anbas
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König von Hamburg
Als ich eines schönen Morgens aufwachte, spürte ich, dass sich über Nacht in meinem Leben etwas Gravierendes verändert hatte. Ein wenig benommen räkelte ich mich in meinem Bett zurecht, um noch ein wenig weiter zu dösen - so, als wollte ich gar nicht wahrhaben, was ich da gespürt hatte. Dann wurde mir aber schlagartig bewusst, was mit mir geschehen war. Ich fuhr hoch und saß kerzengerade, schwer atmend in meinem Bett. Es war geschehen. Einfach so. Über Nacht. Ohne mein Dazutun. Es war tatsächlich geschehen und ich hatte es immer gewusst, dass es einmal so kommen würde. Ich spürte es im ganzen Körper. Ich war mir ganz sicher, dass der Tag aller Tage jetzt gekommen war. Langsam sackte ich wieder zurück.
„Ohhh Scheiiiße, ich bin jetzt König von Hamburg!“
Mir war nämlich durchaus klar, welche Konsequenzen diese Entwicklung ab sofort für mich haben würde:
König von Hamburg zu sein, das hieß zum Beispiel, nicht mehr einfach mal so quer durch die Stadt bummeln zu können. Eine Heerschar von Leibwächtern, Beratern, Journalisten und Wichtigtuern würde ab sofort die ganze Zeit um mich herumschwirren. Alles, was ich tun, wohin ich schauen oder mit wem ich reden würde, war von nun an von großer Bedeutung. Jede Bewegung, jedes Wort und jede Mimik musste ich ab sofort genauestens kontrollieren, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich musste außerdem penibel auf mein Äußeres achten, und wahrscheinlich war ich in Zukunft dazu gezwungen, fast nur noch in Anzügen und Krawatten herumzulaufen.
König von Hamburg zu sein, das hieß, dass ich nicht einmal mehr unbeobachtet in der Nase popeln konnte, ohne dass es jemand mitbekam. Im Gegenteil - die ganze Stadt würde es spätestens am folgenden Tage wissen. 'Der König von Hamburg popelt in der Nase' wäre die Top-Schlagzeile des nächsten Morgens gewesen - Fotos der königlichen Nase im Großformat natürlich inklusive.
König von Hamburg zu sein, das hieß, dass es bald Hunderte von Leuten geben würde, die alle behaupteten, sie seien schon immer meine Freunde gewesen. Meine alten Freunde würden sich womöglich wegen des ganzen Rummels um meine Person von mir zurückziehen oder hätten gar keine Chance, an diesem Heer von Leibwächtern, Beratern und Wichtigtuern vorbeizukommen. Wahrscheinlich hätte ich auch gar keine Zeit mehr für sie. Mein neuer Freundes- und Bekanntenkreis bestand ja von nun an aus Personen wie den Königen von Berlin, Bremen und Hannover, dem Fürsten von Lübeck und den Grafen von Lüneburg und Kiel, sowie einer Reihe weiterer erlauchter Herrschaften aus adligen Kreisen. - Die süße Aufsicht aus meiner Stamm-Billardhalle konnte ich mir unter diesen Umständen natürlich gleich wieder abschminken - als König von Hamburg musste ich eine standesgemäße Beziehung eingehen.
König von Hamburg zu sein, das hieß außerdem, dass ich meine kleine Zweizimmerwohnung aufgeben und irgendwo anders hinziehen musste. - Dabei brauchte ich doch immer so lange, um mich an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Außerdem hasste ich Umzüge, Veränderungen und so etwas - Sternzeichen 'Stier', sagt ja eigentlich schon alles. Und wo sollte ich denn überhaupt hinziehen? Ins Rathaus wollte ich nicht - das wäre mir einfach zu riesig. Von mir aus konnten dort meine zukünftigen Befehlsempfänger, der Bürgermeister mit seinen Senatorinnen und Senatoren, so eine Art parlamentarische WG gründen. Nein, meine Residenz sollte zum einen deutlich kleiner als das Rathaus sein und sich zum anderen in einem Stadtteil von Hamburg befinden, der sich am besten dazu eignete, die Weltoffenheit und Toleranz dieser Stadt zu repräsentieren - also irgendwo in Altona, Ottensen, dem Schanzenviertel, St. Pauli oder St. Georg. Doch dann konnte ich eigentlich auch gleich hier auf dem Dulsberg wohnen bleiben.
