Leben?

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hopeless-1

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Hallo liebes Tagebuch!

Heute ist wieder einer dieser Tage. Einer dieser Tage, an denen das Leben schön scheint, Einer dieser Tage, an denen das Leben sinnlos scheint. Einer dieser Tage, an denen die eigene Gefühlswelt verrückt spielt. Mal gut, mal schlecht. Warum ist das so?
Dabei fing alles so „normal“ an.
Ein normaler Schultag. Um 5.40 Uhr aufstehen, duschen, anziehen, schminken, losgehen.
Die Straßenbahn kam pünktlich und ich hatte das Glück einen Sitzplatz zu ergattern. Ich saß da und war in meinen Gedanken versunken, wie immer.
Ich träumte von Max, wie er lächelt, mich berührt, mich küsst. Es ist so schön bei ihm zu sein, seine Nähe und Wärme zu spüren. Ich mag ihn, ich mag ihn so schrecklich gerne.
Doch dann riss mich Sarah, die neue aus meinem Englisch Kurs, aus meinen Gedanken. Ich wusste gar nicht, dass sie auch Bahn fährt. Sie fragte mich, welche Stunden ich heute habe. Und ich antwortete ihr: „ Hab Mathe, Doppel Chemie, Russisch, Musik und Doppel Deutsch. Und was hast du?“ ich fragte sie nur aus Höflichkeit, eigentlich wollte ich zurück in meine Traumwelt. Ich wollte wieder bei Max sein. Doch das ließ Sarah nicht zu. Sie erzählte mir, was sie für Unterricht habe, wie sie die Lehrer fand und dass sie doch Ben so süß fand.
Sie hat ihn erst zwei Mal gesehen und erst einmal kurz mit ihm gesprochen. Ich finde das ja so übertrieben! – dachte ich mir nur.
Zum Glück mussten wir dann aussteigen und damit war ich sie erst einmal los. Ich rannte förmlich in die Schule zu meinem Raum und ließ mich da erschöpft auf meinen Stuhl fallen und war sofort wieder in meinen Gedanken versunken. Doch als nächstes störte mich das Stundenklingeln. – Das muss endlich aufhören mit dieser Tagträumerei!!!! Du musst dich auf den Unterricht konzentrieren! - ermahnte ich mich selbst. Doch das war nicht so einfach, immer wieder streiften meine Gedanken ab, zu Max, zu meinem Max. –So nennt man das wohl, wenn man auf Wolke 7 schwebt – dachte ich still und lächelte.
Zum Glück war dann Mathe überstanden. Ich packte meinen Kram zusammen. Irgendwie hatte ich es geschafft etwas vom Unterricht mitzubekommen. Ich war stolz auf mich.
Irgendwie schaffte ich es auch die zwei Stunden Chemie zu überstehen, ohne einzuschlafen.
In der großen Pause danach wagte ich es, während ich an meinem Wasser nippte, auf mein Handy zu schauen – Ja! – freute ich mich still. Eine SMS, die ist sicher von ihm.

Guten Morgen mein Schatz!
Na, die erstens Stunden erfolgreich
Überstanden? Hole dich ab! Warte
vor der Turnhalle. I Love You!

Mein Herz machte vor Freude einen Sprung. Nur noch 4 Stunden und ich war wieder bei ihm.
Zwischen uns ist es noch immer wie am ersten Tag unserer Beziehung. Es ist noch immer so schön, aufregend und prickelt. Wir sind noch immer so verliebt – dachte ich glücklich.
Ja, und dann passierte es. Ich saß gerade in Russisch und übersetzte einen Text, als die Durchsage kam. „Sandra Müller bitte ins Sekretariat, Sandra Müller bitte!“ Ich schaute erstaunt auf, ich war noch nie ins Sekretariat gerufen worden. Also entschuldigte ich mich bei meiner Lehrerin und ging. Ich wunderte mich, denn ich hatte ja keine Ahnung, wieso ich ausgerufen worden war.
Ich atmete tief ein und trat nach einem zaghaften Klopfen ein. Die Anwesenden drehten sich um, auch Luisa. Ich stand einfach nur da, den Mund offen und starr geöffnete Augen. Luisa stand einfach nur da und schaute mich aus ihren rot verquollenen Augen an. In meinem Kopf breitete sich eine Leere aus, eine dunkle Leere.
Luisa kam auf mich zu und nahm mich in den Arm, ohne irgendein Wort. So standen Luisa, Max Mutter, und ich eine Weile da. Ich traute mich nicht sie zu fragen, was los sei. Ich hatte Angst vor der Antwort. Ich hatte sie noch nie so gesehen.
Luisa und ich hatten uns von Anfang an verstanden, sie war so was wie meine große Schwester geworden.
Herr Schneider, der hinter Luisa stand, räusperte sich. Ihm war die Situation unangenehm, das merkte ich. Ich löste mich von Luisa und schaute ihr in die Augen. Und in ihnen lass ich das, wovor ich die meiste Angst hatte, - Max zu verlieren!
Ich starrte Luisa mit fragenden, Hilfe suchenden Augen an, ich flehte innerlich, dass das alles nur ein Alptraum sei. Doch es half nichts. Mir wurde langsam schwindlig. Ich hatte die grausame Wahrheit in ihren Augen gelesen.
Mein Leben was zerstört.
„ Er hatte einen Unfall. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, aber….“ Mehr bekam ich nicht mehr mit. Mir wurde schwarz vor Augen, alles verschwamm. Ich sackte zusammen…

