Legenden

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Legenden

Die Nachbarn würden seit Tagen die Köpfe tuschelnd zusammen halten, sobald sie Anette und Gerhard im Stiegenhaus antrafen. Man munkelte über spätes Aufsperren der Wohnungstür. Und seit geraumer Zeit würden Klänge von aufdringlicher Musik, in jugendlicher Lautstärke, aus der Wohnung zu hören sein. Außerdem sei ich seit Wochen auffällig jugendlich gekleidet. Erstaunlich, was ein bunter Schal ausmacht.
Anette und Gerhard blickten sich bedeutungsvoll an. Sie verhielten sich auffällig unruhig und die Aufzählungen hatten den Charakter eines Verhörs.
Auf die Frage, ob ich jetzt den Kaffee servieren sollte, antworteten sie mit einem einhelligen Kopfnicken. Mit den feinsäuberlich aufgeschüttelten Kissen auf ihren Schössen, woran sie sich krampfhaft festhielten, sah dieses energische Kopfnicken ziemlich lustig aus. Sie wackelten dabei mit ihren Oberkörpern. Es war wohl an der Zeit das Gerücht der Nachbarn aufzuklären. Bei dieser Vorstellung konnte ich mein unterdrücktes Lachen nicht mehr verbergen.

„Wie kannst du über dieses Gerede nur so begeistert lachen, Mama“ ereiferte sich Gerhard. „Ach ja“, antwortete ich sehr vergnüglich. „Ich finde, dass dieses Gerede meiner persönlichen Entfaltung ziemlich gut tut. Außerdem wüsste ich nicht, warum ich Rücksicht nehmen sollte auf eine Umgebung?“ Ziemlich aufgebracht über meine Heiterkeit, konnten sie ihren Unmut nicht mehr hinter der erforderlichen Freundlichkeit verbergen.
Sie sahen sich kurz an. “Ich bitte dich Mama, mach dich doch nicht lächerlich bei den Nachbarn, mit deinem Junggetue.“ Sie faltete ihre Hände, wie zum Gebet und sah mich mit belehrenden Augen an. Ich wollte sie scherzend an den Händen nehmen, doch sie wehrte mit einem unterweisenden Gesichtsausdruck ab und riss ihre Arme unerwartet nach oben. Mit den erhobenen Armen erinnerte sie mich an eine Beschwörerin. Bei diesem Anblick konnte ich mein Lachen nicht zurück halten.

Gerhard schluckte peinlich berührt über dieses unangenehme Schauspiel. „Also Mama, du bist jetzt zweiundachtzig Jahre. Ich finde du solltest das Ganze nicht übertreiben.“
Mit betont fest geschlossenen Augen wartete ich auf Gerhards Moralpredigt, denn das versprach es wohl zu werden, eine Predigt über Ansehen und Moral.
Anette bat um ein Glas Wasser. Sie erhob sich und griff sich mit einer theatralischen Bewegung an den Kopf. Gerhard ergriff sofort die Gelegenheit sich der Szene zu entziehen und erbot sich freundlich, ein Glas Wasser aus der Küche zu holen.
Anette verharrte still mit erhobenen Augenbrauen. Sie hatte Anlaufschwierigkeiten, ein wohl vermeintlich anstößiges Verhältnis ihrer alten Mutter in den Mund zu nehmen. Darauf sollte es wohl hinaus.
Hilfe suchend sah sie sich nach Gerhard um. Der hatte Probleme, das Glas Wasser zu bringen, ohne dessen Inhalt zu verschütten.
Ich fand, dass ein bisschen zu viel Aufhebens um ein wenig laute Musik gemacht wurde. Aber um das hilflose Gefühl meiner Kinder nicht noch mehr zu steigern war ich gewillt, für Aufklärung zu sorgen. Obwohl, ich musste zugeben, mein vermeintliches Verhältnis war mir schon recht angenehm und ich fühlte mich wohl mit dem Gedanken, einen Geliebten zu haben. Es stimmte mich geradezu fröhlich. Dass es nur ein Gerücht war, verminderte meinen Spaß nicht wesentlich.

