Liebe

lisette

Mitglied
Lisette

Der kalte Wind peitschte um ihre Ohren. Er zwirbelte ihr heiß im Gesicht.
Brannten die Tränen auf ihrer Wange in ihre Haut. Ein kleiner, mit jedem Windstoß wiederkehrender Schmerz.
Ihr eigenes wimmern, fremd in ihren Ohren. Sie hört es nicht.
Ein unerträgliches Rauschen in ihrem Kopf.
Beständig prasselte der Regen auf ihr langes verfilztes Haar.
Lose hing es über ihre mageren Schultern.
Die Hände drückten sie schützend gegen ihren Bauch.
Ihre Beine waren taub. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und erfüllte sie mit einem Rest an Wärme.
Und dann geschah es. Ihr Herz zerbrach in tausend Teile.
Ein so furchtbarer Schmerz, das sie sich krümmte. Jammernd umschlang sie ihre Knie, ihr Gesicht auf ihren nassen Mantel gelehnt.
Und mit dem letzten Funken Kraft, erhob sie sich und stieß sich ab.
Mit einem lächeln auf den Lippen und ausgebreiteten Armen stürzte sie hinab.
Und als die Wolken aufbrachen, fiel ein Sonnenstrahl auf ihr liebliches Gesicht. Ein Tropfen Blut rann über ihre leicht geöffneten Lippen. Und ihr letzter Atemzug verband sich mit dem süßen Duft des Herbstwindes, um ihn mit ihm davon zu tragen.

Das Dunkel der Nacht umgibt mich wie ein Schleier.
Die Kälte schnürt mich ein.
Erst wenn der Tag anbricht, löst das Licht meine Fesseln.
Meine Seele schwebt aus meinem leblosen Körper.
Die Wärme schleicht in mein Herz und wenn ich dann die
Augen öffne wird die Sonne dein Gesicht tragen,
Für immer.

1 Jahr zuvor

\"Lisette! Beeil dich. Tom fährt sonst ohne dich und du willst doch nicht zu spät zur Schule kommen..\" Alisa klopfte zum dritten mal an diesem Morgen an die Tür ihrer Stieftochter.
\"Sage du deiner Tochter, das sie kommen soll!\" Fauchte sie ihren Mann Christopher an.
Seit geraumer Zeit versuchte er vor dem Spiegel im ersten Stock seine Krawatte zu binden. Er verzog das Gesicht und trat ein paar Schritte zur Tür seiner Tochter.
Dabei versuchte er den Finger wieder aus dem Knoten zu ziehen.
Er klopfte gegen die Tür und lauschte.
Leise tribbelten Füße zur Tür, ein Schlüssel drehte sich im Schloss und kurz darauf öffnete sich die Zimmertür.
Lisettes blonder Schopf und ihre grünen Augen lugten durch den schmalen Spalt.
Unschuldig fragte sie \"Was ist los Papa?\"
\"Es wird Zeit, das du zur Schule gehst! Und um Himmels Willen, schließe deine Tür nicht ab!\"
Sie nuschelte \"Komme schon \" und schloss die Tür.
Schultern zuckend verließ ihr Vater sie und stieg die schmalen Treppen des Hauses hinunter.
Alisa lies die Essensreste des Frühstücks in den Mülleimer fallen.
\"Was ist jetzt mit dem Mädchen?\" Fragte sie.
\"Kommt schon!\" Sagte er missmutig und vergrub sich sogleich hinter seiner Zeitung um jedwedem Streit aus dem Wege zu gehen.
\"Ich möchte wissen, warum sie das jeden Morgen macht!\"
Krachend stellte sie die Teller in die Spüle.
\"Wo bleibt die Kröte nun?\" Tom tippte mit den Fingerkuppen entnervt auf die Tischplatte. Den letzten Schluck Kaffee aus seiner Tasse schlürfte er laut hinunter und erntete dafür einen bösen Blick seiner Mutter.