Nun sitz ich hier, hier auf dieser Bank, auf dieser Brücke.
Ich sehe den Himmel, es wird immer dunkler, so dunkel wie in meiner Seele.
Ich weiß nicht, was ich machen soll, ich weiß nicht wohin ich gehen soll….
Mein Leben ist gestorben, als er starb.
Hat es noch einen Sinn, dass ich jetzt hier sitze und dir schreibe?
 

Stefan J.W.

Mitglied
Leben? Ja!

Es passiert meist unverhofft, dass sich das Leben auf (tragische) Weise wandelt und man nur schwer einen Sinn darin erkennen kann,was und warum etwas geschehen ist.
Doch das Leben besteht nicht nur aus positiven Elementen und Ereignissen und oft sind es die vermeintlich negativen, die einen irgendwie voran bringen. Leben bedeutet nun einmal, Erfahrungen zu sammeln - gleich welcher Art sie auch sein mögen. Das wichtige daran ist, dass man aus all diesen Erfahrungen etwas für sich mitnehmen kann, selbst wenn es etwas so schreckliches wie der Tod eines nahmestehenden Menschen sein muss.

Und glaube mir, ich schreib' hier nicht nur bloßes Wischi-waschi-Geschwätz. Ich habe (leider) meine eigenen Erfahrungen damit gemacht, als ich 16 war und den Tod meiner Mutter zu verkraften hatte. Doch mit den Jahren klärt sich der erst verschwommene Blick auf das Geschehen und man kann etwas daraus lernen, auch wenn es schwerfällt.Und das eigene Leben stirbt nie mit dem eines/einer anderen, auch wenn es sich zuerst so anfühlen mag!


Gruß, Stefan
 

hopeless-1

Mitglied
Doch was ist, wenn man sich so leer fühlt, ausgeogen, einsam, alleine, verloren...?
Biologisch gesehen lebt man noch, doch gehört zum leben nicht mehr? Fehlt da nicht das Gefühl zu leben?
Durch "negative" Erlebnisse wird man stärker, das stimmt schon. Aber nicht jeder ist so stark diese Herausvorderung, diese Zeit zu überstehen, anzunehmen und zu bestehen.
Mancheiner hat nicht die Kraft, den Willen...

liebe Grüße, Hopeless-1
 

Stefan J.W.

Mitglied
Natürlich fällt es schwer solch eine Herausforderung anzunehmen, das ist mir voll und ganz bewusst. Ich habe auch mit mir abgemacht, wenn meine Mutter geht, dann gehe ich auch. Aber sagen wir mal so - ich war zu feige.

Aber sogesehen wäre es unfair gewesen. Und damit meine ich nicht einmal meiner Familie, sondern mir selbst gegenüber.
Wir sind nun einmal alle hier, um zu leben!

Man fühlt sich zuerst immer kraftlos, man denkt, man kann die Zeit nicht überstehen, bis die Wunden geheilt sind und das ist (tut mir leid für den Ausdruck!) ganz logisch.
Mir haben ganz banale Dinge geholfen: eine neue CD meiner Lieblingsband (und was hätte ich versäumt, wenn ich die nicht gekannt hätte!), meine Katze, Sonnenaufgänge, Waldspaziergänge, einfach einen Tag lang vor sich hinweinen.

Es tut gut, alles herauszulassen, auch wenn man denkt, der Schmerz wird so unerträglich, aber es hilft.
Und dann wird der Tag kommen, an dem es irgendwie "besser" ist!

