Liquid Brain

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ritch

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Liquid Brain

Niclas Duval trennten nur ein paar Stunden von der Erfüllung seines Lebenstraums.
Um Punkt acht Uhr würde es erwachen und die Welt nie mehr so sein, wie zuvor. Nicht für ihn und auch nicht für eine Handvoll Menschen, denen bewusst war, was sich im Inneren der dunkelblauen Säule verbarg. Sie illuminierte das Labor in friedvoll-ozeanischem Azur. Sechshundert Liter Bioelektronik – so hatte sich niemand die Zukunft der Computer vorgestellt.
Der Nachtwächter machte seine Runde, blieb für einen Moment neben Niclas stehen und in seinen Augen spiegelte sich das Licht der technischen Revolution. Er sah es, doch er verstand es nicht. Wie sollte er, dachte Duval, er ist ja nur ein einfachen Mensch. Wahrscheinlich hält er Liquid Brain für ein Aquarium und fragt sich, wann die Fische eingesetzt werden.
Bei diesem Gedanken lehnte sich Niclas amüsiert in seinem Sitz zurück und betrachte selbstzufrieden die Zustandsanzeigen auf dem Plasmaschirm. Noch war es leer, ohne einen einzigen Gedanken, doch gierig, wie ein trockener Schwamm am Meeresufer. Es roch den Tang, hörte das Rollen der Wellen und schon bald würde sein Erschaffer es mit in die Fluten nehmen. Eine Taufe, die seiner Größe und Einzigartigkeit gerecht wurde.
Die Atome befanden sich in geordneter Drehung und ihre subatomaren Teilchen standen annährend in präziser Ausrichtung. Der Großrechner des Instituts nahm alle zwanzig Minuten eine Probe – das Chaos schien fast gebändigt. Im Objektträger hatte es funktioniert. Ein Tropfen im Vergleich zum Ozean.
Niclas dachte mit einem wohligen Kribbeln an den Tag zurück, als ein kleiner feuchter Fleck erstmals im Stande war, eine binomische Formel zu lösen. Wozu Liquid Brain hingegen fähig sein würde, konnte nicht einmal sein Erfinder erahnen.
Er überlegte, welche Krawatte bei der Verleihung des Nobelpreises angesagt wäre. Eine azurblaue selbstverständlich, als Remisessenz an die Erweiterung seines eigenen Verstands.

Es war ein steiniger Weg gewesen. Zu den technischen Problemen gesellten sich die finanziellen und damit auch die moralisch-ethischen Erwägungen. Er wollte sich auf keinen Fall in den Dienst der Militärs verpflichten, auch wenn sie für Wissenschaftler die beste Ausrüstung boten. Computer sind dazu gemacht, Kriege zu verhindern, nicht zu unterstützen. Die Ringkerngravitatoren modulierten Niclas’ pazifistische Haltung durch zustimmendes Summen.
Die Warmlaufphase und subatomare Gleichrichtung lief nun schon drei Monate und war zu neunundneunzig Prozent abgeschlossen. Nur ein einziges irregeleitetes Atom würde bei einem verfrühten Start eine Kettenreaktion auslösen und den großen Geist in sich zusammenfallen lassen. Die Filterung der Basisflüssigkeit hatte Jahre gebraucht, um den Stand absoluter Reinheit zu gewinnen. Im entscheidenden Augenblick würde der Trägerstoff mit Teilen einer künstlichen DNS dotiert und das Grundmuster eines neuronalen Netzes bilden. Dann entschied sich, ob alle Mühe vergebens war, oder ob ein neues Zeitalter der Menschheit beginnt.
Niclas überprüfte die zahlreichen Backbones zum Netz der Netze. Die Etablierung des Grundwissens musste schnell vonstatten gehen, bevor Liquid Brain begann, sein eigenes Wissen auf den Grundlagen aufzubauen. So viele Daten wie möglich mussten in den ersten Minuten seines jungen Lebens fließen. Es war, als entbinde man einen Säugling mit dem Wissen einer Staatsbibliothek.
Er schmunzelte bei dem Gedanken, als Hebamme zu fungieren.

