Liebesgeschichte

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mugwump

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[ 4]Ann war im Grunde genommen eine nettes Mädchen. Das war auch schon so ziemlich der einzige Vorwurf, den er ihr machen konnte. Sie war nachgiebig wie ein Gras im Wind, sie trug ein strahlendes Lächeln vor sich her, dass durch beinah nichts zu erschüttern war. Bereits am zweiten Abend, an dem sie miteinander ausgegangen waren, hatte sie ihn gefragt, was er denn gerne isst. “Ich könnte ja mal was für uns kochen.”

[ 4]Klaglos ertrug sie seine immer zahlreicher werdenden Wutausbrüchen, die sich an unbedeutenden Details ihres Zusammenlebens entfachten: Dem Umstand, dass sie abends mit dem Essen auf ihn gewartet hatte, während er noch im Büro auf einer Krisensitzung geblieben war; seine Hose, die sie vom Boden aufgehoben und über eine Stuhllehne zusammengelegt hatte; seine Uhr, die sie auf dem Nachttisch hat liegen sehen und auf die richtige Zeit gestellt hatte. Er warf ihr diese Akte ihrer Liebe, die sich in ihr als eine nicht enden wollende Sorge um das geliebte Wesen äußerten, als eine unerträgliche Einmischung in sein privatestes Leben vor. Er beschmipfte sie wüst, verglich sie mit seiner Mutter. Immer öfter raste er nach einem solchen unwichtigen Streit wutschnaubend aus der Wohnung, nur um einige Stunden später angetrunken wiederzukehren, sich in das gemeinsame Bett zu schleichen und dort, in das schattige Dreieck gelehnt, das ihr schmaler Hals und die blasse Schulter bildeten, einzuschlafen, während er noch Worte der Vergebung und einer vagen Liebe murmelte.

[ 4]Seine Wutanfälle gingen über sie hinweg wie ein heftiger Wind über einen See. Die Oberfläche ihres Gesichts kräuselten sich von einer rasch heranziehenden Traurigkeit, in den Winkeln ihrer Augen sammelten sich Schatten, ihr Mund wurde schmal und verschloss ihre Angst, ihn zu verlieren. Seine Wut ließ rasch nach, ermattet von ihrem Mangel an Gegenwehr, ihrer Weigerung, sich zu verteidigen und seinen Beschimpfungen etwas entgegenzusetzen, und wenn er dann stiller wurde, leer und müde von soviel unnützer Bewegung, glättete sich auch ihr Gesicht wieder. Ganz ruhig lag es unter seinem Blick und diese Episoden schienen nur gut dazu zu sein, sie ihm mit noch größerer Zärtlichkeit und Fürsorge anzuschließen. Und je größer ihre Liebe zu ihm wurde, desto unerträglicher wurde ihm ihr Verhältnis.

[ 4]Dennoch tat er sich mit der Trennung von ihr schwer: Sie war sehr hübsch. Hinzu kam, dass sie ihn in diesen Momenten, in denen er den Tyrannen mimte, auf eine Art von unten her verschüchtert ansah, die ihn Angst um sie bekommen ließ, so wie man um ein kleines Kind Angst bekommt, dass ganz allein einem wilden Tier gegenüber steht.

[ 4]Sie liebte ihn offenbar in Kenntnis und trotz des Umstandes, dass er sie überhaupt nicht liebte und mit der offenkundigen Absicht, an dieser Liebe unglücklich zu werden.
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo mugwump,

gut beobachtet und formuliert, aber hier fehlt mir die Geschichte drumherum.
Und aus Männersicht wäre das bestimmt eine sehr spannende Geschichte, denn der Mann muss ja für sich den Konflikt auflösen, den Anteil des 'Tieres' in sich, dass da sein Unwesen treibt, als 'gesund' akzeptieren, und den 'Ritter', der das Mägdelein vor sich selbst beschützen will, in seine Grenzen verweisen.
Hat was von einer Ko-Abhängigkeit, und im Idealfall endet das mit Streit und Tränen, im schlimmsten mit einer Bluttat.
Ich würde mir wünschen, dass er die 'Kurve kriegt', bevor nicht wieder gut zu machender Schaden entsteht.
Bin schon gespannt!

Liebe Grüße
Petra
 

nachts

Mitglied
Hallo Mugwump

Du hast über ein spannendes Thema geschrieben - und es ist, denk ich - gar nicht so einfach, schlüssige Begründungen darzulegen, aber ich als Leser will begreifen warum ein Paar so handelt.
Mein Eindruck ist, du könntest noch mehr rausholen, wenn du dich für eine Perspektive entscheiden würdest. Das könnte zu mehr "Tiefe" bei deinen Protagonisten führen.

Die Formulierung, den "Tyrannen mimen" bedeutet für mich eher, er spielt ihn bloß, hat darüber die Kontrolle. Meintest du das so?

Viel Spaß beim Schreiben, Gruß Nachts
 
N

no-name

Gast
Hallo mugwump,

ich mache dann mal die Textarbeit, sind ja auch nur Kleinigkeiten:
Ann war im Grunde genommen ein[strike]e[/strike] nettes Mädchen.
...,dass durch beinahe nichts zu erschüttern war.[/quote]

Klaglos ertrug sie seine immer zahlreicher werdenden Wutausbrüche[strike]n[/strike],...
Als Frau kann ich das Verhalten der von dir geschilderten Frau in deinem Text nicht nachvollziehen, ich weiß aber, dass es solche Frauen gibt... Wenn frau sich so aufgibt für einen Mann, dann muss das meiner Meinung nach zum Scheitern veruteilt sein... ,aber meine Meinung ist da natürlich kein Maßstab.

Auch ich finde deinen Text gut geschrieben und deswegen durchaus fesselnd für den Leser, trotzdem finde auch ich, dass du noch mehr aus deinem bemerkenswertem Ansatz herausholen könntest. Bitte sieh das als Ansporn.

Freundliche Grüße von no-name.
 



 
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