\"Wenn das so weiter geht, lasse ich sie mit dem Bus fahren.\" Drohte er \"Hab keine Lust ständig auf die Göre zu warten.\"
Seine Mutter zischte ihm zu \"Also Tom, ich bitte dich! Du willst das Kind doch nicht mit dm Bus fahren lassen. Wo doch der ganze Abschaum der A
Nachbarschaft drinnen sitzt.
\"Hey, ein Teil von denen sind mit mir befreundet \" beschwerte er sich.
\"Feine Freunde.\" Flüsterte Alisa. Nur Saufen und Party im Kopf den ganzen lieben langen Tag.\"
Tom lachte frech \"Was sonst tun in diesem langweiligen Dorf!\"
Lisette schlenderte durch den langen kalten Flur der zur Küche führte. Sie drehte an ihren Haaren. Das Licht fiel nur spärlich durch die kleine Luke, der rest fetzten warmes Hell
Trat durch die Küchentür. Einen Moment verharrte sie um dem Gespräch der Familie zu lauschen. Und um noch ein paar Minuten ins Land ziehen zu lassen, um ihren Bruder zu ärgern.
Dann schlenderte sie zur Tür hinein, als wäre nichts gewesen und griff sich ihr Pausenbrot vom Tisch.
\"Na was ist jetzt?\" Schnippisch blickte sie zu Tom \"Kommst du nun, oder muss ich noch länger warten!\"
Laut stöhnend vertrete er die Augen und erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl.
Hinter ihr schloss er die Tür zum Hintergarten.
\"Geht das nicht mal schneller!\" Fauchte Tom und verpasste ihr einen Stoß an die Schulter.
\"Hey, was soll das!\" Herrschte sie ihn an.
Frech lachte er ihr ins empörte Gesicht und kaute laut auf seinem Kaugummi.
\"Was denn?\" Fragte er unschuldig und stolperte an ihr vorbei, um die Wagentüre zu öffnen.
Lisette schmunzelte. Er hatte wohl eine ganze Packung Haargel gebraucht. Was seinem dunklen Haar einen unnatürlichen Glanz verlieh.
Sie schüttelte still den Kopf.
Lässig setzte er sich hinters Steuer. Lisette setzte sich widerstrebend neben ihn. Das alte Auto seines Großvaters zerfiel fast in seine Einzelteile und er chauffierte es, als wäre es ein nagelneuer Mercedes.
\"Manchmal bist du mir echt peinlich, weißt du das?\" Sagte er und Starrtete das Auto.
\"Du mir erst!\" Gab sie empört zurück. \"Schlimm genug, das wir zusammen leben müssen.\"
Tom streckte ihr die Zunge hinaus.
Seit ihrem fünften Lebensjahr lebte Lisette bei ihrem Vater. Nach der Scheidung ging er die zweite Ehe mit Alisa ein.
Sie brachte den zwei Jahre älteren Tom mit in die Ehe. Die Straße ihres Viertels zog an dem schmutzigen Fenster vorbei und bei jedem Schalten heulte der Motor laut auf. Es war Frühling. Lisette liebte ihn, trotz der manchmal noch kalten Tage.
Den Sommer verbrachte sie bei ihrer Mutter in Paris. Von Toms Vater hatte sie noch nie etwas gehört und nie danach gefragt.
Obwohl beide zusammen aufwuchsen, war ihr Verhältnis nicht gut zueinander. Tom war egoistisch und überheblich. Er lies keine Gelegenheit aus sie zu ärgern.
Noch heute versuchte er alles um seine Stiefschwester zu verletzten.
Er schaute sie kurz von der Seite an. Die kleine schmale Nase, fein geschwungene Gesichtszüge, ihr helles langes Haar.
Sie tanzte ihm als kleines Mädchen durch den Kopf. In ihren hübschen Rüschenkleidchen und den Schleifen im Haar. Ihre Puppe unter dem Arm. Selbst wenn er sie nur anfasste, begann sie lauthals zu schreien.
Heute eine der besten Schülerinnen ihres Jahrgangs. Wenngleich nicht wirklich beliebt. Tom lächelte. Er war es. Bekannt, beliebt, geschätzt.
