LICHT

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LICHT


Es war einmal ein wunderschönes, sehr, sehr altes Schloss. In diesem Schloss lebte ein reicher Graf, der für seinen Geiz und seine Kaltherzigkeit in der ganzen Umgebung bekannt war.

Eines Tages, kurz vor der Abenddämmerung, klopfte es an der Tür des Schlosses. Der Graf öffnete. Eine kleine Frau in Lumpen gekleidet stand vor ihm und sah ihn tieftraurig an.
„Bitte, lieber Graf“, sagte sie mit Tränen in den Augen, „gib mir ein Stück Brot. Meine Kinder weinen vor Hunger und ich kann ihnen nichts zu essen geben.“
Der Graf blickte zornig auf die kleine Frau hinab und rief: „Was kümmern mich deine Kinder! Scher` dich zum Teufel und lass mich in Ruhe!“
Erbost warf er die Tür zu. Tief gebeugt vor Kummer und Sorgen machte sich die kleine Frau auf den Weg und verschwand in der Abenddämmerung.

Der Graf ging in sein Zimmer. Es war dunkel und er fühlte sich plötzlich sehr einsam. Er nahm Streichhölzer zur Hand um einige Kerzen anzuzünden; ihr warmer Lichtschein sollte seine Einsamkeit vertreiben. Aber, was er auch versuchte, es gelang ihm nicht auch nur eine Kerze zu entzünden; kein einziger Docht fing Feuer. Es blieb dunkel.

Von nun an gelang es dem Grafen nie wieder eine Kerze zu entzünden und jeden Abend, jede Nacht saß er im Dunklen. Seine Einsamkeit ließ ihn sehr traurig werden, und er sehnte sich nach Licht und Menschen.

Tage später klopfte es erneut an der Tür des Schlosses. Hocherfreut lief der Graf zur Tür und öffnete. Vor ihm stand wieder die kleine, in Lumpen gekleidete Frau.
„Bitte, lieber Graf“, sagte sie, „gib mir ein Stück Brot, meine Kinder weinen vor Hunger und ich kann ihnen nichts zu essen geben.“
Der Graf lächelte, ließ die Frau ein und führte sie zu seiner prall gefüllten Speisekammer.
„Nimm dir was du willst und so viel du willst“, sagte er zu der kleinen Frau. Die Frau blickte den Grafen an. In ihren Augen sah er ein kleines Licht der Freude und Dankbarkeit aufblitzen, und dabei wurde ihm ganz warm ums Herz. Die Frau nahm nur einen Laib Brot, sah den Grafen noch einmal an, dankte ihm und verließ das Schloss.

Der Graf war wieder allein. Er dachte noch lange an die kleine Frau und an das Licht, was er in ihren Augen gesehen hatte.
Der Tag ging zu Ende und die Abenddämmerung brach an. Der Graf wurde wieder sehr traurig, denn mit der Dunkelheit zog auch wieder die Einsamkeit in sein Herz.

Doch plötzlich, er traute seinen Augen nicht, sah er, wie alle Kerzen, eine nach der anderen, zu leuchten begannen, und das ganze Schloss in ein warmes, gemütliches Licht tauchten. Der Graf war überglücklich. Von nun an freute er sich über jedes Klopfen an seiner Tür, wies niemanden ab, der seine Hilfe brauchte, und jeden Abend erstrahlte das Schloss in einem warmen, weit sichtbarem hellen Licht. ...


Jutta Rydzewski
 



 
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