Kurz-Schluss

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Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

zu Deinem Gedicht habe ich sehr unterschiedliche
Gefühle:

Es kann schnell "Schluss" sein, ja. Und die Frage
ist auch: Ist das nötig?

Anderseits denke ich an die vielen Frauen und Männer
die täglich ihr Leben riskieren. Als Polizist/innen.
Für uns.

Dein Gedicht macht nachdenklich!

Dir von Herzen

Liebe Grüße;))
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sonnenkreis,

wie freue ich mich, wieder von Dir zu hören!:)
Dieser Text hat einen biografischen Hintergrund. Mein Mann ist mit 16 Jahren in Berlin als Mitglied des "Reichsarbeitsdienstes" nach vierwöchiger Ausbildung zum Soldaten fast ums Leben gekommen mit einem Beckendurchschuß und schweren Verbrennungen an Gesicht und Händen. Er war gänzlich unbewaffnet, denn Gewehr und Stahlhelm hatte er schon verloren. Zum Glück hat er den Transport ins Lazatrett bis nach Perleberg auf einem Lastwagen überlebt. Zum Glück hatte das Gebetbuch der Wehrmacht,das er in der Gesäßtasche trug, den Schuss so abgelenkt, dass die Leber nicht verletzt wurde. Das Büchlein wird bei uns nun im doppelten Sinne als kleines Heiligtum hoch gehalten.
Ich bin auf dieses Thema wieder durch Günter Grass gestoßen, der es irgendwie nötig hatte, seinen Beitritt zur Waffen-SS im Alter von 17 Jahren in seiner Biografie zu erwähnen.
Andere mussten ihre Haut hinhalten für ihr Vaterland, ob sie wollten oder nicht. Mein Mann musste schon mit 16 Jahren von zu Hause fortgehen auf ein Schiff als Marinehelfer. So war das eben damals. Und mein Schwiegervater ist noch in der letzten Woche vor Kriegsende in russische Gefangenschaft geraten, obgleich er gar nicht Soldat war. Zum Glück hat das nur 4 Monate gedauert. Aber im ersten Weltkrieg war er Soldat und ist aus Rußland zu Fuß nach Hause gekommen, sein Pferd immer hinter sich herziehend, damit es auch überlebt. Sie haben tatsächlich beide überlebt und sind bis Marienwerder im damaligen Ostpreußen gekommen.

Ich habe die letzte Zeile eigemtlich nur so nihilistisch verfasst, weil diese halben Kinder so schreckliche Sachen mitansehen mussten. Da waren aufgehängte junge Männer mit Schildern um den Hals: "Ich war zu feige mein Vaterland zu verteidigen". Ich weiß nicht, wie man so etwas überlebt. Andere mussten in Schützengräben mit anhören, wie jemand, der einen Bauchschuß erlitten hatte, die ganze Zeit außerhalb des Schützengrabens die Nacht hindurch jämmerlich schrie, und sie konnten nichts machen, weil sie sonst selbst erschossen worden wären vom Feind. Wie überlebt man so etwas? Und das weiß ich auch, dass es Soldaten gegeben hat, die absichtlich in den Kugelregen gelaufen sind, weil sie solche Dinge eben nicht länger ertragen konnten.

An all das musste ich denken, als ich von der autobiografischen Mitteilung von Günter Grass gehört hatte. Und es drängte mich, dieses biografische Thema, das den Gegensatz zum Verhalten von GG darstellt, einmal ganz kurz abzuhandeln.

Ich hoffe, es geht Dir gut.

Ganz herzlich grüße ich Dich.:)
Vera-Lena
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

Deine Zeilen machen betroffen!

Und ich stehe weiter ratlos vor einem solchen
Geschehen. Eine Lösung fällt mir dazu nicht ein.
Aber ein Lied der Gruppe BAP mit dem Titel:
Kistallnach (den letzten Buchstaben schluckt die
Mundart).

Dort singt man u.a. von der Volksseele, die da

"...hallalli und grenzenlos geil
nach Vergeltung brüllt
zitternd vor Neid......"!

Unter diesem Aspekt müssen wir immer wieder ge-
nau prüfen was denn da wirklich passiert.

Auch Hn. Grass sollten wir genau lauschen, an-
statt ihn zu steinigen. Oder?

Dir von Herzen

Liebe Grüße;))
Sonnenkreis
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Sonnenkreis,

danke für Deine Rückantwort und für den Musiktitel!

