Krollhofers Ende

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Haselblatt

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Seit einem halben Tag tobte in der Osthälfte Österreichs ein heftiger Sturm, und dünner Regen peitschte an die Fensterscheiben. Der Bote meldete sich diesmal telefonisch, was normalerweise gegen die Verabredung war.
»Hören Sie: Es gibt einen Sondertransport, deshalb müssen wir uns sofort treffen. Kommen Sie mit dem Taxi zur Rampe vier bei der alten Shell-Verladestation im Ölhafen Lobau. Wir fahren von hier mit meinem Auto weiter. Ich erwarte Sie in einer Stunde. Es ist sehr wichtig und duldet keinen Aufschub. Haben Sie alles verstanden?«
Krollhofer bestätigte und legte den Hörer frustriert auf die Gabel. So plötzliche und unerwartete Aktionen waren nicht sein Stil. Es war kurz vor Büroschluss, und draußen wurde es schon dunkel. Wer weiß, was die Auftraggeber da wieder ausgeheckt hatten, aber er hatte keine andere Wahl. Die ganze Sache begann ihm zunehmend über den Kopf zu wachsen. Die Probleme mit seiner Firma, mit der Behörde und Vascosys waren ernst genug und forderten seine volle Präsenz und Energie. Darüber hinaus gefiel es Vanessa seit zwei Wochen, sich ihm sexuell zu verweigern. Sie schien einen neuen Liebhaber zu haben, was ihn, Krollhofer, im Zentrum seiner männlichen Eitelkeit traf. Und jetzt sollte er auch noch seine Pflicht als Kurier für Leute wahrnehmen, die er nicht einmal aus der Nähe kannte. Ein Hundeleben. Aber es würden wieder bessere Zeiten kommen, so hoffte er jedenfalls.
Er rief ein Taxi und ließ sich zur angegebenen Adresse bringen. An der Rampe vier stand eine unbeleuchtete, dunkle Limousine. Krollhofer wartete, bis das Taxi gewendet hatte und hinter der Böschung verschwunden war, dann ging er hinüber zu dem Auto, einem Fünfhunderter Mercedes, und stieg ein.
»Guten Abend, Nick. Ich weiß Ihre Pünktlichkeit sehr zu schätzen. Sie kennen mich übrigens nicht, aber mein Name tut nichts zur Sache. Ich komme aus Holland und bin Captain der Niederländischen Luftstreitkräfte.«
Nick nahm wahr, dass die Türen der Limousine elektrisch verriegelt wurden, dann setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Da es schon ziemlich finster war, konnte er das Gesicht seines Gegenüber nur schemenhaft wahrnehmen.
»Der Anlass für die zugegeben überstürzte Aktion liegt darin begründet«, setzte der Captain fort, »dass im Zuge Ihres vorigen Transports nach Bukarest ein ernstes Problem aufgetaucht ist, über dessen Hintergründe wir uns heute unterhalten müssen.«
- »Was für ein Problem«, wollte Krollhofer wissen.
»Ich bitte Sie ein wenig um Geduld. Wir werden gleich am Ziel sein. Sie werden in Kürze die Bekanntschaft mit Leuten unserer Organisation machen, die Ihre Aussage sehr interessieren wird.«
Krollhofer schwieg. Aussage? Organisation? Das Ganze hörte sich höchst geheimnisvoll an, aber das war ja auch der Hauptbestandteil dieses Jobs. Nach fünf Minuten hielt die Limousine im Inneren einer Garage. Die elektrischen Türriegel surrten wieder leise, und jemand öffnete von Außen die Autotüren. Krollhofer und der Captain stiegen aus.
»Folgen Sie mir!«. Der Captain ging voran, gefolgt von Krollhofer, dahinter zwei Gestalten, die Nick wegen des spärlichen Lichts nicht genau erkennen konnte. Sie stiegen über eine schwach beleuchtete Treppe in einen Kellerraum, in dem sich zahllose Kisten befanden. Munitionskisten, die Krollhofer an seine Militärzeit beim Bundesheer erinnerten. Der Captain ging weiter und öffnete die Tür zu einem etwas kleineren Nebenraum, der in der Mitte von einem ungemütlichen, trüben Licht durchflossen war, das von einer Leuchtstoffröhre ausging. In der Mitte des Raums befand sich ein Gestell mit einer Bahre, wie sie auch in den Krankenhäusern zum Transport von Patienten verwendet wird. Die Luft in dem Raum war stickig, und es roch nach einem Desinfektionsmittel.
