La donna é mobile

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gerian

Mitglied
Das Berghotel konnte man zu Fuß über den Pfad erreichen, aber auch mit dem Wagen über die Serpentine, oder mit dem Kahn den Fluss hinunter.
Ich kam zu Fuß.
"Grüß Gott, der Herr, Sie wünschen?"
"Ein Zimmer."
"Einzel oder Doppel?"
"Einzel."
"Bleiben Sie länger?"
"Ein paar Taqe."
Die Rezeption wandte sich ihrem Monitor zu. Nach einer Weile: "Ja, da hätten wir noch... zweiter Stock, Zweiundzwanzig."
"Ruhig?"
"Nach hinten raus."
"Ich nehme es."
Auf dem Holzpult wartete das aufgeschlagene Gästebuch wie ein frisch bezogenes Bett aus Papier, welches auf die Träume neuer Namen wartete.
"Wenn Sie sich bitte hier eintragen wollen."
Mein Federhalter schlüpfte unter die weiße Decke: ´Friedrich´, zeichnete er schnörkellos.
Leise klagte ein Bandonion ´Tango-Argentino´von den Wänden. Aus der Lounge drang gedämpftes Stimmengewirr her.
Mir war, als fühlte ich ihren Blick. Ich schaute hinüber.
Sie lächelte.
Ich erwiderte.
Dann neigte sich die Brünette jenem Herrn zu, dessen obere Körperhälfte Rätsel aufgab, denn dieser war hinter einer Zeitung verborgen. Er las auch dann noch unbeirrt weiter, als sie pausenlos auf ihn einredete.
Vergebens!
´Routiniertes Ehepaar!´, dachte ich.
"Friedrich...?", zweifelte die Dame hinterm Tresen. Vor- oder Zuname?"
"Beides."
"Dann tragen Sie sich auch so ein...", weiter kam sie nicht. Das Massiv eines schwarzen Hünen hatte sich zwischen uns geschoben. "Warten Sie gefälligst...", wollte ich einwenden, doch die Empfangsdame kam mir zuvor: "Ah, Seniore Luciano Vencenci, schön Sie hier bei uns begrüßen zu dürfen..., wir freuen uns schon alle auf ihre morgige Darbietung."
´Dieser Italiener hier begehrte seinen Auftritt,´schoss es mir durch den Kopf. Triumphierend schaute er zu den Sitzgruppen in der Lounge, so, als hielte er Ausschau nach einem Abenteuer. Sichtlich genoss er es, wie die jungen Mädchen oder die alleinstehenden Frauen ihn bewunderten. Der Tenor fühlte sich wie ein zweiter Caruso.
"Lache Bajazzo...", blitzten seine Zähne, wie aufgereihte Perlen im braungebrannten Gesicht zu den Damen hin.
"Danke Verehrteste, es wird mir ein Vergnügen sein..., mein Zimmer wie immer, Vierundzwanzig, nach hinten...?"
"Aber gewiss doch, Seniore..., wie gehabt."