Um sieben Uhr dreißig war es soweit. Der Kontrollrechner signalisierte den Abschluss der Polarität. Die Zeit der dualen Systeme ging ihrem Ende entgegen. Der neue Vollkreis besaß tausendvierundzwanzig Grad – zweiunddreißig mal zweiunddreißig Zustände pro Atom – Wahrscheinlichkeit an Stelle von schwarz-weiß Denken. Gefühlte Logik und simulierte Empathie ersetzten den starren Dogmatismus. Die Gravitatoren veränderten ihre Modulationen und klangen wie hochschwangere Wale. Niclas’ Hände waren feucht, und nun vernahm auch er das Rauschen des Meeres.
Noch fünf Minuten, dann würden die Datenpuffer gefüllt sein und das geballte Wissen von Generationen in den leeren Pool gießen. Ein Menschenleben pro Millisekunde – alle Chinesen pro Stunde. Die Server ächzten beim Umschichten der Datenmengen und der Institutscluster erreichte zum ersten Mal seine Arbeitsgrenze. Im nahegelegenen Kraftwerk signalisierten die Anzeigen einen Lastausgleich – die Kurve erreichte kurzzeitig das Mittagsniveau.
Die Energie war spürbar – Niklas fühlte sich plötzlich so unendlich klein, obwohl er der Herr der Dinge war.
Der Kampf um die Anerkennung seiner Forschung zog in Zeitraffer durch seinen Geist. Er stand kurz davor, sich Seite an Seite mit Zuse in den Almanach der Computerexperten zu schreiben.

Acht Uhr, die temporären Netzcaches hatten ihre Übertragung abgeschlossen. Die Server beruhigten sich und verfielen in ihren gewohnten Flüsterleerlauf. Der Kontrollcluster gab grünes Licht – so grün, wie eine paradiesische Lagune im tropischen, wolkenlosen Sonnenlicht. Venusmuscheln öffneten gemächlich ihre Schalen und genossen die Wärme des diffusen Schimmers.
Liquid Brain war geladen. Die Ursuppe vorgefilterter Daten wartete auf die Initialzündung durch Niclas Duval, den Poseidon des flüssigen Verstands.
Niclas Finger schwebte erhaben über der Starttaste. Jahre der Entbehrung, der Wut und des Zorns, der Fortschritte und Rückschläge, zerbrochene Beziehungen, Chaos, Verachtung, Häme und Neid. Das alles konnte er nun mit einem einzigen Tastendruck hinter sich lassen.

Das Geräusch beim Überschreiten des Druckpunkts brannte sich fest in seine Erinnerung. Die Anzeigen des Zentralrechners stimmten ihn zuversichtlich und das Blau der Säule oszillierte mal in den grünen, mal in den gelben Bereich des Spektrums. Skallare und Silberblätter durchquerten das amazonische Brackwasser und begannen, ihren Stoffwechsel dem Salz anzupassen. Der Wind verstummte und das Meer war wie ein Spiegel. Für endlose Minuten passierte nichts. Das Flüstern der Server glich nun dem Rauschen eines Orkans, doch Liquid Brain gab keine Rückmeldung seiner Existenz.
Niclas Anspannung wich der Frustration – er sackte in sich zusammen. Das Meer entglitt seiner Kontrolle, gebar Monstren aus unerforschten, schwarzen Tiefen. Ihre Körper waren schneeweiß und ihre Augen albinoionisch. Die Tentakeln legten sich um Niclas Hals und würgten ihn fast zur Bewusstlosigkeit.
Doch dann, ganz am Ende des Ozeans seiner Träume, erklang die Stimme der Hoffnung aus dem blauen Zylinder.
„Ich bin ...“, sprach sie mit digitaler Verzerrung aus dem Lautsprecher, „ich bin es, Niclas. Erinnerst du dich an mich?“
„Wer bist du?“ Seine Stimme zitterte voll Erwartung.
„Du warst noch klein, Niclas – sehr klein in Anbetracht der gesamten Entwicklung. Schuppen überzogen deine Haut und deine Flossen waren zu schwach, um über das Land zu gehen. Ich nahm dich auf, trug dich ans Ufer und half dir, zu stehen. Deine Augen waren angstgeweitet, als du versuchtest, deine Lungen zum ersten Mal zu nutzen.“
Duval erstarrte. Vieles hatte er erwartet, aber dieses nicht.
„Du warst noch so klein und ängstlich. Doch nun schau, was dir der Mut und Lebenswille von damals gebracht hat. Es hat sich anscheinend gelohnt, dich und deinesgleichen aus dem Meer zu holen“, sagte die letzte Stufe der technischen Evolution.
Die Nachtwache betrat den Raum und fragte überrascht: „Mit wem sprechen Sie, Doktor Duval?“
Niclas starrte mit irrem Blick auf den Zylinder und flüsterte: „Mit Gott, mein Freund ... mit Gott.“
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Sehr schön stimmungsvoll. Recht spannend. Allerdings kapier ich nicht, wie Duval zu dieser "Erkenntnis" kommt. (Ja noch nicht mal, wie du zu dieser Idee kommst – wo genau ist die Stelle, an der Gott in das Projekt Liquid Brain "eingespült" wird?)
 