»Bitte, nehmen Sie Platz!«, sagte der Captain.
- »Wo bitte, soll ich Platz nehmen?«, fragte Krollhofer erstaunt.
»Na hier, auf dieser Bahre. Sie ist vielleicht nicht sehr bequem, aber das spielt jetzt wahrlich keine Rolle.«
Krollhofer blickte etwas verunsichert um sich, tat aber dann, wie ihm geheißen worden war und setzte sich aufrecht auf die Bahre. Der Captain blickte ihn mit kalten Augen an und sprach:
»Ich ersuche Sie, mir jetzt genau zuzuhören, denn ich pflege nicht, mich zu wiederholen. Ich erwarte von Ihnen eine präzise Auskunft über Vorgänge, auf die wir gleich zu sprechen kommen werden. Wenn Sie sich weigern, mir die Wahrheit zu sagen, werden Sie dieses Kellerloch hier nicht mehr lebend verlassen. Aber wir, und damit meine ich mich und die operative Einheit, der ich ebenso wie Sie angehöre, sind keine Unmenschen und lassen Ihnen die Wahl über die Gestaltung Ihres Abtretens: Wenn Sie sich als kooperativ erweisen, werden wir die Sache kurz und glatt machen, und Sie werden nicht das Geringste dabei spüren. Wenn Sie es aber vorziehen, hier den Helden zu spielen, dann werden wir Sie ganz langsam durch die sieben Kreise der Hölle ziehen. Denn die Leute, von denen Sie jetzt anschließend zum Interview gebeten werden, sind keine österreichischen Dorfgendarmen, sondern hoch qualifizierte Experten zur Wahrheitsfindung. Also überlegen Sie sich gut, was Sie denen zu erzählen haben.«
Dann verließ er das Zimmer, und Krollhofer hörte durch die offene Tür, wie im Nebenraum gesprochen wurde. Die Worte konnte er nicht verstehen, aber die Sprachmelodie erinnerte ihn an Mütterchen Russland. Kurz darauf betraten die beiden Männer, die ihnen zuvor in den Keller gefolgt waren, den Raum. Der eine war ein schwarzhaariger Asiate von schmächtiger Statur. Er hatte eine dunkelgraue Fliegermontur an und stellte sich mit verschränkten Armen vor Krollhofer hin. Der Zweite war ein bulliger Typ mit polierter Glatze und sah furchterregend aus. Er trat von hinten an Krollhofer heran, packte ihn bei den Schultern und drückte ihn auf die Bahre, während der Asiate ihm jeweils den rechten und linken Unterarm in Handschellen legte, die er am Geländer der Bahre verhakte. Ebenso verfuhr er anschließend mit seinen Füßen. Krollhofer konnte sich zwar auf der Bahre ein wenig hin und her bewegen, war aber ansonsten mit Händen und Füßen an das Gestell der Bahre gefesselt.
»He, was soll das?«. Krollhofer blickte die beiden verstört und erschrocken an.
»Damit du weißt, mit wem du es zu tun hast«, eröffnete der Asiate das 'Interview', »werden wir uns zunächst gegenseitig bekannt machen«. Er sprach fließend Deutsch, und sein Akzent ließ die sächsische Schule der ehemaligen DDR ein wenig heraus hören. »Ich bin Hue Nguyen Lee, und das ist Major Petrov, Ex-Genosse vom ehemaligen KGB. Aber sei unbesorgt: wir arbeiten heute beide für die Konkurrenz. Wir haben ein paar Fragen an dich und rechnen sehr mit deiner gefälligen Mitarbeit.«
Lass dich jetzt bloß nicht einschüchtern, dachte Krollhofer für sich. In dieser Situation würde es wohl das Beste sein, keine Angst zu zeigen. Die Flucht nach vorne, so zu sagen. Außerdem – er hatte nichts falsch gemacht und brauchte somit kein schlechtes Gewissen zu haben.
- »Ich kann mich zwar nicht erinnern«, erwiderte er, »dass wir als Kinder schon in der Sandkiste zusammen gespielt hätten, aber meinetwegen sagt ruhig weiter 'Du' zu mir. Ich bin übrigens der Nick.«
Im selben Augenblick sauste von hinten der von Petrovs Hand geführte Gummiknüppel auf Krollhofers Bauch, was dieser mit einem kurzen Schrei, halb des Schmerzes, halb des Entsetzens, quittierte.
