zum Alkoholproblem befragen und ...\"
\"Der hod doch koa Alkolbroblem, nie nicht gehabt.\"
\"Ich meine auch nicht den Herrn Minister, sondern die Jugend.\"
\"Ah, de. Is jo koa Wunda. Soins awadn geh, dann fageds eana scho.
Stinkfei, oba an Tschimbim saufa.\"
\"Naja, so pauschal würde ich das nicht ...\"
Das Männlein war jetzt in Fahrt und unterbrach mich.
\"Geh, schaun ses doch a. De meistn vo da boarischen Jugend, des san eh Auslända.
Und de andan de san von drennt, von da De De Err.
Wei de unsan, de datn do sowos go net saufa. Des ausländische Zeigs, des.\"
Das Gesicht meines Gesprächspartners hatte eine leichte Zornesröte angenommen.
Hier schien eine bayrische Seele ihren Dampf ablassen zu wollen. Nun denn.
Bevor ich wusste was los war, hatte er aus der Jackeninnentasche eine Flasche Bier
hervorgezaubert und setzte zum Trinken an.
\"Prost! \"Ja, wohl bekomms.\"
Er holte einen tiefen Schluck, setzte ab und wieder musste der Ärmel als Serviettenersatz
herhalten.
\"Des duat guat.\"
\"Könnten Sie bitte fortfahren?\"
\"Wo warmann? Ja, genau. Und weil de unsan des net saufan, ham mia a koa Broblem.
Und deswegn brauchan Sie a net den Herrn Minister interwiefen.
Wei mia ebn koa Broblem ham. Und dorum san de in Berlin.\"
\"Aber was hat denn Berlin mit dem Alkoholproblem zu tun. Gibt es etwa da ein Problem?
\"Nein, noch nicht!\" Der Mann konnte plötzlich Hochdeutsch. Etwas Wichtiges schien er mir mitteilen zu wollen.
\"Aber der Bär, wissen Sie, der Bär, der könnte zum Problem werden.\"
Mit einem Rückfall in die ihm angeborene Ausdrucksweise fuhr er fort.
\"Stellns eana vohr, der bricht aus und wandert zu uns owa.\"
\"Das ist doch absurd! Auch im Falle, dass das Tier wirklich ausbrechen könnte, warum sollte er
ausgerechnet nach Bayern ...\"
\"Weil de vo do ohm ollawei runta keman, weis in de Beag wojn. Und wei mia so fui Naddua hom.
Und dann hamma wieda des Gschies.
\"Das was?\" \"Des Gschies\" \"Achso, den Ärger. Warum denn?\"
\"Jo, wia mit dem Bruno hoid. Wochenlang san mia ned zur Ruah kema, weng dem Dreggsfiech.
Da Herr Minister hod se solche Sorgen g`macht.\"
\"Wegen der Gefahr für die Bevölkerung?\"
Na, wos glaubn denn Sie. Oba, do warn no andere do, de woitn den Bern a schiassn.\"
\"Soll das heissen, dass ... ?\"
\"Ojso I hob nix gsagt, gej. Aba unsere Leit ham des Broblem faninftig gregelt.
An sauban Schnupfn hams ghobt, weis am Spitzingsee so koid war in da Nocht.\"
Er konnte sich ein schadhaftes Kichern nicht verkneifen.
\"Und iatz muss ma hoit scho vorher schaun, das des do drom net a wieda a Broblembär wird.\"
\"Und wenn doch?\"
\"Dann, ja dann\" Er überlegte. \"Dann muas i hoid de Büchsn wieda herrichdn.
Dangsche dass me dran erinnert ham. Und bitte, schreims nix wegn dem Bia. Pfüagod\"
Mit diesen Worten zog er sich ins Innere des Gebäudes zurück und verschloss die Tür.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
zu

erst einmal herzlich willkommen auf der lupe. eine hinreißende geschichte hast du geschrieben. schön, hier auch mal was bayerisches zu lesen. herziges kerlchen, der pförtner! bitte mehr davon.
lg
 



 
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