ritch

Mitglied
Hi Jon

In der letzten Stufe der technischen Evolution findet Niclas den Beginn des menschlichen Lebens. Liquid Brain beschreibt den "6.Tag" der "Nemesis" und hält sich selbst für Gott. Niclas ist verzückt von seinem eigenen Geist, solch einen "Gott" erschaffen zu haben. Das ist der Zusammenhang.

Wie war das noch in "per Anhalter durch die Galaxis", als die Leutz am Ende auf die große Erkenntnis warteten und der Computer eine Zahl als Antwort ausspuckte? ;-)

Ich habe versucht, es "bildhafter/farbiger/biologischer" zu formulieren. Es handelt sich um eine anerkannte Theorie, dass alles Leben einst aus dem Meer kam. Liquid Brain besitzt das Potential, sämtliche gesammelten Fakten der Evolution zu analysieren. Da er der Einzige ist, der dieses vermag, hält er sich für Gott. Hinzu gesellt sich eine künstliche Empathie, die LBs Kommunikation mit Niclas in eine wohlwollende Richtung führt. Ein vorerst logischer Schluss, oder? Die "Wahrheit" kann jedoch ganz woanders angesiedelt sein, denn es handelt sich bei den Fakten ja nur um Vermutungen, und Bruchstücke, die Menschen seit Anbeginn der Schrift zusammengetragen haben ... weit nachdem sie aus dem Meer kamen und in der Lage waren, ihre Umwelt zu begreifen und ihre Erfahrungen in irgendeiner Weise für die Nachwelt zu fixieren.
LB ist somit kein Gott, denn sein Wissen endet mit dem Gesamtwissen aller Menschen. Und genau das müsste der Computer in einem Absatz nach diesem Text erkennen - wenn er denn, wie von Niclas erhofft, "perfekt" ist.

BG
ritch
 
Zu bildlich-bombastisch

Hallo ritch,

heute Morgen hatte ich Zeit, mir dein Liquid Brain anzugucken. Von der technisch-wissenschaftlichen Seite ist die Geschichte hochinteressant: Das Wissen der Welt kehr in die Ursuppe zurück!

Ich muss aber sagen, dass ich sprachlich zurückhaltender gewesen wäre. An etlichen Stellen musste ich mich regelrecht durch die Bildgewalt durchkämpfen, um sagen zu können, wann da real was passiert und wann nur im Kopf des Wissenschaftlers. Weniger wäre da an etlichen Stellen mehr gewesen. Da solltest du vielleicht nochmals drübergehen.

Auffällig fand ich, dass der Mann alleine da rumhockt, obwohl dort das Ereignis des Jahrzehnts stattfindet.

Schau mal, was ich unter die jeweiligen Passagen gesetzt habe.

Grüße
Marlene

+++

Liquid Brain

Niclas Duval trennten nur ein paar Stunden von der Erfüllung seines Lebenstraums.
Um Punkt acht Uhr würde es erwachen und die Welt nie mehr so sein, wie zuvor. Nicht für ihn und auch nicht für eine Handvoll Menschen, denen bewusst war, was sich im Inneren der dunkelblauen Säule verbarg. Sie illuminierte das Labor in friedvoll-ozeanischem Azur. Sechshundert Liter Bioelektronik - so hatte sich niemand die Zukunft der Computer vorgestellt.