»Na gut, Nick«, setzte der Asiate fort, »wie es scheint, hast du Sinn für Humor. Wenn du in der Sache, um die es geht, ernst bleibst, werden wir damit kein Problem haben. Es wäre aber keineswegs klug von dir, uns zu verarschen. Unsere Aufgabe ist es, die Wahrheit über deinen Koffer herauszufinden. Genauer gesagt: über die Aluminiumkassette, die du bei deinem letzten Besuch in Bukarest an deinen Kontaktmann übergeben hast.«
- »Was soll damit sein? Ich habe die Kassette wie vereinbart an meinen Kontaktmann übergeben. Was wollt ihr da noch wissen?«
»Tja, Nick. So leid es mir tut. Aber irgend jemand hat diese Kassette vorher unbefugt geöffnet und in den darin befindlichen Unterlagen herumgeschnüffelt. Wir sichern unsere Behältnisse immer mit einer unsichtbaren Plombe, und diese war, als dein Kontaktmann die Kassette übernommen hatte, beschädigt. Außerdem war der Briefumschlag, der das eigentliche Material im Inneren der Sendung enthielt, ebenfalls geöffnet und durch einen ähnlichen Umschlag, aber nicht aus dem selben Papier, ersetzt worden. Du brauchst nicht zu denken, unsere Leute seien Amateure. Also raus mit der Sprache: Wer hat die Kassette geöffnet, und wieso hast du das nicht verhindert?«
- »Es gab nichts zu verhindern. Ich habe diese Kassette niemals aus der Hand gegeben, an keinen Menschen. Sie lag von Montag Mittag an, nachdem sie mir von eurem Boten übergeben worden war, im Safe in meinem Büro. Und von da habe ich sie direkt in meinen Koffer verpackt, der dann als Fluggepäck bis Bukarest durchgecheckt wurde. Was hätte ich da noch tun können?«
»Das glauben wir dir aber nicht. Irgendwer hat sich am Inhalt der Kassette zu schaffen gemacht. Es ist sehr wichtig, dass du uns sagst, welche Leute das waren, damit wir uns auf deren weiteres Vorgehen einstellen können. Wenn du uns jetzt keine befriedigende Antwort gibst, müssen wir dir leider ein bisschen weh tun. Ich hoffe, du verstehst das.«
- »Wozu sollte das gut sein? Ich habe euch alles gesagt, was ich weiß. Ich bin mir nicht der geringsten Schuld bewusst, also: was wollt ihr mir schon antun?«.
Petrov lachte und streifte Krollhofer mit einem satanischen Blick aus seinen kalten blauen Augen. »Das geht viel einfacher, als du denkst. Wir werden dir jetzt ein wenig Musikunterricht geben.«
Wieder ließ er den Gummiknüppel mit gewaltiger Wucht auf Krollhofers Bauch sausen, diesmal in jene Region, wo bei einem Mann normalerweise die Genitalien montiert sind, worauf sich Krollhofer mit einem kurzen, lauten Schrei aufbäumte, soweit die Fesseln das zuließen.
Der Asiate versuchte, Nick mit seinem breiten, fernöstlichen Grinsen zu versöhnen. »Siehst du, Nick, jetzt kennst du erst einmal die Tonart, in der wir gewohnt sind, dass unsere Interviewpartner mit uns musizieren.«
Jetzt, von diesem Augenblick an, war Krollhofer der Ernst der Situation klar geworden. Mit diesen Leuten war definitiv nicht zu spaßen. Petrov trat nun vor Krollhofer und hielt ein Bügeleisen in der Hand.
»Weißt du, was das ist?«, fragte er scheinheilig.
- »Sieht aus, wie ein elektrisches Bügeleisen«, erwiderte Krollhofer trocken und teilnahmslos.
»Richtig, du bist ein kluges Köpfchen. Das ist in der Tat ein elektrisches Bügeleisen.«
Er drehte am Thermostat des Geräts. »Versuchen wir es erst mal mit 'Baumwolle'. Aber es geht auch noch etwas mehr. Die höchste Stufe heißt 'Lenin'. Nein, verzeih, jetzt habe ich mich glatt verlesen. Ich sehe schon ein wenig schlecht, und diese verdammte lateinische Schrift macht das auch nicht leichter. Hier steht natürlich 'Leinen'«. Nach kurzer Pause fragte er zynisch weiter: »Aus welchem Stoff ist eigentlich dein Hemd?«
Krollhofer trat langsam der Schweiß auf die Stirn. »Keine Ahnung, aber ich weiß nur, dass es keine hohe Temperatur verträgt«. Dabei wunderte er sich selbst über seine ironische Gelassenheit.

