Komplett verkekst

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Flitzi

Mitglied
Komplett verkekst
5.11.03

Draußen vor dem Fenster erstrahlten die Tannenbäume in hellstem Lichterschein und aus dem Wohnzimmer tönte fröhlich festliche Weihnachtsmusik. In der Küche dagegen war der Teufel los.
Ganz hinten aus der Ecke des Hochschrankes tönte ein wutzänkerischer Wortwechsel aus dem Inneren eines Backbuches. Anstatt sich friedlich singend auf die Adventszeit und den Heiligen Abend einzustimmen, stritten die verschiedenen Weihnachtskeks-Backrezepte darum, wer von ihnen die schönste Sorte sei.
„Keiner von euch knuspert so köstlich wie wir!“, kommentierten die Spekulatien den Streit.
Darüber lachten die Vanillekipferl nur hämisch und erwiderten:
„Pah! Mit uns kann es doch keiner aufnehmen!“
„Mit euch krummen, flachen Bananenformkeksen?“, witzelten die Kokosmakronen, „Schaut uns nur an, wie unsere schönen Spitzen hoch in den Himmel sprießen. So sieht ein wahrer Weihnachtskeks aus“.
Und auch all die anderen Weihnachtsgebäcke hielten sich für die einzig wahre Leckerei. Die Zimtsterne meinten, dass sie die schönste Form hätten, die Lebkuchenherzen, dass sie den Kindern am meisten Freude bereiten würden, der Christstollen, dass er sowieso der größte und das Spritzgebäck, dass es bei weitem das abwechslungsreichste sei. Ununterbrochen plapperten und stritten, zankten und diskutierten sie, bis es mit einem Male taghell in der Küche wurde, obwohl es schon spät am Abend war. Heimlich schlich sich Opa Schulte in die Küche und schloss die Schiebetür geräuschlos hinter sich. Er murmelte etwas wie: „Na, da wird sie aber Augen machen“ und zog mit ausgestrecktem Arm das dicke Weihnachtsbackbuch aus der Hochschrankecke. Er blätterte in den Seiten des Backbuches herum, holte Eier, Butter und Milch aus dem Kühlschrank, Mehl und Zucker aus der Kammer, rührte in verschiedenen Töpfen mit dem Mixer umher, formte und knetete und schob alles in den Ofen.
Kurze Zeit später waren seine Werke fertig und er holte sie zum Abkühlen wieder heraus.
Die gebackenen Kekse guckten sich verwundert an, betrachteten sich und die anderen genau und mussten dann heftig grinsen. So etwas hatten sie ja noch nie gesehen, aber irgendwie war es auch lustig. Und nicht nur das. Dadurch, dass Opa Schulte nicht so ganz genau in das Backbuch geblickt und einiges verwechselt hatte, gab es auch keinen Grund mehr zum Streiten. Gemeinsam reihten sie sich aneinander auf einen festlich geschmückten Weihnachtsteller und warteten darauf, was Oma Schulte zu ihnen sagen würde.
Und als diese dem köstlichen Duft von frischem Gebäck in die Küche folgte, staunte sie nicht schlecht:
„Welch eine Überraschung!“, rief sie erfreut und guckte sich die Kekse genauer an. Sie probierte hier und da ein Stück und lächelte. Dann sagte sie:
„Solch ein Weihnachtsgebäck habe ich ja noch nie gesehen. Das sind ja Zimtkuchenkipferl und Spekunilleherzen. Und da sind Spritzsternstollen, Chistlatiussterne, Kokoskuchengebäck und Makronenspritzstipferl!“
Oma grinste, weil ihr Opas neue Kekssorten so gut schmeckten und Opa grinste, weil er so toll gebacken hatte. Aber am meisten grinsten die Kekse, weil sie durcheinander gewürfelt zu ganz neuen Sorten geworden waren und zusammen viel besser schmeckten und aussahen, als jede einzelne Sorte zuvor alleine. Sie freuten sich, keinen Grund mehr zum Streiten zu haben und stattdessen ein einmaliges, lecker duftendes Weihnachtskekse-Knusperteam zu sein.
 

hera

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Flitzi,

mir gefällt deine kleine Geschichte ausgesprochen gut. Das ist doch mal was anderes, und dazu noch phantasievoll und lustig. Es macht Kindern auch wirklich Spaß, mal etwas auszuprobieren und sich nicht immer nur in fest gefahrenen Schienen zu bewegen. Sehr kreativ!

Viele Grüße, hera
 

Flitzi

Mitglied
Vielen Dank für Dein Lob! Und nun werde ich mal versuchen ein paar leckere Spekunilleherzen zu backen! :)

Gruss

Sabine
 



 
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