Seinen großen schlanken Körper hielt er gebeugt. Innerlich war es ihm peinlich, das er seine Mitschüler schon lange überragte.
Lisette liebte Ballett. Sie besuchte schon viele Jahre eine Schule. Er hatte sie noch nie tanzen sehen. Warum auch? Es nervte ihn, wenn sie ihre klassische Musik auflegte und gutgelaunt dazu summte. Manchmal blieb er vor ihrer Zimmertür stehen und lauschte leise mit geschlossenen Augen. Niemand durfte ihn sehen, bevor er zurück in sein Zimmer schlich um seine üblichen Rock CDs anzumachen um damit Lisettes Musik zu übertönen, was für gewöhnlich zu starkem Klopfen ihrerseits an seiner Tür verursachte.
Während Lisette ihre Freizeit eher zu Hause fristete, verbrachte Tom sie mit freunden. Bis spät in die Nacht sah und hörte man nicht von ihm.
Lisette fragte sich manchmal insgeheim, wie er so das Abitur, das diesen Sommer anstatt, bestehen sollte.
Tom strich sein dunkles Haar aus den Wasserblauen Augen und drehte am Radioknopf. Leise dudelte irgendein Rocksong aus den fiel zu kleinen Lautsprechern. Tom wirte mit seinem Kopf zu dem Takt und seine Fingerkuppen tribbelte an das alte Leder des großen Lenkrades.
Lisette sprach nicht mit ihm. Sie hatten sich nichts zu sagen. Er lebte in einer vollkommen anderen Welt und auch wenn sie eine Familie waren, fühlte sie nicht so.
\"Wie lange hast du Schule heute?\" Fragte er vollkommen überraschend und Lisette brauchte erst einen Moment um sich zu sammeln.
\"Bis drei.\" Sagte sie dann schließlich und kratzte sich am Hals.
\"Prima!\" Er verzog die Mundwinkel \"Muss ich dich auch noch mit zurück nehmen!\"
Das übliche Gestöhne. Lisette überhörte es. Es gab nur diesen einen Trumpf den sie gegen ihn hatte. Er musste sie zur Schule bringen und auch mit zurücknehme, sonst würde seine Mutter ihm die Hölle heiß machen. Und schon jetzt beschloss sie extra zu Trödeln, um ihn zu verärgern.
Der Parkplatz gleich vor dem Schulgebäude, wie immer überfüllt. Sie mussten ein ganzes Stück weiter hinten parken und Lisette verpasste nicht Tom deswegen aufzuziehen.
´Wenn auch widerspenstig gingen beide den Weg gemeinsam zum Schultor.
Die Glocke hatte zum erstenmal geläutet. Beim zweiten mal müsste sie in der Klasse sein.
\"Tom altes Haus!\" Lisette schreckte zusammen. Sie drehte sich nach ihrem Bruder um.
Hinter ihr standen Tom und Andre in eine Umarmung vertieft. Lisette schnaufte. Sie kannte den Freund ihres Bruders zu gut.
Ein unverbesserlicher Möchtegern. Mit reichen Eltern und einem Ego, das gut zu Toms passte.
Die Erde hätte sich falsch herum drehen müssen, wären diese beiden keine Freunde gewesen.
Die letzten sechs Monate hatte Andre in einer Besserungsanstalt für Jugendliche Straftäter verbracht. Unmöglich für Lisette zu glauben, das er das Stehlen bei solch reichen Eltern nötig hatte. Doch er schien es nur als Zeitvertreib zu betreiben.
Andre drückte Tom fest an sich \"man, gut dich zu sehen!\"
\"Warum hast du mich nicht angerufen?\" Fragte Tom empört.
Andre zuckte mit den Schultern \"wollte dein dummes Gesicht sehen!\"
Tom lachte herzhaft und zog Andre mit sich.
\"Hallo Lisette!\" Andre wandte seine blauen Augen auf Lisette, die etwas Abseits gestanden hatte und jetzt bereute nicht bereits voraus gegangen zu sein.
