Leitdorfs schnellster Fall

Black

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„Was für ein Wetter!“ Kommissar Leitdorf fuhr sich über seine kurzen schwarzen Haare, klappte seinen Kragen herunter und betrat das Wohnzimmer der Gründerzeit-villa. „Guten Tag, die Herren. Hallo Max, was haben wir ?“ Er schritt über den ausladenden Perserteppich in Richtung Opfer, während der Gerichtsmediziner ihm zunickte und das letzte Plastiktütchen in seinem Koffer verstaute. Der Angesprochene, ein Blondschopf von etwa 25 Jahren und Leitdorfs Kollege, berichtete.
„Eine Tote, weiblich, 69 Jahre. Erschlagen mit einem stump-fen Gegenstand, der nicht auffindbar ist. Keine Einbruchs-spuren. Name des Opfers: Gisela Unger, Hauseigentümerin, verwitwet, steinreich, zickig. Naja, die Details zu ihrem Leben kann ich mir wohl sparen, sie stehen wöchentlich in den Klatschblättern.“
Leitdorf, der eben noch die gigantische Nußbaumkommode mit den silber gerahmten Fotos studiert hatte, wandte sich um.
„Ich lese diese Zeitschriften nicht,“ sagte er mit zusammen-gezogenen Augenbrauen.“Wenn du also die Güte hättest...“
„Schon gut, Hendrik.“ Max dachte, dass dies der dritte Tag ohne Zigaretten für Leitdorf war. Er grinste. Als er den Blick seines Kollegen auffing, fuhr er hastig fort : „Also : Frau Unger lebte seit dem Tod Ihres Mannes allein in diesem Haus, sehr zurückgezogen, mit nur einer Hausdame und ihrem Koch. Vor einem Jahr wurde sie plötzlich wieder auf Festivitäten gesehen und zwar in Begleitung eines erheblich“, Max machte eine bedeutungsvolle Pause, „...eines erheblich jüngeren Mannes, angeblich ihr Neffe. Man munkelte, er sei auch bei ihr eingezogen.“
„Das stimmt auch“. Ein untersetzter Mittfünfziger mit schüt-terem Haar und weißer Schürze stand im Türrahmen und mus-terte die Beamten. „Der Koch- Herr Seiter“, stellte Max ihn vor.
„Nun, Herr Seiter, seit wann sind Sie heute im Haus? Haben Sie etwas gehört oder gesehen?“ Der Kommissar öffnete sei-nen Trenchcoat und zückte einen Notizblock. Den Bleistift klemmte er unwillkürlich zwischen die Lippen.
„Darf ich fragen, wer das wissen will? Wievielen Assis-tenten muß ich hier Rede und Antwort stehen, bevor ich mit jemand Kompetetem sprechen kann?“, blaffte der Koch.
Plötzlich baumelte ein ovales Stück Metall vor seiner Nase.
„Kriminaloberkommissar Leitdorf, ich führe die Ermittlun-gen“, sagte Leitdorf kühl. „Wenn Sie möchten, werde ich aber gern dem Polizeipräsidenten Ihr Anliegen vortragen.“
„Wohl kaum.“ Der Koch blieb unbeeindruckt. „Die Küche liegt im gegenüberliegenden Flügel mit Blick in den Garten. Dort war ich seit heute morgen um sieben. Und ich hatte das Radio an. Die Hausdame ist den ganzen Tag in der Stadt, Be-sorgungen machen. Hat mir ’nen Zettel geschrieben.“
„Das heißt, Sie und Frau Unger waren allein im Haus?“
„Bestimmt nicht!“schnappte Seiter. „’Er’war auch da.“
„Schön, und wer ist er?“ Leitdorf mußte sich inzwischen heftig zusammennehmen.
„’Er’ ist der angebliche Neffe von Frau Unger, ein Schma-rotzer und Taugenichts. Nicht wahr, Seiter, das wollten Sie doch sagen?“ Alle wandten sich um.
Im Durchgang zum Salon stand ein hochgewachsener Mann mit rotblondem Struwwelkopf und einer randlosen Brille.

„Guten Tag. Mein Name ist Andreas Vollmer. Und ich bin tat-sächlich der Neffe von Frau Unger.“ Leitdorf schüttelte die angebotene Hand und stellte Max und sich vor.
„Haben Sie die Tote gefunden?“
„Ja, als ich heute morgen gegen acht vom Joggen zurückkam, lag meine Tante hier im Wohnzimmer. Ich habe sofort die Polizei verständigt.“
„Verstehe.“ Leitdorf kritzelte in seinen Block. „Ist Ihnen irgendwas aufgefallen, haben Sie etwas gehört oder gesehen?“
„Gesehen? Ja, das habe ich tatsächlich.“ Der Kommissar blickte auf.
„Nun“, fuhr Vollmer fort, „dort drüben auf der Eichen-kommode fehlt eine silberne Schmuckschatulle. Sie stand in der Mitte der Bilderrahmen und war das Lieblingsstück meiner Tante. Als ich morgens die Treppe herunterkam, trug sie Herr Seiter gerade in die Küche.“
„Was unterstellen Sie mir da, Sie Mistkerl?“ fuhr Seiter auf. „Die gnädige Frau wollte, dass die Schatulle geputzt wird, deshalb nahm ich sie mit. Frau Bauer sollte sich heute Abend darum kümmern.“ Sein Blick schweifte zwischen den Kommissaren hin und her.
„Gut, Herr Seiter.Zeigen Sie sie uns mal“, forderte Max ihn auf. „Das kann ich nicht, sie ist verschwunden.“
Als er den zweifelnden Blick Leitdorfs sah, setzte er hinzu :
„Sie stand auf dem Küchenbord, jeder hätte sie nehmen kön-nen. Auch der da.“ Er deutete auf Vollmer.
„Betraf diese Putzaktion auch der Streit, den Sie gestern abend mit meiner Tante hatten?“ mischte der Angesprochene sich ein.
„Führen Sie hier das Verhör?“ brauste der Koch auf.