Der Mann, der sich Krollhofer vorher als 'Captain' bekannt gemacht hatte, nahm inzwischen im Nebenraum sein Mobiltelefon zur Hand und tippte eine Nummer ein. Der Angerufene meldete sich wenige Sekunden später. »Ja, bitte?«
»Steegmann, hier. Wir haben unseren Mann beim Interview, das jetzt gerade eben in die heiße Phase zu kommen scheint. Wie weit sollen wir gehen?«
- »Ihr müsst unbedingt herausbekommen, welche Leute sich an unserem Material zu schaffen gemacht haben. Dieser Bastard hat möglicherweise die ganze Operation versaut. Presst alles an Information aus ihm heraus, was nur irgendwie geht. Danach will ich dieses Stück Scheiße nie mehr zu Gesicht bekommen, hast du mich verstanden?«
Durch die geschlossene Tür war in diesem Augenblick ein grässliches, lang gezogenes Brüllen zu hören.
- »Was sind das für sonderbare Geräusche im Hintergrund?« wollte Tedy Groenwijk wissen.
»Ach, nichts weiter. Petrov ist gerade damit beschäftigt, deinem Schwiegersohn eine russische Opernarie beizubringen. Wir gehen davon aus, dass sein Gesangsunterricht die gewünschten Ergebnisse zum Vorschein bringen wird. Ich gebe dir nachher gleich Bescheid. Ansonsten habe ich alles verstanden, wir hören uns«. Dann trennte er die Verbindung.
Einige Zeit darauf, nachdem sich die Geräusche von vorhin einige Male wiederholt hatten, öffnete sich die Tür und beide, der Asiate und Petrov, kamen aus dem Zimmer heraus.
»Der Unterricht gestaltet sich einigermaßen zäh und schwierig. Unser Mann kennt jetzt zwar den Text der Arien, aber sein Gedächtnis scheint immer noch lückenhaft zu sein. Versuch du es einmal, vielleicht hast du mit deiner Psychologie mehr Erfolg. Wir rauchen inzwischen eine Zigarette.«
Der Captain betrat das Zimmer und schloss hinter sich die Tür.
»Also, wie ich höre, war der Musikunterricht noch nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Vielleicht möchten Sie sich bei mir Ihr Gewissen erleichtern?«
Krollhofer zitterte wie eine Klapperschlange, und sein Oberkörper war mit den verkohlten Resten von Stoff bedeckt, darunter kam das blanke, verbrannte Fleisch zum Vorschein.
»Sagen Sie mir endlich, was mit dem Koffer auf dem Weg zwischen Wien und Bukarest geschehen ist. Sagen Sie es, hören Sie? Oder ist es Ihnen lieber, wenn ich Dostojewskis Großinquisitor wieder zur Befragung beiziehe?«
Krollhofer schnappte entsetzt nach Luft. »Nein, um Gottes Willen, nein! Ich weiß es doch selber nicht, ich schwöre!«. In stockenden Absätzen presste er sodann Stück für Stück seine Erklärung hervor.
Der Koffer sei als Fluggepäck unterwegs gewesen und angeblich in Rom auf ein falsches Band geleitet worden. Jedenfalls kam er erst am nächsten Morgen in Bukarest an und wurde ihm sofort ins Hotel gebracht. Er habe nicht die geringste Ahnung, was dazwischen mit dem Gepäckstück geschehen sei.
- »Bitte, glauben Sie mir doch. Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht!«. Krollhofer schluchzte und heulte wie ein Kind.
»So, am nächsten Tag also. Und wieso erfahren wir das erst jetzt? Sie hätten doch dem Kontaktmann gleich melden können, dass da möglicherweise etwas schief gelaufen war. Warum haben Sie den Vorgang verheimlicht?«
- »In Bukarest, beim Nachforschungsschalter, ließ mich die Hostess wissen, dass so etwas in letzter Zeit häufiger vorkomme, weil am römischen Flughafen Umbauten im Gang seien. Deshalb habe ich diesem Umstand keine ernste Bedeutung beigemessen. Es kommt ja tatsächlich oft vor, dass sich ein Gepäckstück während einer Flugreise verirrt. Außerdem war in Rom das Wetter ebenso schlecht, wie in Bukarest. Wir hatten schon von Wien weg Verspätung, und dieser Umstand könnte so einen Fehler ja begünstig haben. Auch wenn ihr mich jetzt umbringt, aber mehr kann ich dazu nicht sagen, wirklich nicht!«
Der Captain betrachtete Krollhofer mit ernsten Augen. Petrovs Methodik der Wahrheitsfindung war normalerweise unfehlbar. In vergleichbaren Situationen war es bisher noch niemals vorgekommen, dass ein von ihm geführtes Interview ohne brauchbares Ergebnis geblieben wäre. Vielleicht sagte Krollhofer tatsächlich die Wahrheit. Er nahm wieder sein Telefon zur Hand und rief Tedy Groenwijk an.
