Krankenanstalt des Todes.

pleistoneun

Mitglied
Großer Tumult beim Einchecken. Die Wärter nehmen dir dein Gepäck ab und stellen es achtlos beiseite. Dein Einweisungsschein zeigt "K1" und du bist froh darüber, nur eine kleine Verletzung am Finger zu haben. Hätte das Sägeblatt auch andere Finger gekappt, würde da jetzt vielleicht ein "K3" oder noch mehr stehen. Dir wird ein Saal zugeteilt, du teilst ihn auch - mit 19 anderen Patienten. Schreie aus einer höheren Etage. Drei Wärter stolpern eilig über das Stiegenhaus einige Stockwerke nach oben. Ein Notfall: Im K11 hatte jemand seinen Verstand verloren und nicht wiedergefunden. Mir war nicht klar, dass für mich hier Endstation sein würde.
Die Patientenschaft der unteren K-Ebenen setzt sich aus leichten bis mittelschweren Verletzungen zusammen, die oberen Ebenen bis K20 dagegen sind für Menschen mit gröberen körperlichen Defiziten bestimmt. Je stärker der Verletzungsgrad, desto höher die Ebene.
Das S ist für Menschen, für die das K nichts mehr tun kann. Für fortgeschrittene Verletzungsstufen ab S11 ist eine Heilung unmöglich. Hier liegen ausschließlich zum Tode verurteilte. Die Todesursachen sind hier immer dieselben - der Tod durch den Kampf um die Fernbedienung.
Alle Säle schauen gleich aus: Jedes Zimmer besitzt 20 Betten für 20 Patienten, auf jeder Seite 10, systematisch geordnet, dicht nebeneinander. Oberhalb der Betten verläuft die automatische Essenszufuhr auf einer Stahlschienenkonstruktion mit Bechern, Dosen, Essgeschirr - klimpernd, unruhig. Der Mittelpunkt des Geschehens ist ein Fernseher, der für Patienten unerreichbar am Ende des Saales steht und ständig auf voller Lautstärke läuft, was chronische Schlaflosigkeit bedeutet - zermürbend, nervtötend. Menschen ohne Ohren haben hier gewonnen. Es gibt nur 1 Fernbedienung und das ist der Dreh- und Angelpunkt: Bittere Kriege um diese Fernbedienung erhöhen die Verletzungsrate und den Verletzungsgrad der Patienten. Mehrseitig Halbgelähmte und Organlose verbünden sich zu militanten Gruppen, die humpelnd und schlurfend, aber entschlossen in die Schlacht um die Fernbedienung ziehen.
Patienten höherer Stufen, vorwiegend S15 bis S20, müssen ihrer krankenhausinternen Kriegsvergangenheit oft hohe Tribute zollen. Vielen K-Patienten bleibt dann nur der Unterleib zum Leben oder nur der Unterkiefer oder vielen fehlen die Extremitäten, manchen nur der Hals, manchen der Rücken. S-Patienten hingegen bestehen - vor allem in höheren Klassen - nur noch aus einzelnen Körperteilen, einem Auge oder einer Zunge, die verwahrlost am Drahtgitter des Bettes liegt, aber noch immer verbissen (auch Zungen können sich verbeißen) um diese verflixte Fernbedienung kämpfen. Wie sie da so liegen, so gefährlich, hinterlistig die einzelnen Teile. So viel Lebenskraft, so stark noch ist der Drang nach einer besseren Zukunft.
 
S

Sansibar

Gast
Entsetzlich

Hallo Pleistoneun
In welcher schrecklichen Stadt oder Land soll denn dieses "Krankenhaus" sein? Handelt es sich in dieser Abteilung nur um Fernsehgeschädigte?- das könnte ich verstehen!
Gruß Sansibar aus Sansibar
 



 
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