Und auch das habe ich über mich gelernt und viele mit ähnlicher Erfahrung sicher auch: man ist viel stärker als man glaubt, wenn man es nur zulässt...
 

hopeless-1

Mitglied
Das Leben beenden? Ich glaub das könnt ich dann doch nicht, nicht wenn ich länger darüber nachdenke. Davor hab ich zuviel Angst.

Aber das da so banale Dinge helfen, dass kann ich irgendwie nicht glauben. Ich glaube eher, das es dann doch an der Zeit lag.

Früher haben eine Freundin und ich immer "Tat oder Wahrheit" gespielt. Einmal fiel auch die Frage, wovor ich am meisten Angst hätte. Und ich sagte ohne nachzudenken: Einsamkeit.
Davor hab ich auch jetzt noch am meisten Angst. Ich brauche die Menschen um mich herum. Ich brauche bestimmte Menschen, einen bestimmten Menschen. Ohne diese Menschen kann ich nicht leben, ich geh ein wie eine Pflanze.

Ich freue mich, wenn ich mal für 2-3 Stunden sturmfreie Wohnung hab, doch wenn es ein ganzer Tag ist, dann hab ich Angst. Ich lade dann immer irgendwen ein, um nicht allein sein zu müssen.
Diese Angst ist nicht normal, gut , das weiß ich auch, nur hab ich das Gefühl, diese Angst nicht los zu werden, ganz im Gegenteil, in letzter Zeit wird sie noch schlimmer.

Was mache ich dann, wenn ich dann alleine bin, weil ein geliebter Mensch starb?

Ich muss wohl endlich gestehen, dass ich zwar einen geliebten Menschen verloren hab, er aber nicht starb, nicht richtig jedenfalls....

Und trotzdem ist da diese Leere in mir, die ich nicht schaffe zu überwinden.
Ich hab das Gefühl, ein Teil von mir ist gestorben, ein großer Teil.

Wird das irgendwann "besser"?

die in Depressionen versinkende Hopeless-1
 

Stefan J.W.

Mitglied
Hallo, Einsame.

Du hast dir deine Frage doch schon selbst beantwortet.
Du hast Angst vor der Einsamkeit, nicht vor dem Alleinesein.
Alleinsein, das bedeutet: all-eins-sein oder deutlicher: eins mit allem sein. Und dieses Alleinsein ist es nur dann, wenn du dich wohlfühlst mit dir selbst (allein), wenn du disen Zustand genießt.

Du sprichst von der Einsamkeit und das ist, wie du schon sagst, etwas vor dem du dich fürchtest. Das Gefühl der Einsamkeit, der Leere, ist ein schlimmes, das weiß ich.
Aber du darfst diese Leere nicht überwinden, dann blibe sie immer zurück und schmerzt, du musst sie füllen.
Füllen, aber natürlich sollst du nicht vergessen, dass da mal eine "Grube" war. Widme dich dir selbst.

Versuche einmal, nicht in Trauer an diese geliebte Person und das, was du mit ihr erlebt hast, zurückzublicken. Denke mit Freude daran, dass du sie kennengelernt hast und denke mit Heiterkeit an das Erlebte, denn das kann dir niemand nehmen.

Und der Teil, von dem du sagst, er sei gestorben, der ist da, er ist immer noch existent, weil er dir weh tut, weil du daran denkst. Er wird auch immer in dir sein, aber das ist dann eine Facette deiner Person.

"Besser"?

Wie heißt es schon in diesem Sprichwort? "Zeit heilt alle Wunden!" Und so ist es wirklich. (Was sogar die Wissenschaft bestätigt) Also, keine Angst, es wird besser...

Viele Grüße
Stefan
 

hopeless-1

Mitglied
danke

Danke, dass du dir die Zeit nimmst, mir zu schreiben.
Danke, dass du deine Erfahrung mit mir teilst.

Ja, du hast sicher Recht, dass Zeit alle Wunden heilt.

Ich komme mir so vor, als würde ich nur noch aus Angst bestehen. Ich hab Angst vor Einsamkeit, vor der Leere und auch vor einer weiteren "Enttäuschung". Angst wieder verlassen zu werden.

Die Zeit heilt alle Wunden, dass sagen sie alle. Sie sagen, ich soll mir Zeit lassen. Immer wieder -Zeit-.
Doch, wie lange dauert das? Wie lange muss ich warten, bis ich das alles verstehe? Bis ich einen Sinn darin sehe?
Macht es dann einfach Klick?
Wache ich auf und weiß es einfach?
Das ist alles so schwer. Sie versuchen mich abzulenken, doch ich glaube sie verstehen nicht, was ich fühle.
Sie haben Angst mich alleine zulassen, sie denken ich tu mir dann was an, oder breche zusammen.
Aber ich möchte doch alleine sein, alleine und in Ruhe einfach mal denken können, oder weinen können.
Haben sie kein Vertrauen zu mir?