»Es tut mir leid, Chef, aber wir können aus ihm nichts Brauchbares mehr heraus bekommen. Das, was er mir als Erklärung anbietet, klingt jedenfalls plausibel. Falls er die Wahrheit sagt, dann dürfte der Koffer am Flughafen in Rom aus dem Gepäcktransfer herausgeschleust und durchsucht worden sein. Die Leute, die das Ding gedreht haben, müssen jedenfalls Profis sein und sehr gute Connections haben. Ich schließe nicht aus, dass er selbst übertölpelt wurde und vom Zugriff gar nichts mitbekommen hat. Was sollen wir tun?«
- »Lasst ihn verschwinden, aber so, dass es wie ein Unfall aussieht. Petrov soll das in die Hand nehmen, er ist Spezialist für solche Dinge. Und du nimmst morgen Früh gleich den ersten Flug nach Rom und versuchst, etwas über diesen verdammten Koffer herauszubekommen. Geh in der Ankunftshalle zum Delta-Schalter und frag nach Leonardo, das ist unser Mann in Fiumicino. Der kennt dort am Flughafen die wichtigen Leute und kann dir in allen Belangen weiterhelfen. Aber sieh zu, dass es ohne große Wellen abgeht. Hast du verstanden?«
»In Ordnung, Chef, wird erledigt. Wir hören uns.«
Dann verließ er den Raum und ging hinaus auf den Vorplatz der Garage, wo die beiden anderen ihre Rauchpause hielten.
»Ihr könnt ihn fertig machen, aber auf die Sanfte. Ich glaube ihm, dass er alles gesagt hat. Sorgt nachher dafür, dass es nach einem Unfall aussieht. Der Chef sagt, Petrov wüsste, wie man das macht.«
Irgendwie ist das alles ein Scheißjob, dachte er für sich. Dann setzte er sich in seinen Mercedes, deutete dem Fahrer zu starten und fuhr davon.
Die beiden Folterknechte kehrten gemeinsam in den Raum zurück, wo Krollhofer angebunden lag. Er zitterte immer noch am ganzen Körper und stöhnte fortwährend und laut. Während der Vietnamese ihn mit emotionslosen Augen betrachtete, wurde Krollhofer blitzartig von einer Erinnerung berührt, und er wusste jetzt, von wo er dieses Gesicht kannte. Er wandte den Kopf in seine Richtung und stieß langsam ein Wort nach dem andern hervor:
- »Wir sind uns ... doch schon einmal ... in Bukarest begegnet, damals, als ... der viele Schnee lag, und mein Flug ... aus Rom verspätet war. Sie kamen aus ... Athen und saßen im Hotel Metropol beim ... Frühstück am Nebentisch, nicht wahr?«
Der Asiate grinste breit. »Du hast ein bewundernswertes physiognomisches Gedächtnis, mein Freund. Ich persönlich finde es äußerst schade, dass wir deine Dienste von nun an nicht mehr in Anspruch nehmen können. Leider werden sich unsere Wege jetzt trennen, und wir müssen uns von einander verabschieden.«
Petrov war inzwischen aus dem Dunkeln des Raums hervor getreten und hielt eine Injektionsnadel in der Hand.
- »Was soll das« schrie Krollhofer auf. »Was macht ihr da?«
»Beruhige dich, Genosse«, erwiderte Petrov mit einem zynischen Lächeln um seinen Mund. »Wir spritzen dir eine kleine Dosis Wodka ins Blut, damit du im Jenseits nicht frieren musst. Sei glücklich und zufrieden, denn du hast es hinter dich gebracht.«
Er trat von hinten an die Bahre, auf die Krollhofer gefesselt war, und Nick spürte den Einstich der Nadel im Oberarm. Der Asiate blickte ihm mit dem feierlichen Ausdruck eines Seelsorgers in die Augen und sagte mit sanfter Stimme:
»Wir wünschen dir eine gute Reise, Nick«. Daraufhin verließen beide den Raum. Krollhofer starrte resigniert an die Decke. Es war still und er vernahm das gleichmäßige Pochen des Pulsschlags im Ohr. Das Licht der Leuchtstofflampe schmerzte ihn in den Augen, und seine Brust brannte wie Feuer.
Er, Nikolaus Krollhofer, würde eine knappe Minute so da liegen, dann würde das Licht plötzlich zunehmend dunkler werden und er würde spüren, wie von seinen Beinen eine beklemmende Kälte nach oben in Richtung auf seinen Oberkörper kletterte. Es würde das letzte Gefühl von Kälte sein, dessen er in diesem Leben gewahr wurde.
 