Der Satz stand noch im Raum, als sich die Haustür öffnete.
Eine Frau mit Lodenmantel und grauem Haar trat ein und stellte ihren Regenschirm in den Messingständer. Ihre Handtasche glitt in den Sessel daneben.
„Frau Bauer, Sie sind schon zurück? Es ist etwas Grausames passiert, meine Tante wurde ermordet.“ Sie starrte erst Vollmer an, dann Seiter. Der Kommissar fixierte sie.
„Frau Bauer, mein Name ist Leitdorf. Darf ich fragen, warum sie so früh zurück sind? Man sagte uns, sie seien den ganzen Tag unterwegs?“
„Ich...ich habe mein Portemonnaie vergessen. Ich saß schon im Bus, als ich es bemerkte. Ich bin ausgestiegen und habe den nächsten Bus zurück genommen.“
„Das heißt, Sie sind wann genau das erste Mal aus dem Haus gegangen?“ fragte Leitdorf.
„Gegen halb acht.“ Sie zog ein Taschentuch aus der Mantel-
tasche und tupfte sich die Augen. Leitdorf sah zu Max.
„Geschätzte Tatzeit zwischen halb acht und acht“, erklärte dieser.
„Nun, Herr Seiter, wir sind unterbrochen worden. Worum ging es bei der Auseinandersetzung mit Frau Unger?“ wandte sich Leitdorf an den Koch. Dieser blickte zur Hausdame.
„Interna“, brummte er knapp.
„ Frau Bauer, darf ich Ihnen eine einfache Frage stellen? “ Die Hausdame sah Leitdorf ängstlich an. „Wie haben Sie den Weg zum Bus und zurück bei diesem Wetter mit einem trockenen Regenschirm bewerkstelligt? Sie haben ihn beim Eintreten nicht ausgeschüttelt und er wirkt auch jetzt noch sehr trocken dort drüben in seinem Schirmständer.“

Frau Bauers Mund zuckte. „Ich wollte das nicht, wirklich. Es ist Geld aus der Haushaltskasse verschwunden. Ich brauchte es, dachte, es merkt niemand. Dann hörte ich gestern den Streit zwischen Herrn Seiter und Frau Unger.“ Sie schluchzte. „Seiter beteuerte seine Unschuld. Sie schrie, wer auch immer es war, er wäre die längste Zeit in ihrem Haus gewesen und sie würde es publik machen. Publik! Kontakte zur Presse hatte sie ja ausreichend. Das konnte ich nicht zulassen, verstehen Sie?“ Sie sank auf einen reich verzierten Lehnstuhl und ihre Schultern bebten. „Dann sah ich heute morgen, kurz bevor ich zum Rapport gerufen wurde, die Schatulle in der Küche. Ich griff sie und hielt sie hinter meinem Rücken, betrat das Wohnzimmer...danach versteckte ich mich im Keller.“
Leitdorf sah sie an : „ Frau Bauer, bitte öffnen Sie ihre Handtasche.“
 

F Fuller

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Hallo Black:

die Story ist gut, ein typischer Krimi.

Nur hin und wieder ist der eine oder andere Satz, der sich etwas komisch liest (z.B. „Betraf diese Putzaktion auch der Streit, den Sie gestern abend mit meiner Tante hatten?“ - ich würde schreiben: "Hatte der Streit, den Sie gestern Abend mit meiner Tante hatten, mit dieser Putzaktion zu tun?")

Und dann würde ich die ganzen Trennstriche herausnehmen. Es gibt inzwischen selbst für Windows Programme, die eine automatische Silbentrennung haben (wer es denn wirklich braucht). So kann man Texte bei jeder Formatierung "richtig" darstellen.

Ach so, dann schreibst Du: "Plötzlich baumelte ein ovales Stück Metall vor seiner Nase."
Vermutlich meinst Du damit eine Art Dienstmarke.
Ich weiss nciht, wo Deine Geschichte spielt, aber in Deutschland gibt es keine Polizeimarken aus Metall. Hier sind die Dienstausweise der Polizei personalausweisgroße, laminierte und oft farbige Karten.

Gruss

F.
 

Black

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Hi Fuller,

danke für den Kommentar ! Die Trennstriche kommen noch aus dem Originaldokument, hätte ich wirklich überarbeiten können.
Der Hinweis zum gestelzten Dialog ist hilfreich.
Und das mit der Dienstmarke kenn ich noch aus dem 70er-Jahre-Spot "Die Kriminalpolizei rät" ;-)) Peinlich !
Gruß,
B.
 



 
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