Koriander

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flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Koriander

„Oh, Mutti, es riecht ja so gut bei dir! Was hast du dir denn Feines aufgewärmt? Du sagtest doch, dass du nichts mehr kochst, seit du im Seniorenclub essen gehst“.
„Ja, det schdimmt. Ick koch mir nich mehr, ick jeh essen. Aba jestern ha ick ma ne Ausnahme jemacht“.
„Aha, also nach dem Geruch zu urteilen, hast du das tolle Gulasch geschmort, mit dem du uns früher immer verwöhntest“.
„Nee, det sin nur die Jewürze, die hier de Luft schwängern“.
„Nun mach es doch nicht so spannend, sag endlich, was es bei dir zu Mittag gab“.
„Zu Mittach? Nee, det is die nächstn Daare mein Kompott!“
„Wie jetzt? Kompott?“
„Klar, Rote Bete“.
„Ach, du nimmst mich auf n Arm! So ein Glas Rote Bete muss man doch nicht kochen, das isst man doch einfach so. Sag bloß, du hast das vergessen!“
„Also, so alt bin ick ja nu wirklich nich, det ick vajesse, wie man Rote Bete aus m Jlas isst. Nee, die ha ick ma selba jekocht“.
„Woher hattest du die denn? Hier ist doch weit und breit kein Bio-Laden?“
„Die sin bei mir uff n Hof jewaksn. Mitten mang die Bluhm hat ne Nachbarin welche jeflanzt un da ha ick jesaacht, wenn die wat wern, denn will ick eene abhaben un da hat se mir denn soja zwee jejeben. Un det Rezept jleich dazu, aba da kam ick in t Jrübeln, du!“
„Ja? Warum?“
„Na, erstens hatte ick dir doch damals meine janzn Jewürze jejeben, weil ick se nich mehr brauchte un se ooch nich schimmeln solltn. Un zweetens – weeßt du, wie frischer Koriander aussieht un wo man welchen kricht? Nee, wa? Na un ick schon lange nich. Soja die Köchin im Club wusste det nich. Da ha ick denn die Nachbarin jefraacht, ob se mir det nich allet besorjen kann. Au weia, hat die jeschdaunt, als se hörte, det ick nich nur keen Essich un keene Zwiebeln im Haus habe, sondern ooch keen Lorbeerblatt! Denn fruch se nach n Messbecha. Da dachte ick zuerst an die aus m Seifenpulver, die schmeiß ick ja imma weg, is ja in jede Packung n neua drin. Aba se hatte n Litermaß jemeint. Det ha ick natürlich, brauch ick ja imma bei t Kuchenbackn.
Un denn hat se ma wirklich allet jebracht. Untadessn hattn die beedn Knolln schon ausjetrieben bei mir im Kühlschrank. Se hat mir mehrmals druff hinjewiesn, det die Knolln absolut unbescheedicht sein müssn, sonst bluten se aus im Kochtopp. Aba die eene hatte n Riss am Bauch un die andre hatte an zwee Schdelln Schneckenfraß. Ick ließ ma nich entmutjen, hab die Dinga jekocht, n paar kleene Einweckjleesa mit die Zwiebeln, Lorbeerblatt, Nelken, Senfkörna un Feffakörna . . .“
„Du meinst Pimong, Mama“.
„Nee, ick meine Feffakörna. Ick bin een Balina un et is mir ejal, wie die Franzosn zu ihre Jewürze saaren. Also det ha ick da allet rinjemacht un denn die kleen jeschnittnen Knollen druff un zuletzt den Essichsud drüba jekippt – da hat die Bude erst ma ne Runde nach Essich jeschdunkn – un denn ab in Kühlschrank. Willst mal kostn?“
„Gerne“.
„Ihh, das sind ja gar keine Rote Bete, die sind ja weiß!“
„Na, ick hab doch jesaacht, det die eene n Riss hatte un die andre zwee Löcha. Aba der Jeschmack is orjinal Rote Bete, soja bessa wie jekooft“.
„Und Koriander ist auch drin?“
„Nee, von dem hatte die Nachbarin ooch keene Ahnung. Die wusste nur, det er bei Michael Ende in die Unendliche Jeschichte schdeht“.
 

maerchenhexe

Mitglied
hallo flammarion,

meine Omma hat auch imma rote Beete inne Gläser gemacht, kannse ma glauben, gab nix wat besser war, abba: ohne Koriander, von son Gedöne hielt Omma man gar nix. Aber nu eine Frage zum geschriebenen Gedöne, kannet sein, dat et heißt: ick ließ ma nich...? Ansonsten wird mir komisch warm ums Herz bei deinem Text, sind aber vielleicht auch Erinnerungen an unser Omma.

lieber Gruß
maerchenhexe
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke

für den netten kommentar und das aufmerksame lesen. ja, mein compi kapiert det berlinische nich un meent, det a mir vabessan muss. is trotz korrekturlesens durchgerutscht.
es gibt mehrere rezepte zum rote bete kochen. nur eins is mit koriander, andere geben sogar meerrettich vor, was ich mir nun wieder geschmacklich gar nicht vorstellen kann.
lg
 

kellerkurz

Mitglied
Seit zwei Wochen sitzt eine kindskopfgrosse rote Beete in meinem Kühlschrank! Nun weiss ich endlich, was ich damit machen kann. Hoffentlich habe ich den berliner Dialekt richtig verstanden; wehe meinem Magen, wenn ich die Gewürze verwechsle.
Ich freue mich immer über einen Beitrag in Mundart. Manchmal brauch ich recht viel Zeit, um den Sinn der Geschichte zu ergründen. Aber das ist es ja gerade, was es so spannend macht!
lg kellerkurz
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
liebe kellerkurz,

die bete mitsamt wurzel und übrig gebliebenem blattgekröse 45 min in salzwasser kochen, das kochwasser weggießen und die bete abschrecken. 5 mittelgroße zwiebeln schälen, in scheiben schneiden und in kleine einweckgläser tun, in jedes glas einige pfefferkörner, 3 nelken, ein zerbrochenes lorbeerblatt, etliche senfkörner und - so man hat - koriander dazu. einen halben liter wasser mit einem halben liter weinessig und etwas zucker aufkochen. die bete schälen, in scheiben schneiden und in die gläser tun, den weinessigsud darübergießen, damit die gläser voll werden, kalt stellen und wie gesagt - schmeckt wie jekooft.
lg
 

kellerkurz

Mitglied
Vielen Dank für die übersetzung. So sehr daneben war ich mit meiner Interpretation also nicht.
liebe Grüsse
kellerkurz
 

Doska

Mitglied
Und

die Moral von der Geschicht`: vergessen wir die Rote - äh- Weiße Bete nicht! Wunderbar beschauliche Kurzgeschichte! Hat mir sehr gefallen.
 

Raul Reiser

Mitglied
Hi Flammarion,
ich würde das nicht als Dialog, sondern als (inneren) Monolog schreiben. Dann doppelt so gut und ein Spitzentext.
Viele Grüße
Raul
 



 
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