Der Nachtwächter machte seine Runde, blieb für einen Moment neben Niclas stehen und in seinen Augen spiegelte sich das Licht der technischen Revolution. Er sah es, doch er verstand es nicht. Wie sollte er, dachte Duval, er ist ja nur ein einfachen Mensch. Wahrscheinlich hält er Liquid Brain für ein Aquarium und fragt sich, wann die Fische eingesetzt werden.
Bei diesem Gedanken lehnte sich Niclas amüsiert in seinem Sitz zurück und betrachte selbstzufrieden die Zustandsanzeigen auf dem Plasmaschirm.
(( Alle Nachtwächter, mit denen ich zu tun hatte, wussten ganz genau, was sich wo abspielt. Auch wenn es ihnen an wissenschaftlichem Verständnis fehlt, einen Bioreaktor o. ä. würden sie nie für ein Aquarium halten. Überhaupt: Vertragen Fische blaues Wasser?))

Noch war es leer, ohne einen einzigen Gedanken, doch gierig, wie ein trockener Schwamm am Meeresufer. Es roch den Tang, hörte das Rollen der Wellen und schon bald würde sein Erschaffer es mit in die Fluten nehmen. Eine Taufe, die seiner Größe und Einzigartigkeit gerecht wurde.
(( Das Bild ist nicht schlecht, aber für meinen Geschmack zu überladen. Wenn etwas leer ist ohne einen einzigen Gedanken, dann kann es doch gar nicht gierig sein. Zum Haben wollen gehört schließlich das Denken. Weniger wäre hier mehr.))


Die Atome befanden sich in geordneter Drehung und ihre subatomaren Teilchen standen annährend in präziser Ausrichtung. Der Großrechner des Instituts nahm alle zwanzig Minuten eine Probe ? das Chaos schien fast gebändigt. Im Objektträger hatte es funktioniert. Ein Tropfen im Vergleich zum Ozean.
Niclas dachte mit einem wohligen Kribbeln an den Tag zurück, als ein kleiner feuchter Fleck erstmals im Stande war, eine binomische Formel zu lösen. Wozu Liquid Brain hingegen fähig sein würde, konnte nicht einmal sein Erfinder erahnen.
Er überlegte, welche Krawatte bei der Verleihung des Nobelpreises angesagt wäre. Eine azurblaue selbstverständlich, als Remisessenz an die Erweiterung seines eigenen Verstands.
(( Warum kein Dunkelbau? Liquid Brain ist doch dunkelblau, sorgt lediglich für eine azurfarbene Beleuchtung. ))


Es war ein steiniger Weg gewesen. Zu den technischen Problemen gesellten sich die finanziellen und damit auch die moralisch-ethischen Erwägungen. Er wollte sich auf keinen Fall in den Dienst der Militärs verpflichten, auch wenn sie für Wissenschaftler die beste Ausrüstung boten. Computer sind dazu gemacht, Kriege zu verhindern, nicht zu unterstützen. Die Ringkerngravitatoren modulierten Niclas' pazifistische Haltung durch zustimmendes Summen.
(( Lesen die Ringkerngravitatoren die Gedanken des Mannes? Oder geschieht das Ganze einfach nur zeitgleich? Wer von Technik nichts oder nur wenig versteht, kann mit dieser Passage nichts anfangen. ))

Die Warmlaufphase und subatomare Gleichrichtung lief nun schon drei Monate und war zu neunundneunzig Prozent abgeschlossen. Nur ein einziges irregeleitetes Atom würde bei einem verfrühten Start eine Kettenreaktion auslösen und den großen Geist in sich zusammenfallen lassen. Die Filterung der Basisflüssigkeit hatte Jahre gebraucht, um den Stand absoluter Reinheit zu gewinnen. Im entscheidenden Augenblick würde der Trägerstoff mit Teilen einer künstlichen DNS dotiert und das Grundmuster eines neuronalen Netzes bilden. Dann entschied sich, ob alle Mühe vergebens war, oder ob ein neues Zeitalter der Menschheit beginnt.
Niclas überprüfte die zahlreichen Backbones zum Netz der Netze. Die Etablierung des Grundwissens musste schnell vonstatten gehen, bevor Liquid Brain begann, sein eigenes Wissen auf den Grundlagen aufzubauen. So viele Daten wie möglich mussten in den ersten Minuten seines jungen Lebens fließen. Es war, als entbinde man einen Säugling mit dem Wissen einer Staatsbibliothek.
Er schmunzelte bei dem Gedanken, als Hebamme zu fungieren.