Das sind so viele Fragen und noch viel mehr schwirren in mir rum.

Hopeless-1
 

Stefan J.W.

Mitglied
Was ist Zeit?

Mit einem herzlichen "Hallo" nehme ich mir gerne die Zeit für dich, denn was nützten mir alle meine Erfahrungen, wenn ich sie nicht weitergeben und teilen könnte.
Und vielleicht, so hoffe ich doch, kannst du deinen Wert für dich daraus ziehen.

Zeit kann etwas sehr gemeines sein. Wenn man nur daran denkt, wie langsam einem früher die Zeit vergangen ist, als man noch ein Kind war und sehnlichst auf das nächste Weihnachten oder den nächsten Geburtstag gewartet hat, und wie schnell diese Tage dann vorbei waren!

Und so ist es im Endeffekt auch in diesem Fall. Zeit ist gemein. Sie vergeht nicht, dann rinnt sie einem wieder zwischen den Fingern hindurch und ist ungreifbar und nicht an Minuten, Stunden oder Tagen festzumachen. Ich kann dir keine Garantie daruf geben, wie lange du zu warten hast, bis es vielleicht "Klick" macht. Es ist von dir abhängig, wieviel Zeit du benötigst, um mit allem wieder klarzukommen.
Und ob es auf einmal eben klickt, oder nach und nach dämmert, kann ich dir auch nicht sagen.
Das einzige, was ich dir mit Bestimmtheit weitergeben kann ist, dass es passieren wird. Aber lass dich nicht hetzen und mach dir nichts vor, belüge dich nicht selbst, sonst bricht es eines Tages wieder hervor und zwar noch schlimmer als es schon gewesen ist.

Es ist vermutlich immer leichter, jemandem Ratschläge zu erteilen, wenn man nicht (mehr) in solch einer (ähnlichen) Situation steckt. Aber vielleicht solltest du mehr über deine Empfindungen, deine Ängste sprechen, ohne zuviel davon preiszugeben, was du noch nicht geschafft hast zu verarbeiten. Das stärkt das Vertrauen und dein Wunsch nach Ruhe, nach (schon wieder)Zeit für dich selbst wird sicher respektiert werden.

Mit der Angst vor einer neuen "Enttäuschung", vor einem erneuten Verlassenwerden, musst du lernen umzugehen. Du musst dir bewusst machen, dass sie in dir ist, sie dich -jetzt noch - auch manchmal beherrscht. Und du musst schlicht und einfach diese Tatsache akzeptieren und damit so gut es geht leben. Das Schwierige daran ist, dass du dich nicht immer aus lauter Angst weiter abgrenzt und dich verschließt. Versuche trotzdem offen zu sein und wenn es dir zu nahe geht, sprich es an und nehme dir dein Recht, dich auch zurückziehen zu dürfen.(Lass dir Zeit und höre auf das, was dein "Bauch" dir sagt!)

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach für dich ist, aber du wirst sehen, du schaffst das. Und wenn dir Fragen auf der Seele brennen, dann stell sie....


Viele (hoffende) Grüße
Stefan
 

hopeless-1

Mitglied
Hallo.

Ja, es tut wirklich gut, mit jemanden zu reden. Jemanden der irgendwie versteht, was ich fühle. Es ist garnicht so einfach das Chaos in Worte zu packen.

Ich wünschte, meine Freunde und meine Familie würden mir auch zuhören. Immer wenn ich von dem Thema anfange, dann drucksen sie rum und meinen, dass ich nicht darüber reden muss. Es ist ihnen unangenehm. Ich kann das ja irgendwie verstehen, aber auch nur irgendwie.

Ich weiss jetzt irgendwie nicht, was ich noch sagen soll. Danke.

Liebe Grüße, Hopeless-1
 

Stefan J.W.

Mitglied
Hallo!

Vielleicht noch eine Kleinigkeit zum Bedenken:

Das Chaos ist immer der Beginn einer neuen Ordnung!

Mach das Beste daraus!

VLG

Stefan
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

eine sehr anrührende geschichte. weißte, warum ich so dick bin? alles kummerspeck. also paß auf dich auf! ganz lieb grüßt
 



 
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