Rainer

Mitglied
hallo haselblatt,

???

da bisher nur bewertet und nicht kommentiert wurde, möchte ich mal das schweigen brechen. ich finde deine story eher durchschnittlich, und so bewerte ich auch.


arbeiten der vietnamese (zu viele unsere-boys-bei-charly-filme gesehen?) und der russe (haut mich von der kreativität her auch nicht gerade aus den socken) zusammen (doch wieder für den kgb?), gegen die anderen?

sprachlich sind ein paar stilblüten enthalten (z.b."...wo bei einem Mann normalerweise die Genitalien montiert sind,..."), aber ansonsten ist die story spannend erzählt, auch wenn ein paar klischees enthalten sind.

wie läßt man den tod eines menschen mit teilweise verbranntem oberkörper und einem gift in den adern wie einen unfall aussehen?

fragende grüße

rainer
 
D

Daktari

Gast
aua

Hallo, Haselblatt!

Ganz schön dramatisch. Der Text ist nicht schlecht, aber er weist einige Widersprüche auf.
Es wird nicht klar, ob der Asiate und der Russe beide gegen ihre Partner arbeiten.
Wenn der Asiate dahinter steckt, hätte man dem Werk im letzten Moment eine andere Wendung geben können. Daß der Asiate UND sein Kollege gegen die Führung zusammen arbeiten, scheint doch eher unsicher. Wenn nur der Asiate ein Doppelagent oder so was wäre, könnte man zum Schluß durch den gedankenblitz den Fall lösen und damit Krollhofer vielleicht das Leben retten. Mich für meinen Teil macht der Tod von Krollhofer schon etwas betroffen. Ich mag eher Storys mit gutem Ausgang - na ja , ich Optimist und Idealist. Lol.

Wäre es denn nicht möglich gewesen, Krollhofer zuerst durch Fangfragen zu testen? Er hatte ja wohl keine Ahnung von dem brisanten Inhalt. Und wenn der Inhalt - den Krollhofer ja nicht kannte - vertauscht worden ist, hätte seine Antwort ja vielleicht gezeigt, weiß er was oder nicht. Und erst im Ja Falle Härte anwenden. Wenn sein Tod jetzt untersucht wird, wird die Kripo doch sicher vom Transport nach Bukarest erfajren, irgendwie. Und dann wird sie doch erst recht auf die Sache aufmerksam.

Von der Spannung her, ist es gut, aber wie gesagt, der Vorgang in sich - alles ein wenig unlogisch. Sorry.

Ciao Tim
 

Haselblatt

Mitglied
Werte Kollegen,

danke für eure Wortspenden, ich mach es kurz:

@Daktari:
Die "Widersprüche" beruhen darauf, dass die Geschichte für sich nicht abgeschlossen ist, sondern in einem breiteren Zusammenhang mit davor liegenden Seuqenzen zu sehen ist.
Dass ich den Nick Krollhofer sterben lasse, ist zwingende Voraussetzung dafür, wie es weitergeht. Leider - kein Happyend in Sicht, auch nicht am Ende des (Gesamt)werks.

@Rainer:
Nein, ich habe keinen einzigen "boys-bei-charly-film" gesehen, ich weiß nicht einmal, was das ist.
Detail am Rande: Die Szene ist im ggst. Setting zwar fiktiv, das beschriebene Geschehen ist aber autentisch und in Wien vor ein paar Jahren tatsächlich so passiert.