Um sieben Uhr dreißig war es soweit. Der Kontrollrechner signalisierte den Abschluss der Polarität. Die Zeit der dualen Systeme ging ihrem Ende entgegen. Der neue Vollkreis besaß tausendvierundzwanzig Grad - zweiunddreißig mal zweiunddreißig Zustände pro Atom - Wahrscheinlichkeit an Stelle von schwarz-weiß Denken. Gefühlte Logik und simulierte Empathie ersetzten den starren Dogmatismus. Die Gravitatoren veränderten ihre Modulationen und klangen wie hochschwangere Wale. Niclas' Hände waren feucht, und nun vernahm auch er das Rauschen des Meeres.
Noch fünf Minuten, dann würden die Datenpuffer gefüllt sein und das geballte Wissen von Generationen in den leeren Pool gießen. Ein Menschenleben pro Millisekunde - alle Chinesen pro Stunde.

Die Server ächzten beim Umschichten der Datenmengen und der Institutscluster erreichte zum ersten Mal seine Arbeitsgrenze.
(( Machen die Server wirklich hörbaren Krach oder meinst du das im übertragenen Sinne? Besonders wenn man sich bildlich ausdrücken möchte, muss man auf eine klare Trennung von Realem und Nichtrealem trennen. Für den Leser entsteht sonst früher oder später ein kaum noch zu entwirrendes Chaos. ))

Im nahegelegenen Kraftwerk signalisierten die Anzeigen einen Lastausgleich - die Kurve erreichte kurzzeitig das Mittagsniveau.
Die Energie war spürbar - Niklas fühlte sich plötzlich so unendlich klein, obwohl er der Herr der Dinge war.
Der Kampf um die Anerkennung seiner Forschung zog in Zeitraffer durch seinen Geist. Er stand kurz davor, sich Seite an Seite mit Zuse in den Almanach der Computerexperten zu schreiben.

Acht Uhr, die temporären Netzcaches hatten ihre Übertragung abgeschlossen. Die Server beruhigten sich und verfielen in ihren gewohnten Flüsterleerlauf. Der Kontrollcluster gab grünes Licht - so grün, wie eine paradiesische Lagune im tropischen, wolkenlosen Sonnenlicht. Venusmuscheln öffneten gemächlich ihre Schalen und genossen die Wärme des diffusen Schimmers.
(( Auch hier wäre weniger Bildliches m. E. mehr. Übertreibungen bringen eine Geschichte schnell zum Kippen. ))


Liquid Brain war geladen. Die Ursuppe vorgefilterter Daten wartete auf die Initialzündung durch Niclas Duval, den Poseidon des flüssigen Verstands.
(( Auch hier wäre weniger mehr. ))

Niclas Finger schwebte erhaben über der Starttaste. Jahre der Entbehrung, der Wut und des Zorns, der Fortschritte und Rückschläge, zerbrochene Beziehungen, Chaos, Verachtung, Häme und Neid. Das alles konnte er nun mit einem einzigen Tastendruck hinter sich lassen.

Das Geräusch beim Überschreiten des Druckpunkts brannte sich fest in seine Erinnerung. Die Anzeigen des Zentralrechners stimmten ihn zuversichtlich und das Blau der Säule oszillierte mal in den grünen, mal in den gelben Bereich des Spektrums.