Mir liegr es ferne GG zu steinigen. Ich frage mich nur, warum er das auf einmal offenbaren musste, jetzt zu diesem Zeitpunkt. Eigentlich geht mich das nichts an, und was in ihm vorgeht, könnte ich sowieso erst wissen, nachdem ich mit ihm gesprochen habe; aber wenn jemand derartig in der Öffentlichkeit steht,wie es bei einem Schriftsteller, dessen frühes Werk in 23 Sprachen übersetzt wurde, der Fall ist, dann muss so jemand damit rechnen, dass die Leser genauer hinschauen auf das, was er da über sich persönlich preis gibt. Und natürlich macht sich jeder seinen eigenen Reim darauf. Der eine ist enttäuscht, der andere nur unangenehm berührt, ein dritter findet es mutig usw. So weit ich das mitverfolgt habe, war aber von Steinigung nicht die Rede. Alle haben seine Begabung unterstrichen und es auch nicht am nötigen Respekt fehlen lasse. Wie gesagt, so weit ich das mitverfolgt habe..... Auf jeden Fall, wenn ich ihm genau lausche, hat er früher Leuete angegriffen für eine Sache, die er nun selbst auch begangen hat, wenn auch in einem sehr frühen Alter, so dass auch ich denke, man kann ihn da nicht voll zur Verantwortung ziehen. Aber warum musste er das jetzt publik machen. Hier bin ich erstaunt. Aber er wird seine Gründe haben, und abermals: Mich geht das gar nichts an, es ist sein persönliches Süppchen, das er nun auslöffeln möchte.

Dir einen schönen Sonntag! :)
Liebe Grüße von Vera-Lena

PS: Meine persönliche Lösung für alle Gewaltkonflikte habe ich in die Legende "Vineraja und Veremono" im Forum: "Fantasy und Märchen" hineingelegt.
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

nun erschließt sich mir Dein Gedicht tiefer!

Der Junge aus Ziegenheim
manchmal holt ihn die Bombe
erst viele Jahre später ein...

Tja, manchen trifft es also sofort, andere
tragen es Jahrzehnte mit sich herum. Was
da wohl schwerer wiegt mag ich nicht speku-
lieren.

Schließe ich mit einem Zitat von dem Sänger
Stephan Sulke und seinem Lied

Hass und Krieg

"...sind die allerdümmsten Brüder die es gibt"

Und Deinem Gedicht eine 8; weil ich nicht nur
nichts zu meckern habe, sondern es wertvoll
empfinde. Nicht nur wider des Vergessen...

Alles Liebe:))
Sonnenkreis
 
S

Sandra

Gast
Hallo Vera-Lena,

deine Kommentare und Erläuterungen zum Limerick berühren mich sehr. Von deinen Erinnerungen zu hören geht mir nah, ich glaube fast, dass es dem Limerick als Gedichtform nicht möglich ist, diese Wehmut (wenn es denn das richtige Wort ist) zu transportieren. Auch, wenn es nicht zwangsläufig so sein muss, so hängt dem Limerick doch immer ein bisschen Albernheit oder Nonsens an. Erheiterndes bietet deine Geschichte nun nicht. Eher Besinnliches. Aus diesem Grund würde ich eine andere Form wählen, doch ich bin sehr froh, hier reingeklickt zu haben, um dir zuhören zu können.

LG
Sandra
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Sandra,

danke für Deine Anteilnahme und für Deine Antwort und für den Hinweis bezüglich der Form.

Es kommt immer, wie es kommt. Weißt Du, ich hatte gar nicht im Sinn, einen Limerick zu diesem Thema zu verfassen. Die Auseinandersetzungen in der Plauderecke und natürlich auch die Zeitungsnotizen, die ich zum Thema Günter Grass gelesen hatte, ließen diese ("alten"????) na jedenfalls im Unterbewusstsein ständig präsenten Sachen wieder einmal hochkochen. Ich mochte mich eigentlich nicht damit beschäftigen, aber dieser Limerick hat sich dann doch in nullkommanix hervorgeschummelt, und da er nun einmal geboren war, wollte ich ihn auch einstellen. Ich weiß, dass der Limerick für derart ernsthafte Themen nicht genutzt wird. Dann ist das hier eben zum ersten Mal geschehen.

Jedenfalls könnte ich mich sowieso nicht dazu aufraffen, dieses Thema irgendwie fundiert zu bearbeiten, was ja am besten als Prosatext möglich wäre, einfach weil es mir viel zu sehr weh tut.

Ich habe den Limerick meinem Mann vorgelesen und er hat kurz aufgelacht, weil er diese Form im Vergleich dazu, was ihm Schreckliches widerfahren ist, also wirklich nur diesen Vergleich so absurd fand, dass er darüber lachen musste. Anderenfalls hätte ich den Limerick gar nicht eingestellt.

Also ich habe mich hier sehr unkonventionell verhalten, das weiß ich wohl. Ich freue mich aber, dass Du mir das mitteilst, das ist mir viel lieber, als wenn eine solche Merkwürdigkeit einfach übergangen wird.

Dir ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
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