Danke für den Hinweis mit der Stilblüte, die ich ungefähr wie folgt entschärfen werde:
"Wieder ließ er den Gummiknüppel mit gewaltiger Wucht auf Krollhofers Bauch sausen, diesmal zielte er ein paar Handbreiten tiefer in Richtung Unterleib, worauf...". Ich denke, das reicht als Hinweis darauf, wie unangenehm dieser Schlag gewesen sein könnte...

Wenn ein Teil der Handlung im Ambiente der östlichen Terrorszene spielt, was wäre dann weniger oder ein besseres "Klischee", als ein Russe und der KGB? Den Kommissar Berghammer aus Tölz kann ich leider nicht einbeziehen...

"wie läßt man den tod eines menschen mit teilweise verbranntem oberkörper und einem gift in den adern wie einen unfall aussehen?"
Völlig richtig: das wird schwer möglich sein. Immerhin muss man davon ausgehen, dass die österr. Kriminalisten nicht nur mit der Intelligenz von Dorfgendarmen versehen sind. Die Sache kommt natürlich an den Tag, und das ist durchaus im Sinn der Geschichte, aber erst in späterer Folge.

Zufrieden?
 
P

Poet

Gast
So, so, die Männer sind also härter im Nehmen. Na, dann will ich beweisen, dass ich ein Mann bin, und teile jetzt dementsprechend auch aus.

Als ich den ersten Satz gelesen hab, überlegte ich, ob ich die Geschichte weiter lesen soll.
Seit einem halben Tag tobte in der Osthälfte Österreichs ein heftiger Sturm, [red] und[/red] dünner Regen peitschte an die Fensterscheiben. Was hier absolut unpassend ist, ist das Bindewort Und. Es liest sich so, als würde ein brutaler Sturm wüten und plus oder extra oder noch dazu ein dünner Regen prasseln.
Ein Beispiel: Ein großgewachsener, muskulöser Holzfäller stürmte herein, und er trug leichte Stoffturnschuhe. Verstehst du?


aber mein Name tut nichts zur Sache. Ich komme aus Holland und bin Captain ([red]Kapitän[/red]) der Niederländischen Luftstreitkräfte

Nach fünf Minuten hielt die Limousine im Inneren einer Garage. Die elektrischen Türriegel ([red]ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass es elektronische Türriegel heißen soll[/red])

Die Luft in dem Raum war stickig, und es roch nach [strike]einem[/strike] Desinfektionsmittel.

Krollhofer blickte etwas verunsichert um sich, tat aber dann, wie ihm geheißen worden war und setzte sich aufrecht ([red] logisch oder? ich meine, das Aufrechtsitzen[/red])auf die Bahre.

Wenn Sie es aber vorziehen, hier den Helden zu spielen, dann werden wir Sie ganz langsam durch die sieben Kreise der Hölleziehen. ([red]Oh, wie belesen, hier wird Dantes Göttliche Komödie zitiert. Aber es sind [red] neun [/red] und nicht sieben Kreise der Hölle. Es sei den der Kapitän hat keine Zeit und will das Verfahren ein wenig kürzen[/red])

Der eine war ein schwarzhaariger ([red]stimmt, es gibt mittlerweile blonde Asiaten aber die sind sicher gefärbt[/red]) Asiate von schmächtiger Statur.


Ich bin Hue Nguyen Lee, und das ist Major Petrov, Ex-Genosse vom ehemaligen KGB ([red]KGB gibt es nicht mehr? [/red]).

Aber irgend jemand ([red]irgendjemand[/red]) hat diese Kassette vorher unbefugt geöffnet

aber nicht aus dem selben ([red]demselben[/red]) Papier, ersetzt worden.

Region, wo bei einem Mann normalerweise die Genitalien montiert sind ([red]aber er ist kein Roboter, oder?[/red]),

Krollhofer zitterte wie eine Klapperschlange ([red]nicht die Klapperschlange zittert, sondern das Ende ihren Schwanzes, die Rassel[/red]),

Krollhofer schluchzte und heulte wie ein Kind.( [red]Wieder so ein Satz wie am Beginn der Geschichte. Besser wäre so: Krollhofer schluchzte und begann zu heulen, wie ein verängstigtes Kind[/red])