„Wisst ihr“ begann ich sehr überlegt, um ihrer und der Theatralik der Nachbarn die Schwere zu nehmen: „Ich war meinen alten Tagen schon so ergeben. In Momenten der ganz besonderen Ergebenheit verkroch ich mich in Erinnerungen. Ich merkte, dass ich mit meinen zweiundachtzig Jahren mein ganzes Dasein auf ein Mindestmaß an Bewegung reduzierte und selbst meine Erinnerungen krochen nur mehr auf einer fahlen Oberfläche dahin. Ich fand es keinerlei Anstrengung mehr wert, mich gegen diesen schleichenden Stillstand aufzubäumen.
Da ertönte an einem wunderschönen sonnigen Tag aus dem Radio es war ein Sonntag, diese wunderbare Melodie. Ich erinnerte mich sofort an eine innige Liebe zu einem jungen Mann. Damals erklärten wir diese Melodie zur Unseren. Die Erinnerungsrädchen fingen, mit einem mir ungewohnten Eifer, zu rattern und zu kurbeln an und holten tiefe Gefühle an meine Oberfläche. Ich fand auf einmal die Energie, mir die alten Schallplatten raus zu suchen und meine anfangs noch müden Beine tanzend über den Boden zu streifen. Wie Legenden aus lange vergangenen Zeiten tauchten Bilder in meinem Kopf auf.
Ich suchte in den Schubladen nach meinen geliebten bunten Tüchern und unterstützte alle Erinnerungen mit den hervor gekramten Liebesbriefen. Unsere Liebe scheiterte damals an einer für uns unüberwindbaren Entfernung.“ Die beiden schienen noch nicht erleichtert zu sein, und ich sprach unvermindert weiter.
„Aber dieses Ausgraben von Erinnerungsstücken brachte mich ganz außerordentlich in Schwung. Und ich habe von diesen Stunden an beschlossen diesen Schwung aufrecht zu halten und meinem Ende mit einer fröhlichen Unregelmäßigkeit entgegen zu gehen. Ja, ich weiß, der Mensch hat mit der Vergänglichkeit zu leben. Aber meine letzten Sonntage sollen Licht durchflutet, spürbar und hörbar sein. Und ich denke, dass ich mit meinen zweiundachtzig Jahren das uneingeschränkte Recht dazu habe.
Sitzt nicht da, wie die blau karierte Kochschürze meiner Mutter und der fein säuberlich aufgeräumte Werkzeugkoffer eures Vaters. Ich habe ein Verhältnis, mit dem Leben! Das darf doch wohl gestattet sein? Heute ist Sonntag! Kommt, lasst uns ein bisschen in euren Erinnerungen kramen, vielleicht werdet auch ihr leichtfüßig dabei. Wollt ihr noch Apfelkuchen?“
 

GabiSils

Mitglied
Hallo Nati,
ist dir möglicherweise die englische Sprache geläufiger als die deutsche? Einige Formulierungen lassen das vermuten, wenn es nicht Absicht war.

Gruß, Gabi
 

NicoD

Mitglied
Hallo Nati,

einige Formulierungen sind leider wirklich etwas umständlich. Gerade die direkte Rede wirkt recht steif - gerade am (sehr wichtigen) Schluß. Darüber geht Dein Motiv fast verloren.

Noch ein paar Details:

Der Gedanke, dass dies nur eine Legende war, verminderte meinen Spaß nicht wesentlich.

Legende ist meines Erachtens nicht das richtige Wort. Gerücht ist besser. Eine Legende ist eine Erzählung, in etwa angesiedelt zwischen Märchen und Sage.
Vielleicht solltest Du in diesem Zusammenhang auch den Titel überdenken.

Ich hoffe, daß Du dran bleibst!

Viele Grüße,

Nicolaus
 
Legende

Hallo Gabi und Nicolaus,

Ach ihr beiden, freilich bleib ich dran.

Vor kurzem habe ich das Buch von Max Frisch gelesen „der Mensch erscheint im Holozän“ Dabei kam mir wieder einmal der Gedanke mein Englisch aufzufrischen. Und ich fing in meinem Eifer an, gleich eine ganze Seite zu übersetzen. Dabei kam so unverständliches raus, dass man meinen konnte, ich sei weder der deutschen und schon gar nicht der englischen Sprache mächtig. Es blieb bei der einen Seite, denn mein Sohn, den ich um eine Korrektur bat, hat abgewinkt(abgewunken? weiß ich jetzt nicht so genau) als er die ersten Sätze las.
Ich habe versucht eine Geschichte mit Adjektiven auszuschmücken. Dabei, das muss ich zugeben, ist die eine oder andere Satzverdrehung zustande gekommen, mit der ich selbst auch nicht glücklich bin. Das heißt ich werde die Geschichte noch mal überarbeiten.
Das Ausschmücken mit Adjektiven und der Titel, sind Teil einer Aufgabe in der Schreibwerkstätte, die ich besuche. In der wir auch einen Schreibkurs absolvieren. Ich finde aber, dass der Titel doch zur Geschichte passt, weil die Frau aus ihrem frühen jungen Leben erzählt.

Erst mal danke ich euch beiden.

LG Nati
 
Legende

Hallo Gabi und Nicolaus,

ich habe meine Geschichte überarbeitet, die Sätze ausgedreht und das ganze stark gekürzt und ich denke, dass sie dadurch gewonnen hat. Adjektive sind wohl wichtig, aber zu viele liefern ein gekünsteltes Bild.
LG Nati
 



 
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