Aber egal, ich war nun König von Hamburg und hatte sicherlich irgendwo so einen Hansel, der dafür zuständig war, sich genau um diese und andere Probleme zu kümmern. Mir wurde plötzlich klar, dass ich außerdem jetzt Leute hatte, die für mich kochen, waschen und die Einkäufe erledigen würden. Ich hatte einen Chauffeur, mehrere Autos, und Privatresidenzen überall auf der Welt. Meine Schuhe wären ab sofort immer ordentlich geputzt, meine Ernährung gesünder und meine Hemden wieder gebügelt. Hey, ich brauchte auch endlich keine Fenster mehr zu putzen!
Andererseits hieß das aber auch, dass sich ab sofort bei mir zu Hause ständig irgendwelche fremden Leute aufhalten würden. - Merkwürdigerweise war an diesem Morgen noch keiner von ihnen zu sehen. - Doch ich wusste, ich konnte von nun an nicht mehr einfach mal so in der Unterhose vorm Fernseher sitzen und mir Kekse übers T-Shirt krümeln. Jeden Rülpser oder Furz würden meine Angestellten mitbekommen. Meine gesamten persönlichen Eigen- und Uneigenarten würden schon bald allen wohl vertraut sein. Bei jeder Verhandlung mit meinen Bediensteten um eine Gehaltserhöhung oder um zusätzlichen Urlaub, ja selbst bei jeder Art von Meinungsverschiedenheit würden sie mich gleich spüren lassen, wie viel sie über mich wussten. Dann bräuchten sie im Grunde nur noch kurz anzudeuten, dass es sicherlich viele Leute in der Stadt gäbe, die sich brennend für solche intimen Informationen über ihren König interessierten. - Oh mein Gott! - Ich war plötzlich erpressbar geworden!
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Ich wachte also eines schönen Morgens auf und spürte, dass ich von nun an König von Hamburg war. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich begann, mir sehr tiefgehende Gedanken zu machen. Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn, und ich fühlte mich plötzlich gar nicht mehr so wohl. Ich rief deshalb sofort meinen Leibarzt zu mir. Doch irgendwie hatte es sich noch nicht herumgesprochen, dass ich nun der König von Hamburg war. Der Mann wollte einfach nicht zu mir kommen. Aber ich war schon zu schwach, um mir irgendwelche Konsequenzen für ihn zu überlegen. Da auch mein Chauffeur nicht aufzutreiben war, schleppte ich mich mühsam in seine Praxis, wo er mich dann auch sofort krankschrieb. Schon innerhalb der ersten Stunden meines königlichen Daseins war ich ein geschwächter König geworden. Aus verschiedenen Quellen wusste ich, dass geschwächte Könige häufig einer Intrige oder gar einem Attentat zum Opfer fallen. Es bestand also die Gefahr, schon tot oder wieder abgesetzt zu sein, bevor ich überhaupt angefangen hätte richtig zu regieren.
"Ohhhh Scheiiiiße!" durchfuhr es mich, als ich so krank danieder lag, "Regieren muss ich bei all dem Stress ja auch noch!"
Ich dankte daraufhin sofort wieder ab und führe seitdem ein ruhiges Leben, das auch seine Höhen und Tiefen hat. Doch wenn ich wieder einmal alles in dieser Welt ändern und auf den Kopf stellen will und mich so unendlich machtlos fühle, fallen mir jene dramatischen Stunden ein, als ich König von Hamburg war und beinahe einem Attentat zum Opfer hätte fallen können.