Ich wollte heute im Hotel bleiben, um mich von einer längeren Wanderung auszuruhen. Doch nach einer Weile hörte ich, wie der Tenor nebenan lautstark Lieder und Arien übte. Immer wieder klang sein ´lache Bajazzo´durch das stille Haus, ebenso das Lied von den ´trügerischen Weiberherzen... la donna é mobile.´
Nein, es war nicht zum Aushalten.
Meinen Traum vom ruhigen Zimmer hatte ich verloren. Entsetzt floh ich in die Berge und kam erst zurück, als die Abendglocken läuteten.
Schon bald nach dem Abendessen ging ich aufs Zimmer und fiel erschöpft ins Bett.
Wie lange ich geschlafen habe, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fuhr ich erschrocken hoch. Ich hatte ein Geräusch gehört. Es war wie ein Knall, der mir an der Schwelle zwischen Traum und Wirklichkeit wie ein Schuss vorkam. Ich guckte auf das Display meiner Uhr auf dem Nachttisch, welches gerade Mitternacht leuchtete. Angestrengt lauschte ich in die Dunkelheit hinein. Nun hörte ich Stimmen durch die Wand vom Nebenzimmer, dann gedämpftes Lachen und leise Musik. Der Knall, den ich gehört hatte, konnte demnach kein Schuss gewesen sein. Ich nahm an, er stammte von einer entkorkten Sektflasche. Die Menschen nebenan schienen zu feiern.
Ich konnte nicht mehr einschlafen, daher zog ich meinen Morgenmantel an und trat auf den Balkon. Als ich mir eine Zigarette anzündete, öffnete sich nebenan die Balkontür und eine Frau trat ins Freie. Das leichte Nachtgewand, welches sie umhüllte, war vom Licht ,das aus dem Zimmer kam, geheimnisvoll erhellt. Der Abendwind spielte in ihrem brünetten Lockenhaar. Sie schritt, nein, mir schien, sie schwebte an das Geländer, warf den Kopf in den Nacken und reckte die Arme in den Himmel, so als wollte sie die ganze Welt umarmen. Die Frau musste wohl in diesem Augenblick überaus glücklich gewesen sein. Dann wandte sie sich wieder dem Lichtschein zu, der aus dem Zimmer drang. Ich erblickte für ein paar Sekunden ihr Gesicht. Es war von innen erleuchtet. Ein magisches Feuer schien in ihren Augen zu brennen. Der Mund war leicht geöffnet, die Lippen glänzten. Sie wirkte wie verwandelt auf mich und doch hatte ich keinen Zweifel mehr, sie schon einmal, in Begleitung ihres Mannes, in der Lounge gesehen zu haben.
Jetzt hörte ich auch durch die halbgeöffnete Balkontür eine männliche Stimme. Sie klang leise und lockend. Sie gehörte dem italienischen Tenor. Die Frau lachte und trat in das Zimmer zurück. Die Jalousie rasselte hernieder. Es war stockdunkel, kein Laut war mehr zu hören.
Ich versuchte zu schlafen.
Erst am späten Morgen erwachte ich und beeilte mich, in den Frühstücksraum zu kommen. Ich wunderte mich, noch so viele Gäste hier versammelt zu sehen, von deren Tischen eine eigenartige Atmosphäre ausging, eine bedrückende Stimmung von überall her.
Jemand sagte: "Ich sah die Frau gestern Abend noch zusammen mit einem Herrn im Restaurant..., nein, nein, es war ihr Mann, so wie die vertraut miteinander..."
Ein anderer: "Der Inspektor meinte, es sei Mord..., wie schrecklich..., für den Ehemann."
Unruhig stand ich auf und machte mich auf den Weg zur Rezeption. Auf der Treppe begegnete ich zwei Männern, den einen erkannte ich gleich wieder, auch wenn er um Jahre gealtert schien. Die Beiden waren an Handschellen gefesselt.
Die Beamten sahen es als erwiesen an, den Mörder seiner Frau gefasst zu haben.
Die Rezeption bedauerte: "Seniore Luciano Vincenci musste wegen einer dringenden Familienangelegenheit vorzeitig abreisen.
Ich nahm den Pfad, die ich gekommen war.
 
P

Pikolaus

Gast
Ich habe mich auch nach mehrmaligem Lesen nicht ganz zurecht gefunden. Wer ermordet wurde, wurde mir erst beim dritten Lesen klar.
Ein paar Stellen, wo ich stolperte, also der Lesefluss unterbrochen wurde:
oder mit dem Kahn den Fluss hinunter.
Ein Berghotel auf diese Art erreichen? Kaum vorstellbar.
Die Rezeption wandte sich ihrem Monitor zu.
Stell dir mal vor, dass die Rezeption, also die Einrichtung sich dem Monitor zuwendet. Wenn, dann die Rezeptionistin.
Mein Federhalter schlüpfte unter die weiße Decke
Ich ahne, du meinst die weißen Blätter - aber der Federhalter legt sich höchstens darauf. Ich finde den Vergleich unpassend.
Mir war, als fühlte ich ihren Blick. Ich schaute hinüber.
Hier stockte ich richtig: der Prot steht noch an der Rezeption - wen schaut er an? Du schreibst 'ihren Blick' - aber die Person, auf dass sich dies beziehen kann, kann nur die Rezeptionistin sein - eine andere tauchte noch gar nicht auf. Besser wäre 'einen Blick rechts von mir' oder so.
Dann neigte sich die Brünette jenem Herrn zu
Wie oben - eine neue Person? Oder diejenige, welche ihn ihren Blick spüren ließ?
Entsetzt floh ich in die Berge und kam erst zurück, als die Abendglocken läuteten.
Schon bald nach dem Abendessen ging ich aufs Zimmer und fiel erschöpft ins Bett.
Das Fliehen in die Berge ist für mich ein langer Zeitraum - und das nach einer langen Wanderung? Das Abendessen kann nicht viel später als die Abendglocken dsein, oder? Hier ist etwas vom Zeitablauf krumm.
Ein anderer: "Der Inspektor meinte, es sei Mord..., wie schrecklich..., für den Ehemann."
Hier wird nicht eindeutig, dass die Frau ermordet worden sei, die Brünette. Es könnte ebenso der Ehemann sein.
Die Beiden waren an Handschellen gefesselt.
Wie? Zwei Männer in Handschellen? oder ein Polizist verbunden durch Handschellen mit dem Täter - wohl so herum.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Hinweisen etwas anfangen. Manchmal sind es falsche Bezüge, die den logischen Ablauf und die beteiligten Personen durcheinander bringen - im Kopf des Lesers. Dann ist der irritiert, überlegt und kommt ins Straucheln und fragt sich: ja was denn jetzt? Du solltest den Leser gezielt führen und falsche Fährten nur bewusst setzen, um die Spannung zu erhöhen und überraschende Wendungen vorzubereiten.

LG von Pikolaus
 

gerian

Mitglied
Hallo Pikolaus,

danke für deine konstruktiven Vorschläge.
Ich werde sie in der Überarbeitung berücksichtigen.
LG.
Gerian
 



 
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