Kurzgeschichten/7+8

Ankurei

Mitglied
7. Promis


Seit ein paar Jahren besteht für mich Internetzugang. Zwar nicht regelmäßig, sondern nur zu Zeiten, in denen My unfair Lady Einkäufe tätigt oder Besorgungen macht. Mir wird ganz anders, wenn ich dran denke, wie oft ich haarscharf an der Grenze zum erwischt werden war, doch ist es meinem ausgezeichneten Gehör zu verdanken, sie meist schon im Treppenhaus am schleppenden Gang zu identifizieren.

Während ihrer Abwesenheit sitze ich dann am Computer und haue in affenartiger Geschwindigkeit auf die Tasten ein, um in kurzer Zeit viel zu Papier zu bringen. Inzwischen habe ich Freunde in aller Welt, korrespondiere mit Rudi aus dem Schwarzwald, der feschen Coco aus Niedersachsen, Latinlover Bubi aus España oder Louis Rockefeller aus South Dakota. Haben wir Ärmsten doch vor Jahren noch (fast) jede Ungerechtigkeit in uns reinfressen müssen, so schreiben wir uns heute alles von der geplagten Seele, was immer es auch sei. Wir rasen durch die Datenautobahn, grasen das Web nach Hilfsinstitutionen ab und informieren uns gegenseitig über jeden noch so kleinen Erfolg. Mal schreibt Lulu, sie hätte eine Möglichkeit gefunden, ihrer Mutter einzutrichtern, Gummibärchen wären für unsere Gesundheit wichtiger als Löwenzahn, mal die abgefahrene Charly, wie deren Nussknackerin auf das lädierte Waschbecken reagiert hat.

Durch meine nie endende Neugier erhielt ich eines Tages Kenntnis von einem Herrn, der ebenfalls Wahlberliner ist. „Sam“ nennt er sich. Er bewohnt eine Mehrzimmer-Voliere im Norden der Stadt und hält sich drei Damen als Futterbeschaffer, die auch nichts dagegen haben, wenn er seinem Hobby, der Schriftstellerei, frönt.

Sam hatte ich seit ein paar Jahren aus den Augen verloren, wusste gar nicht, dass er sich noch immer in der Stadt aufhält, was bei Weißhaubenkakadus seines Schlages nicht an der Tagesordnung ist. Auf einer renommierten Homepage entdeckte ich sein Konterfei, wobei ich anfangs annahm, es sei ein Steckbrief, den Kopfgeldjäger ins Netz brachten, um seiner schwarzen Seele habhaft zu werden, doch weit gefehlt. Zu lesen war, dass der Herr ein Buch geschrieben hat, mit dem Namen „Piercing für einen Kakadu“. Ha, ha, ha, das passt zu ihm, wie die Faust aufs Auge. Schon in der Untersekunda nannten wir ihn wegen seiner Leidenschaft für Bodypiercing, „Schlitzer“, doch dass er es eines Tages bis zum Bestsellerautor schafft, hätte keiner von uns geahnt.

Sofort nahm ich Kontakt zu ihm auf, verquasselte mit Sam ca. 36 Euro Telefongebühren und ließ mich von ihm darüber aufklären, was vonnöten ist, ebenfalls Schriftsteller zu werden. Ja, und hier sitze ich nun, tippe mir die Krallen blutig, aber guter Hoffnung bin ich nicht, Sams Berühmtheitsgrad jemals zu erreichen. Der Kerl erlebt halt mehr als ich. Der kommt in der Welt rum, jettet von einem Augenblick zum anderen von einer Lesung zur nächsten. In solchen Situationen ärgert es mich dann wieder maßlos, verheiratet worden zu sein. Wäre ich Junggeselle geblieben, so wie der gute Sam, müsste ich mich nicht erst mit Pyka absprechen. Na ja, dieser Zug ist für mich zwar abgefahren, ich werde meine Olle weiterhin wie eine Klette auf der Pelle haben, aber für mein künftiges Leben als Schriftsteller ist dieser Umstand wiederum gar nicht mal so übel, da ich Pyka insoweit in die Geheimnisse des Computers eingeweiht habe, als dass sie jetzt wenigstens dazu in der Lage ist, meine geistigen Ergüsse, die ich auf Bierdeckeln und Würstchenpappen notiert habe, abzutippen.


8. Versuchs mal mit Gemütlichkeit

„Los, ab, zack-zack“, „Hörst Du nicht?“. So geht’s gewohnheitsgemäß nach dem Frühstück bei uns ab. Ich betreibe Schnabeltraining und funktioniere einen lächerlichen Kleiderbügel zu Zahnstochern um, werde dabei dermaßen belästigt und aus dem Konzept gebracht, weshalb ich gar nicht dran denke, mich stören zu lassen.

Das Zauberwort heißt noch immer BITTE. „Würdest Du BITTE so freundlich sein und den Schnabel halten?“. Oder: „BITTE beiß mich heute zwischen 14.00 und 15.00 Uhr nicht in den Ringfinger“. Dieses kleine, fünfbuchstabige Wörtchen könnte eine Brücke der Verständigung zwischen zwei verhärteten Fronten bedeuten. Warum nur fällt es gewissen Leuten so unendlich schwer, den Rettungsanker zu ergreifen?

Noch gestern war ich ungewollt Zeuge, als Mom ihrer Busenfreundin Traudl am Telefon vorschwärmte, wie intelligent ich doch sei. Mir kam es vor, als wolle sie gar Eindruck schinden, zumal sie sich tatsächlich eine Ewigkeit über meine Gabe, jedes einzelne Wort sinngemäß zu verstehen, ausgelassen hat. Als wäre ihr Vortrag nur einen Tag später gegenstandslos, brüllte sie mir vorhin dermaßen die Ohren zu, dass ich davon sogar Haubensausen kriegte. Wenn ich mich recht daran entsinne, war der Anlass zu ihrem Ausbruch ein lausiges Einwegfeuerzeug mit dem Werbeaufdruck „Zum Stillen Zecher – Emmendingen“. Da mir bestens bekannt ist, dass die Chefin sich zu keinem Zeitpunkt in diesem Teil des Schwabenländles aufgehalten hat, komme ich zu dem Schluss, besagtes Feuerzeug entstammt dem niederländischen Fundus „van anderen“. Ein geklautes Feuerzeug ist für sie Grund genug, sich mit mir anzulegen.

Ich bezeichne mich selbst als Drei-Wetter-Papagei:

- ertrage des Lebens STÜRME
- habe meine SONNENseiten
- kann jetzt und sofort eine SCHAUER-Mine aufsetzen.

Bevor ich mich auf längere Debatten einlasse, die sowieso nichts bringen, lautete meine Devise schon immer „Im Zweifel für den Vogel“, womit ich bisher eigentlich ganz gut gefahren bin. Allerdings hört es sich auf dem Papier sehr einfach an, in der Praxis jedoch ist es durchaus schwierig, meine These durchzusetzen
 



 
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