Er strich ihr sachte über die Schulter. Lisette stieß seine Hand fort und schickte sich ans gehen.
Genau wie Tom kannte sie ihn von Kindesbeinen an. Hatte Tom einen bösen Scherz mit ihr getrieben, konnte sie sicher sein das Andre ihn ausgeheckt hatte.
Das sie Tom nicht bei ihren krummen Machenschaften erwischt hatten war Lisette ein Rätsel.
Sie verabschiedete sich nicht und drehte sich auch nicht Nocheinmahl zu den Jungs um. Blindlings eilte sie auf den Schulflur zu.
\"Was ist denn mit Lisette passiert?\" Fragte Andre und rieb sich die Stirn.
\"Ist ja richtig niedlich geworden.\"
Tom verschluckte sich fast an seiner Spucke und hustete heftig.
\"Man, was haben die mit dir gemacht!\" Sagte er empört und musterte Andre genau.
\"Lisette! Wenn du nicht pünktlich bist fahre ich ohne dich!\" Schrie er ihr schließlich hinterher.
Lisette hob nur abschätzend ihre Hand.
\"Ich nehme dich gerne mit!\" Brüllte auch Andre.
Blitzschnell drehte Lisette sich zu ihm um und rief \"Du kannst mich mal!\"

Die Schulglocke vibrierte ihr noch in den Ohren als sie schon längst verstummt war.
Ihre Schritte hallten in dem hohen Korridor wieder. Der Ausgang war nah und schon passierte sie ihn.
Tief zog sie die frische, nach Flieder duftende Luft, ein und genoss für den Augenblick.
Langsam spazierte sie zu dem Auto ihres Bruders. Sie hoffte er würde bereits auf sie warten und seine übliche Show abziehen, doch sie hatte ihn nicht entdecken können. Innerlich ärgerte sie sich darüber und lehnte sich gedankenverloren an die Beifahrertür.
Sicher würde er wieder irgendeinem Rock nachlaufen. Typisch für ihn. Lisette schürzte die Lippen.
\"Hallo Lisette.\" Andre sprang hinter dem Auto vor und erschreckte sie fast zu Tode. Sein langes blondes Haar hing ihm wild ins Gesicht. Er musste es mehrfach zur Seite schieben, um sie genau ansehen zu können.
Lisette versuchte sich zu sammeln und sich nicht vor ihm die Blöße zu geben.
\"Was Hey?\" Fragte sie gespielt cool.
\"Wie geht’s dir?\" Fragte er übertrieben freundlich und machte einen Knicks vor ihr.
\"Warum interessiert dich das? Und wo ist eigentlich Tom, der klebt doch sonst an dir wie ein Kaugummi!\"
\"Sagen wir es mal so \", er lehnt sich neben sie ans Auto \" Er hatte mehr Interesse and er letzten Stunde als ich.\"
Lisette drehte sich demonstrative von ihm weg.
\"Mein Angebot von heute Morgen steht noch.\" Er tippte ihr auf die Schulter.
\"Du denkst doch nicht ernsthaft...\" begann sie schnippisch, doch dann konnte sie Tom ausmachen und wendete sich plötzlich freundlich an Andre.
\"Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, warum eigentlich nicht.\"
Andre lächelte sie siegerisch \"Na dann Madame. Ihr Porsche steht bereit.\" Lisette warf noch einen Blick in Toms Richtung, um sicher zu gehen, das er sie wirklich sah und folgte dann mit hoch erhobener Nase Andre.
Das mulmige Gefühl, er würde ihr die Hölle heiß machen, wenn sie erst zu Hause waren, unterdrückte sie und stieg zu Andre ins Auto.
Tom musterte das Schauspiel mit aufsteigendem Zorn und fluchte lauthals. Doch Lisette verstand es nicht. Andre hatte die Musik zu laut gestellt und winkte seinem Freund unverschämt zu.
Der Wagen setzte sich in Bewegung und lies ihren wütenden Bruder zurück.
Lisette lächelte. Ein gutes Gefühl, bis jetzt.

\"War mir eine Freunde dich mitzunehmen!\" Sagte Andre und stellte den Motor ab.