Als ich eines schönen Morgens aufwachte, spürte ich, dass sich über Nacht in meinem Leben etwas Gravierendes verändert hatte. Ein wenig benommen räkelte ich mich in meinem Bett zurecht, um noch ein wenig weiter zu dösen - so, als wollte ich gar nicht wahrhaben, was ich da gespürt hatte. Dann wurde mir aber schlagartig bewusst, was mit mir geschehen war. Ich fuhr hoch und saß kerzengerade, schwer atmend in meinem Bett. Es war geschehen. Einfach so. Über Nacht. Ohne mein Dazutun. Es war tatsächlich geschehen und ich hatte es immer gewusst, dass es einmal so kommen würde. Ich spürte es im ganzen Körper. Ich war mir ganz sicher, dass der Tag aller Tage jetzt gekommen war. Langsam sackte ich wieder zurück.
„Ohhh Scheiiiße, ich bin jetzt König von Hamburg!“
Mir war nämlich durchaus klar, welche Konsequenzen diese Entwicklung ab sofort für mich haben würde:
König von Hamburg zu sein, das hieß zum Beispiel, nicht mehr einfach mal so quer durch die Stadt bummeln zu können. Eine Heerschar von Leibwächtern, Beratern, Journalisten und Wichtigtuern würde ab sofort die ganze Zeit um mich herumschwirren. Alles, was ich tun, wohin ich schauen oder mit wem ich reden würde, war von nun an von großer Bedeutung. Jede Bewegung, jedes Wort und jede Mimik musste ich ab sofort genauestens kontrollieren, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Ich musste außerdem penibel auf mein Äußeres achten, und wahrscheinlich war ich in Zukunft dazu gezwungen, fast nur noch in Anzügen und Krawatten herumzulaufen.
König von Hamburg zu sein, das hieß, dass ich nicht einmal mehr unbeobachtet in der Nase popeln konnte, ohne dass es jemand mitbekam. Im Gegenteil - die ganze Stadt würde es spätestens am folgenden Tage wissen. 'Der König von Hamburg popelt in der Nase' wäre die Top-Schlagzeile des nächsten Morgens gewesen - Fotos der königlichen Nase im Großformat natürlich inklusive.
König von Hamburg zu sein, das hieß, dass es bald Hunderte von Leuten geben würde, die alle behaupteten, sie seien schon immer meine Freunde gewesen. Meine alten Freunde würden sich womöglich wegen des ganzen Rummels um meine Person von mir zurückziehen oder hätten gar keine Chance, an diesem Heer von Leibwächtern, Beratern und Wichtigtuern vorbeizukommen. Wahrscheinlich hätte ich auch gar keine Zeit mehr für sie. Mein neuer Freundes- und Bekanntenkreis bestand ja von nun an aus Personen wie den Königen von Berlin, Bremen und Hannover, dem Fürsten von Lübeck und den Grafen von Lüneburg und Kiel, sowie einer Reihe weiterer erlauchter Herrschaften aus adligen Kreisen. - Die süße Aufsicht aus meiner Stamm-Billardhalle konnte ich mir unter diesen Umständen natürlich gleich wieder abschminken - als König von Hamburg musste ich eine standesgemäße Beziehung eingehen.
König von Hamburg zu sein, das hieß außerdem, dass ich meine kleine Zweizimmerwohnung aufgeben und irgendwo anders hinziehen musste. - Dabei brauchte ich doch immer so lange, um mich an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Außerdem hasste ich Umzüge, Veränderungen und so etwas - Sternzeichen 'Stier', sagt ja eigentlich schon alles. Und wo sollte ich denn überhaupt hinziehen? Ins Rathaus wollte ich nicht - das wäre mir einfach zu riesig. Von mir aus konnten dort meine zukünftigen Befehlsempfänger, der Bürgermeister mit seinen Senatorinnen und Senatoren, so eine Art parlamentarische WG gründen. Nein, meine Residenz sollte zum einen deutlich kleiner als das Rathaus sein und sich zum anderen in einem Stadtteil von Hamburg befinden, der sich am besten dazu eignete, die Weltoffenheit und Toleranz dieser Stadt zu repräsentieren - also irgendwo in Altona, Ottensen, dem Schanzenviertel, St. Pauli oder St. Georg. Doch dann konnte ich eigentlich auch gleich hier auf dem Dulsberg wohnen bleiben.
