Kuss für die Kindfrau

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Torquato

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Kuß für die Kindfrau! Aber dann: die Pause im Schwenk, dieses leichte Wegatmen, im Ablassen. Wie du dich halb zur Seite etwas weiter weglegtest, und dein aufgeschobener Stülpmund, ich blickte immer hin, die Wölbezunge, wie sie dir kinderleicht die Zähne näßte: da hob sich die Woge das zweite Mal. Ihr Wellenschlag wie eine Faust traf auch dich.
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Ich habe dir aus Montabaur deinen slip mitgebracht. Weiche Baumwolle, die tagelang bei mir im Handschuhkasten lag. Sinnlichkeit, sagst du, SPOTT UND BLINKEN IN DEN AUGEN, sucht sich ihr Ausdrucksmittel.
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Was bist du mit hin- und herhuschenden Blicken? Was glitzert und versteckt sich da? Bist du die Urfrau, das Erdwesen mit Kraft im Schenkel, das die Zweige zerknackt und Krach macht im Gebüsch? Nichts fürs Büro und den vom Magistrat standardisierten Schein der Straßenbeleuchtung.
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Wie öffne ich dich? Wie beruhige ich meine hin- und herfahrenden Hände?
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Man grapscht nicht einfach hinein. Tagsüber, ist da nichts geheim? Keine Extras? Kein bißchen Urwelt. Kein Gebüsch und geheimnisvolles Geknack und kein rufender Vogel im Knick, der die Felder trennt? Wann ist es die Wundertüte? Du ein Berufs-, Arbeits- und Konferenz-Mensch. Die so erfolgreiche Verhandlungsführerin. Wie du die Manager auf das Feld lenkst, wo du erntest.
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Du die Wundertüte. Man grapscht nicht einfach hinein. Erst heißt es, den Anfang zu finden. Die Reißleine, die man zieht: und dich öffnet. Wenn deine Augen beginnen, stillzustehen, ist es gut. Dein schnelles Augenspiel ist so lieb. Die Wachheit, mit der du Eindrücke triffst und das Neue dir einverleibst. Nun stehen die Augen wie zwei fest montierte Kugeln unter der Stirn, über den weichen hohen Wangen, still.
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Ich bin behutsam. Ich verstehe mich aufs Entblättern, Öffnen und Entschnüren und Nesteln. Immer heißt es, den Anfang zu finden, wo die Stichlinie beginnt am Rand. Abnäher und Leinenränder, königsgenäht in fester Punkt-an-Punkt-Folge.
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Ich höre deinen Schulmädchen-slick, dieses gemischte und immer noch nicht lupenreine kleine 's', das dir zwischen Zähnen und Zunge hängt.
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Ich öffne die Wundertüte weiter. Die Antwort. Ich bin nicht ohne Land. Auf der Schmelzstrecke weiterrutschen, bis zur Süßschwelle. Noch einmal gewälzt, bricht er durch, der schimmernde Bonbon. Dieses gefüllte Süßstück. Die Zuckerwand hat keinen Halt mehr. Sie bricht. Schwall, in die Schleuse rutschen. Das rote Fahrrad. Es klingelt. Die Ginsterschote platzt. Erbsen regnen heraus. Klassenpult klappt. Du wirfst den Arm in die Höhe. Fingerschnippen. Es klitscht und knallt. Und gerade als du im 'aus und Ende' die Beine an die Abteilwand stößt, daß es bummst und bollert, zerreißt der Schaffner die Fahrkarte mit 'ratsch!'.
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Kuß für dich, Kindfrau.
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Wilhelm Fink, http://www.litfink@aol.com
 



 
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