Ruhig lag der Vorgarten ihrs Hauses da. Ein paar Blumen schmückten den Weg und blühten in den verschiedensten Farben. Die Luft war warm und legte sich leicht um ihre haut. Sie schloss für einen Moment die Augen und überblickte dann ihre Straße.
Ein wundervolles kleines Viertel, Abgelegen von der eh sehr kleinen Stadtmitte. Die Vorgärten hier waren gepflegt, die Autos stets geputzt und natürlich grüßte man jeden Nachbarn
Freundlich.
\"Ja Klar.\" Sagte sie beiläufig und lies Nocheinmahl ihren Blick über die Straße gleiten.
\"Vielleicht gibt’s du mir deine Handynummer?\" Fragte er freundlich und das ehrliche Lächeln auf seinem Gesicht verblüffte Lisette.
\"Und vielleicht tue ich das ni...\" begann sie abzuwehren. Dann sah sie den Wagen ihres Bruder mit quietschenden Reifen um die Kurve rauschen. Sie setzte sich ein gespieltes Lächeln auf und zückte einen Stift. \"Vielleicht tue ich das sofort!\" Sie kritzelte ihre Nummer auf ein Stück Kaugummipapier und reichte es mit großer Gestik Andre.
Sie wusste das würde Tom noch einen weiteren Stich versetzen und gerade erst kam sie in Stimmung.
Noch bevor Tom wutentbrannt aus seinem Auto gestolpert war, hatte sie die Tür von Andres geschlossen und rannte auf die Eingangstür zu. Nur den Knopf erreichen, ehe er sie einhatte.
Und beten, das Alisa zu Hause war. Sonst würde sie ein Donnerwetter erleben und das würde ihr derzeitiges Triumphgefühl rapide zerstören.
Tom fauchte Andre noch etwas zu, ehe er auf Lisette zustampfte.
Er schaffte es erst sie im Korridor abzufangen. Polternd sprang die Tür hinter ihm ins Schloss.
\"Sag mal spinnst du!\" Herrschte er sie an.
\"Nein! Du?\" Sie stieg die ersten paar Stufen hinauf.
Tom zog sie an ihrer Tasche wieder ein paar Stufen hinunter, und sie musste kräftig mit den Armen rudern, um nicht zu stürzen. Dann wirbelte sie herum und schlug auf Tom ein.
\"Geht’s dir noch gut oder was!\" Brüllte sie ihn an und traf ihn schmerzhaft an Schulter und Armen.
\"Du solltest auf mich warten!\" Brüllte er zurück.
\"Ist doch nicht meine Schuld, wenn du nicht pünktlich bist!\" Sie riss sich los. Schneller als ihr lieb war, hatte er sie erneut and en Schultern gepackt. Sein Griff war hart und schmerzte.
\"Wenn ich nicht gesehen hätte, das du in Andres Auto gestiegen bist, hätte ich dich womöglich suchen müssen.\"
Lisette versuchte sich loszureißen \"Das ist mir egal!\"
Als es ihr gelang stürzte sie die schmale Treppe hinauf und lies die Tür ihres Zimmers lautstark ins Schloss fallen.

Stillschweigend stocherten Tom und Lisette in ihrem Abendessen.
Christopher und Alisa schauten sich fragend an.
Lisettes Vater schob sich seine Gabel in den Mund und hob ratlos die Schultern.
\"Was ist eigentlich los mit euch?\" Fragte sie schließlich.
\"Nichts!\" Antwortete Tom finster und sah nicht vom Teller auf.
\"Lisette?\" Alisa blickte das Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen, eindringlich an.
\"Nichts!\" ´Gab auch sie zur Antwort und musste ein tiefes Schnaufen ihrer Stiefmutter in Kauf nehmen.
\"Irgendetwas muss doch gewesen sein, sonst seit ihr nicht so still!\"
Sie zwickte ihre Augen zusammen, um irgendetwas in den Gesichtern ihrer Kinder zu lesen, doch es gelang ihr nicht.
