Schlaf - ein komatöses Wachen inmitten von schweigend redenden Stimmen. Was sagt diese eine dort? Aha, wie wenig interessant. Zurück zum Wachkoma, da lässt sich´s aushalten. Wenn das Gerede wenigstens leise wäre, so dass man richtig schlafen könnte. Dieser dämmerige Zustand zwischen Schlaf und Meditation macht so müde, dass er weit über übliche Langeweile-Stimmung hinausgeht. Die Nerven sind zugleich gespannt und unsagbar erschöpft, als würde man tatsächlich zuhören, oder - noch schrecklicher - mitdenken, als würde man tatsächlich etwas tun. Nicht die Augen schließen, munter wirken - das ist wichtig. Aber eine lang antrainierte Disziplin macht das leicht möglich, ohne Anstrengungen. Draußen vor dem Fenster - ein paar Vögel. Hmh, ganz schön langsam fliegen sie. In Zeitlupe? Was sagt die Stimme? Was will sie? Ach nein, einfach nicht hinhören, einfach beschäftigt gucken. Die Vögel sind vorbei, weit außer Sichtweise. Sind wohl doch schneller geflogen. Was jetzt? Mhm, der Himmel ist recht grau heute. Ob´s regnen wird? Und wenn schon. Ein bisschen lesen? Nein, es bleibt ja doch nichts haften. Etwas schreiben? Sehr witzig, wie soll man denn hier denken? Mal den Kopf heben, die Augenlider weiter aufmachen? Nein, lieber nicht; zu anstrengend, zu müde. Was ist jetzt? Aha, eine neue Stimme hat sich kurz erhoben, um den monotonen Klang der anderen zu verstärken. Was hat sie gesagt? Ach, so ist das. Aha, so ist das also - eine Offenbarung, die den Geist offenbar zum Nachdenken überhaupt nicht anregt. Aber gut, Hauptsache, sie wurde gegeben. Langsam wird es richtig anstrengend, das mit den Augen. Und auch sonst - irgendwelche Ideen, Motivationen, für danach? Nein, wieso denn, woher soll denn so was kommen? War ja nur ne Frage. Was kommt überhaupt danach? Gute Frage. ist das wichtig? nein, eigentlich nicht. Nichts anderes als hier und jetzt geschieht danach im Bald und dort. Wo ist das Hier? Ach so, richtig, wir sind ja hier. Hier sind wir also. Mhm. Könnten wir auch woanders sein? Natürlich. Sicher? Nein, eigentlich nicht. Langsam werden sie langweilig diese abgehackten Gedanken, die sich einmal jede Stunde wiederholen. Man müsste wohl mal wach werden - ein bisschen denken, oder so. nana, nicht übertreiben, wo sind wir den hier? Ja, wieder eine gute Frage. das nimmt langsam überhand - unheimlich. Kurz mal blinzeln und die Ohren spitzen - ganz schön schwer bei diesem monotonen Rauschen. Mhm, die Stimmen sind also noch da. Sagen sie irgendetwas? Nein, ich glaube nicht. Ach doch. Das überhört man aber ganz schön leicht. Komisch, obwohl sie gar nicht leise reden. Was wird da gesagt? Die eine Stimme klingt aber ganz schön wichtigtuerisch. Etwa etwas interessantes? Nein, zu früh gefreut. Zurück zum Wachkoma, das kostet nicht so viel Nervenenergie wie zum Ankämpfen gegen die monoten Gedanken, die die Stimmen kungeben. Ist das eigentlich noch wach oder schon richtiges Träumen? Nein, beim Träumen passiert immer irgendetwas. Hier aber passiert eigentlich gar nichts. Na ja, bis auf die Stimmen, die vereinzelt ein paar Brocken Gelerntes in die Stille werfen, die sogleich danach wieder von dieser einen Stimme durchbrochen und zugleich verfeinert wird, denn irgendwie verstärkt sie den Zustand der wachenden Komatösen um sie herum noch weiter. Die schwersten Gewichte von Resignation, Gleichgültigkeit und Langeweile schweben über ihren Köpfen, sie bewirken dieses Wachkoma. Gewohnter Trott, und trotzdem täglich unerträglich. Doch was ist das? Ein lautes Klingeln in den Ohren klärt den Kopf und lässt die Augenlider langsam hochklappen, bis die Pupillen wieder Bilder fassen. Ringsherum tauchen Gesichter auf und Körper, die sich lebhaft bewegen. Allgemeines Erwachen aus dem Koma, eigenes Erwachen folgt sofort. Na dann. Das war es jetzt. Der Unterricht ist aus.