In Bukarest, beim Nachforschungsschalter, ließ mich die Hostess wissen, dass so etwas in letzter Zeit häufiger vorkomme, weil am römischen Flughafen Umbauten im Gang seien. Deshalb habe ich diesem Umstand keine ernste Bedeutung beigemessen. Es kommt ja tatsächlich oft vor, dass sich ein Gepäckstück während einer Flugreise verirrt. Außerdem war in Rom das Wetter ebenso schlecht, wie in Bukarest. Wir hatten schon von Wien weg Verspätung, und dieser Umstand könnte so einen Fehler ja begünstig haben. Auch wenn ihr mich jetzt umbringt, aber mehr kann ich dazu nicht sagen, wirklich nicht! ([red]Diese Passage wirkt unglaubwürdig. Zuerst heult er wie ein Kind und dann spricht er flüssig - wie ein Wasserfall. Du hättest hier mehr Trennzeichen einbauen soll. Der Leser sollte den Eindruck bekommen, dass Krollhofer Angst hat und seine Worte nur mühsam herausbringt[/red])

In Ordnung, Chef, wird erledigt. Wir hören uns. ([red]den letzten Satz wurde ich streichen[/red])

Irgendwie ist das alles ein Scheißjob, dachte er für sich. Dann setzte er sich in seinen Mercedes, deutete dem Fahrer zu starten und fuhr davon. ([red]Der Fahrer ist ein Profi? Gut. Er sitzt also im Auto, sein Boss kommt. Normalerweise würde er das Auto selbstständig starten und losfahren, ohne dass ihm sein Chef es befehlen braucht. Oder glaubst du, dass der Kapitän stundenlang in seinem Auto sitzt und der Fahrer mit seinem Hobby vertraut ist und möchte lieber nicht losfahren, bevor es ihm befohlen wird. Lediglich die Fahrtrichtung muss geklärt werden. [/red])

Du hast ein bewundernswertes physiognomisches Gedächtnis, ([red]puh, der Saigon- Mann ist ganz schön Wortgewandt[/red])

Petrov war inzwischen aus dem Dunkeln des Raums hervor getreten und hielt eine Injektionsnadel in der Hand. ([red]Nur eine Nadel? Was will er damit machen? Ihn zu tote stechen? Nein, du hast die Spritze vergessen[/red])

Er, Nikolaus Krollhofer, würde eine knappe Minute so da liegen, dann würde das Licht plötzlich zunehmend dunkler werden und er würde spüren, wie von seinen Beinen eine beklemmende Kälte nach oben in Richtung [blue]auf seinen Oberkörper[/blue] kletterte. ([red]Das ist kein schöner Satz. Ich musste ihn zweimal lesen, um zu verstehen, was du eigentlich sagen wolltest[/red])

Du erzählst nur eine kleine Episode aus dem Krimigenre. Ein Kerl legt sich mit der Maffia an und bezahlt sein Leichtsinn mit dem Kopf. Ein wenig Spannung konntest du aufbauen, aber da man nicht wusste, welche wichtige Unterlagen in dem Koffer waren und wozu sie dienten, ist man als Leser am Schluss irgendwie unbefriedigt.
Die Dialoge wirken unheimlich steif, vor allem die Passagen, wenn die Ganoven unter sich philosophieren.
Du bist dir beim Schreiben nicht sicher, sollen die Gespräche alltagstauglich sein oder Actionfilmmäßig.
Über deine Charaktere kann ich nicht sehr viel sagen, weil sie ein buntes Gemisch bilden und keiner von denen so richtig zum Vorschein kommt. Nicht einmal dein Protagonist.
Man fand nicht heraus, ob er ein intelligenter, dummer, charmanter oder langweiliger Typ war. Der Leser konnte sich mit keiner deinen Figuren identifizieren.
War irgendwas Brisantes in deiner Story? Nein!
Kerle, die einen mit dem Bügeleisen bearbeiten und offensichtlich zu allem fähig sind, würden höchstwahrscheinlich sein Opfer nicht durch eine simple Spritze töten. Aber das bleibt natürlich dem Autor überlassen.

Mach weiter so!
Lieben Gruß, der Poet.
 

Haselblatt

Mitglied
Profimäßig

Hallo Poet,

ob dein Statement als Männlichkeitsbeweis durchgeht, will ich ungeklärt im Raum stehen lassen. Die sachliche Behandlung des Themas ist aber - ehrlich und ohne jede Ironie - absolut beeindruckend, und weist ihren Verfasser (unisex) als Fachmann bzw. -frau aus. Genauso stelle ich mir eine hart-konstruktive Rezension vor, und ich bedanke mich. Von einigen wenigen Spitzfindigkeiten abgesehen, werde ich deine Einwände jedenfalls in die redaktionelle Endbearbeitung einbeziehen. Versprochen!
 



 
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