\"Wenn du es unbedingt wissen möchtest, Mutter!\" Sagte Tom finster. \"Lisette ist heute nach der Schule nicht mit mir, sondern mit einem Anderen nach Hause gefahren. Und \"fügte er hinzu \"Sie hat mir nicht Bescheid gesagt!\"
Lisette schaute böse zu ihm hinüber. \"Der Andere ist ein Kumpel von dir gewesen!\" Verteidigte sie sich.
\"Aber Lisette!\" Alisa blickte sie empört an \" DU weißt doch, das du nicht mit Fremden mitfahren sollst!\"
\"Es war doch kein Fremder!\" Verteidigte sie sich erneut.
\"Trotzdem Lisette!\" Ihr Vater lies das Besteck neben dem Teller fallen und blickte sie an.
\"ES ist zu gefährlich mit Fremden zu fahren, darum möchten wir, das Tom dich mitnimmt!\"
\"Es war kein Fremder, wie oft denn noch!\" Schrie sie ihn an und als sie vom Tisch aufsprang, spürte sie eine Woge von Wut, die langsam ihren Nacken hinauf kroch. Sie hasste Tom mehr als zuvor und hätte ihm am liebsten ihr Essen ins Gesicht geworfen.
\"Deswegen musst du nicht laut werden. \"Ermahnte sie Christopher.
\"Das ist Wiedermahl typisch, das du zu Tom hältst!\" Brüllte sie.
\"Vielleicht hast du vergessen, das ich deine Tochter bin!\"
Christopher erhob sich langsam vom Tisch. \"Du solltest nicht vergessen, das ich dein Vater bin und du deinen Tonfall mäßigen solltest!\"
Tom lächelte lautlos vor sich hin und stocherte auf seinem Teller herum ohne aufzublicken.
Lisette spürte wie ihr kalt die Tränen in die Augen stiegen.
\"Bitte, ihr beiden, lasst und vernünftig reden\", bat Alisa und griff nach der Hand ihres Mannes.
Doch Lisette sprang hinter dem Tisch vor und brüllte ihren Vater weiter unverholten an.
\"Mir reicht es hier! Ich ziehe zu Mama!\"
Damit rannte sie polternd aus der Küche.
Sie zerrte ihre Jacke von der Flurgarderobe und schwang sie sich über.
Vor dem Haus stand ihr Fahrrad. Schwungvoll schwang sie sich auf den Sattel und trat in die Pedale.
Wie wild radelte sie die dunkel Straße hinunter.
Die Tränen vernebelten ihren Blick, so das sie sich regelmäßig die Augen mit ihrem Ärmel abwischen musste.
In der letzten Kurve stürzte sie fast zu Boden.
Der dunkle unbeleuchtete Feldweg lag vor ihr. Nach einem Stück Feldeinwerts stieg sie von ihrem Gefährt und lies es sachte ins Gras fallen.
Der kleine See vor ihr, erhob sich im Schein des Mondes majestätisch und zeigte sich täuschend größer als er bei Tageslicht war.
Die stille Wasseroberfläche wallte sich nur leise zu kleinen Wellen, die fast lautlos ans Ufer rollten.
Langsam ging sie zum schlammigen Ufer.Die frierender Hände tief in ihre Jackentaschen vergraben, blieb sie stehen und schaute zum Himmel hianuf.
Er war übersät mit funkelten Sternen. Instinktiv begann sie zu zählen und vergaß es wieder.
Die Tränen liefen ihr über die heißen Wangen. Nocheinmal zog sie ihren Ärmel über die Augen.
Sie glaubte fest daran, das genau in diesem Moment irgendwo auf der Erde, ein anderer Mensch in die Sterne blickte, der ihr vollkommen ähnlich war und der sie verstehen könnte.
Der so fühlte und lachte wie sie.
Unverstanden von der Welt, wie sie es war.
Das bekannte Gefühl der Einsamkeit beschlich sie.
Und als die Vernunft wieder zu ihr zurück kehrte, stieg sie auf ihr Rad und machte sich auf dem Heim weg.