Aber egal, ich war nun König von Hamburg und hatte sicherlich irgendwo so einen Hansel, der dafür zuständig war, sich genau um diese und andere Probleme zu kümmern. Mir wurde plötzlich klar, dass ich außerdem jetzt Leute hatte, die für mich kochen, waschen und die Einkäufe erledigen würden. Ich hatte einen Chauffeur, mehrere Autos, und Privatresidenzen überall auf der Welt. Meine Schuhe wären ab sofort immer ordentlich geputzt, meine Ernährung gesünder und meine Hemden wieder gebügelt. Hey, ich brauchte auch endlich keine Fenster mehr zu putzen!
Andererseits hieß das aber auch, dass sich ab sofort bei mir zu Hause ständig irgendwelche fremden Leute aufhalten würden. - Merkwürdigerweise war an diesem Morgen noch keiner von ihnen zu sehen. - Doch ich wusste, ich konnte von nun an nicht mehr einfach mal so in der Unterhose vorm Fernseher sitzen und mir Kekse übers T-Shirt krümeln. Jeden Rülpser oder Furz würden meine Angestellten mitbekommen. Meine gesamten persönlichen Eigen- und Uneigenarten würden schon bald allen wohl vertraut sein. Bei jeder Verhandlung mit meinen Bediensteten um eine Gehaltserhöhung oder um zusätzlichen Urlaub, ja selbst bei jeder Art von Meinungsverschiedenheit würden sie mich gleich spüren lassen, wie viel sie über mich wussten. Dann bräuchten sie im Grunde nur noch kurz anzudeuten, dass es sicherlich viele Leute in der Stadt gäbe, die sich brennend für solche intimen Informationen über ihren König interessierten. - Oh mein Gott! - Ich war plötzlich erpressbar geworden!
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Ich wachte also eines schönen Morgens auf und spürte, dass ich von nun an König von Hamburg war. In meinem Kopf drehte sich alles, und ich begann, mir sehr tiefgehende Gedanken zu machen. Angstschweiß bildete sich auf meiner Stirn, und ich fühlte mich plötzlich gar nicht mehr so wohl. Ich rief deshalb sofort meinen Leibarzt zu mir. Doch irgendwie hatte es sich noch nicht herumgesprochen, dass ich nun der König von Hamburg war. Der Mann wollte einfach nicht zu mir kommen. Aber ich war schon zu schwach, um mir irgendwelche Konsequenzen für ihn zu überlegen. Da auch mein Chauffeur nicht aufzutreiben war, schleppte ich mich mühsam in seine Praxis, wo er mich dann auch sofort krankschrieb. Schon innerhalb der ersten Stunden meines königlichen Daseins war ich ein geschwächter König geworden. Aus verschiedenen Quellen wusste ich, dass geschwächte Könige häufig einer Intrige oder gar einem Attentat zum Opfer fallen. Es bestand also die Gefahr, schon tot oder wieder abgesetzt zu sein, bevor ich überhaupt angefangen hätte richtig zu regieren.
"Ohhhh Scheiiiiße!" durchfuhr es mich, als ich so krank danieder lag, "Regieren muss ich bei all dem Stress ja auch noch!"
Ich dankte daraufhin sofort wieder ab und führe seitdem ein ruhiges Leben, das auch seine Höhen und Tiefen hat. Doch wenn ich wieder einmal alles in dieser Welt ändern und auf den Kopf stellen will und mich so unendlich machtlos fühle, fallen mir jene dramatischen Stunden ein, als ich König von Hamburg war und beinahe einem Attentat zum Opfer hätte fallen können.