Das Sternenlicht spiegelte sich in den großen Fensterscheiben. Tom lag auf seinem Bett und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
Zum hundertstenmal begann er die Sterne zu zählen, die so friedlich auf sein Gesicht schienen.
Die Wut über seine Schwester brodelte noch in ihm und gleichzeitig erfüllte ihn Genugtuung, das er sie bloßgestellt hatte.
Womöglich hätte er nach der Schule ewig auf sie gewartet.
Warum gerade Andre!
Das er Interesse an Lisette zu haben schien störte ihn. Er verstand es nicht.
Sie war einfach nur eine kleine Nervensäge, wie immer.
Tom hörte leise die Haustür in schloss fallen. Lisette musste zurück sein. Ein Lächeln trat auf seine Lippen. Sie würde bestraft werden, dessen war er sich sicher.
Erneut hörte er Schritte auf der Treppen und die Stimme seines Stiefvaters.

\"Lisette ! Öffne die Tür !\" Christopher klopfte gegen die Tür seiner Tochter.
Erst nach einer Weile öffnete sie sich langsam \"Was ist ?\" Lisette kaute auf ihren Fingernägeln und blickte ihren Vater nicht ins Gesicht. \"Du kannst nicht einfach so mir nichts dir nichts aus dem haus stürmen !\"
Sie lehnte sich an den Türrahmen und lies ihre gekauten Fingernägel in der Hosentasche verschwinden.
\"Tut mir leid,\" sagte sie, ohne es wirklich ehrlich zu meinen.
Er schaute seine Tochter misstrauisch an \"Wenn du wirklich zu deiner Mutter ziehen willst, dann spreche am besten in den Ferien mit ihr darüber.\"
Lisette schaute ihren Vater überrascht an \"Vielleicht.\"
\"Trotzdem muss ich dir Hausarrest geben. Eine Woche dürfte wohl genügen.\" Er drehte sich um, ohne noch etwas zu sagen und verlies den Korridor.
Tom öffnete leise seine Zimmertür und lächelte sie provokative an.
Nicht ohne ihm einen bösen Blick zuzuwerfen ,schlug sie ihre Tür hinter sich zu.
Wütend lies sie sich auf ihr Bett fallen und starrte zur Decke.
Seit der neuen Hochzeit vor 10 Jahren hatte sich alles verändert.
Ihre Mutter war einfach nach Paris gegangen und hatte sie im Stich gelassen. Aus heiterem Himmel. Sie hatte ihren Vater verlassen und ihrer Vergangenheit den Rücken zu gewandt. Doch auch Lisette gehörte zu dieser Vergangenheit. Lisette wollte nicht wirklich zu ihrer Mutter ziehen, doch sie wusste ihren Vater damit zu verletzten.
Alisa hatte sich bemüht ihr eine Freundin zu sein. Doch sie blieb die fremde zweite Frau.
Nur Lisette und ihr Vater waren Familie für sie, Tom nur ein notwendiges Übel und mal ehrlich wer wenn nicht Alisa würde die Wäsche Machen ?
Ihre Gedanken schwangen um ihren Vater. Er war bereits mitte fünfzig. Dicke Falten hatten sich unter seine braunen Augen gegraben. Sein dunkles Haar wurde lichter und sein Bauch umfasste von Jahr zu Jahr größere Umfänge. Aber er war lieb und einfühlsam. Er liebte Lisette von ganzem Herzen und zeigte es ihr. Plötzlich überkam sie ein schlechtes Gewissen. Er hatte es schwer in seiner Firma. Jeden Tag ging er früh zur Arbeit und kam erst am Abend nach Hause. Nach seiner Zeit als Berufssoldat war er ins Versicherungsgeschäft eingestiegen. \"Solide Lisette !\" Pflegte er zu sagen \"Die Leute Versichern sich gegen alles !\" Sie schmunzelte, er hatte recht.
Als ihr Handy leise vibrierte, erschrak sie. Niemand rief sie je an.
Zögernd ging sie ran \"Hallo ?\"
\"Hallo Lisette. Hier spricht Andre!\"
Mit einem Schwung setzte sie sich auf. Sie hatte ganz vergessen, das sie ihm ihre Handynummer gegeben hatte und bereute es. Ein Unwohles Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit.
\"Wie gehts ´dir ?\" Fragte er.
Besser wenn ich die Zeit zurück drehen könnte ,und nicht in deinen Wagen gestiegen wäre.... .
Dachte sie, doch verschwieg es. Es lag pelzig auf ihrer Zunge und lies sich nur schwer herunter schlucken,.
\"Was willst du ?\"
Andre lachte \"Ich liebe es ,wenn du zickig bist !\"
Lisette stöhnte \"Komm zur Sache, ich bin müde und du trägst einen gehörigen Teil dazu bei !\"
\"Schon gut \" Beruhigte er sie \"Bei mir steigt am Samstag eine Party und ich wollte dich einladen.\"
Überrascht erhob sie sich von ihrem Bett und wanderte ín ihrem Zimmer umher.
\"Ist das ein Scherz ,oder was ?\"
\"Ganz und gar nicht !\" Verteidigte er sich glaubhaft.
Eine wunderbare Gelegenheit Tom zu ärgern und Lisette trat augenblicklich ein Lächeln auf die Lippen.\" OK ! Wann soll ich da sein ?\" Sagte sie schließlich.
\"Komm mit Tom, ich sage ihm bescheid.\"
\"Klingt gut, bis dann !\" Sie legte auf und plötzlich schlug ihr Herz in den höchsten Tönen und das flaue Gefühl im Magen war verschwunden. Jetzt konnte sie Tom treffen, wo es ihm am meisten wehtat- in seinem Privatleben !

\"Bist du eigentlich total bescheuert !\" Lautstark fegte Tom hinter Lisette die Treppe hinunter.
\"Wie oft denn noch. Ich bin nicht DU !\" Konterte sie sofort und erwartete dafür ein Donnerwetter.
\"Was ist denn hier schon wieder los ?\" versuchte Christopher die beiden zu übertönen. Er kaute genüsslich an einem Keks und betrachtete seinen Bauch im großen Korridorspiegel.
\"Lisette denkt, das sie am Samstag mit mir auf eine Party gehen kann !\"
\"Oh\", erstaunt musterte Christopher seine Tochter.
\"Ich wurde eingeladen ! Von Toms Schulfreund Andre.\" Lisette hob die Augenbrauen.
\"Er hat dich eingeladen ?\" Fragte ihr Vater nach .Lisette nickte. \"Das ist ja wunderbar. Deine erste Feier !\"
Sie strich ihm liebevoll über die Schulter \"Richtig, aber dafür müsstest du mein Hausverbot aufheben !\" Sie rollte mit ihren grünen Augen \"Bitte Papa.\"
\"Das glaube ich ja nicht ! Ihr glaubt doch wohl nicht im ernst, das ich die mitnehme !\" Wetterte Tom und hätte ihr am liebsten den Hals umgedreht.
\"Aber warum denn nicht, so kannst du ein bisschen auf das Mädchen aufpassen.\"
Er trat etwas näher an Tom heran \"Um ehrlich zu sein, haben wir uns schon Sorgen um Lisettes Soziale Kontakte gemacht. Das wäre doch eine Gelegenheit für sie Anschluss zu finden.\"
\"Aber nicht in meiner Clique !\" Brüllte er und funkelte Lisette an.
\"Hab dich nicht so, das wird dich schon nicht umbringen !\" Herrschte Lisettes Vater und wandte sich seiner Tochter zu \"Abgemacht, du darfst gehen ,dafür musst du mir aber am Sonntag beim Auto waschen helfen.\"
Lisette strahlte über beide Wangen und nickte erfreut.
Christopher legte noch einmal die Hand auf Toms Schulter \"Wirklich toll von dir. Hast was gut bei mir.\"
\"Wir zwei sind noch nicht fertig !\",fauchte er Lisette zu als ihr Vater in der Küche verschwunden war und poltere aus dem Haus.
 



 
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