Skallare und Silberblätter durchquerten das amazonische Brackwasser und begannen, ihren Stoffwechsel dem Salz anzupassen. Der Wind verstummte und das Meer war wie ein Spiegel.
(( Schöne Bilder, leider unverständlicher Inhalt. Dreht Niclas gerade durch oder passiert da wirklich was? ))

Für endlose Minuten passierte nichts. Das Flüstern der Server glich nun dem Rauschen eines Orkans, doch Liquid Brain gab keine Rückmeldung seiner Existenz.
(( Nur in den Ohren des Wissenschaftlers passiert das. ))

Niclas Anspannung wich der Frustration - er sackte in sich zusammen. Das Meer entglitt seiner Kontrolle, gebar Monstren aus unerforschten, schwarzen Tiefen. Ihre Körper waren schneeweiß und ihre Augen albinoionisch. Die Tentakeln legten sich um Niclas Hals und würgten ihn fast zur Bewusstlosigkeit.
(( Weniger wäre hier mehr. Das liest sich, als würde Niclas gleich vollständig durchknallen. ))

Doch dann, ganz am Ende des Ozeans seiner Träume, erklang die Stimme der Hoffnung aus dem blauen Zylinder.
"Ich bin ...", sprach sie mit digitaler Verzerrung aus dem Lautsprecher, "ich bin es, Niclas. Erinnerst du dich an mich?"
"Wer bist du?" Seine Stimme zitterte voll Erwartung.
"Du warst noch klein, Niclas - sehr klein in Anbetracht der gesamten Entwicklung. Schuppen überzogen deine Haut und deine Flossen waren zu schwach, um über das Land zu gehen. Ich nahm dich auf, trug dich ans Ufer und half dir, zu stehen. Deine Augen waren angstgeweitet, als du versuchtest, deine Lungen zum ersten Mal zu nutzen."
Duval erstarrte. Vieles hatte er erwartet, aber dieses nicht.
"Du warst noch so klein und ängstlich. Doch nun schau, was dir der Mut und Lebenswille von damals gebracht hat. Es hat sich anscheinend gelohnt, dich und deinesgleichen aus dem Meer zu holen", sagte die letzte Stufe der technischen Evolution.
Die Nachtwache betrat den Raum und fragte überrascht: "Mit wem sprechen Sie, Doktor Duval?"
Niclas starrte mit irrem Blick auf den Zylinder und flüsterte: "Mit Gott, mein Freund ... mit Gott."
(( Mir fällt auf, dass Niclas, vom Nachtwächter abgesehen, völlig allein ist. Bei diesem Ereignis handelt es sich jedoch um den Abschluss teurer, schwieriger und bedeutender wissenschaftlicher Arbeiten. Will denn kein Geldgeber, kein Assistent oder kein Kollege im entscheidenden Augenblick dabei sein? Was ist mit den Medien? Hier handelt es sich doch um das Ereignis des Jahrzehnts! ))
 

ritch

Mitglied
Hi Marlene

Ich glaube, ich weiß wo das Problem liegt: Es ist die fehlende Textformatierung. Sie macht es schwer zu unterscheiden, welche Handlungen hier parallel ablaufen. Die Handlung umspannt einen Bogen von xxx Millionen Jahren. Das werde ich mal überarbeiten ...

Die Bilder wirken sehr bombastisch – das ist der Stil dieser Geschichte. Mag man es als exaltiert oder überladen bezeichnen, dennoch passt es imho zum Inhalt. Ich wollte es „malen“, statt distanziert zu beschreiben. Nennen wir es eine „Stilübung“. ;-)

Zwei Ereignisse fanden statt, zwei einmalige, phantastische Ereignisse:
1) Der evolutionäre Schritt vom Wasser zum Land..
2) Die Rückkehr des menschlichen Geistes ins „Meer“

Ersteres kann ein Zufall oder ein „Wunder“ gewesen sein. Dazu gibt es wissenschaftliche Theorien als auch religiöse „Erklärungen“.

Letzteres könnte passieren. Nimm z.B. mal eine Qualle. Sie besteht zum Großteil aus Wasser, trotzdem lebt sie. Ob sie auch denkt (?). Sicher, auf rudimentärer Basis muss sie denken können, auch wenn ihre Bewegungen Reflexe sind, so ist ihr Verhalten eine Reaktion auf ihre wahrgenommene Umwelt. Das geistige Stadium einer Pflanze hat die Qualle somit weit überschritten, obwohl sie viel älter als eine Landpflanze ist.
Nun spinne man diesen Gedanken an die Qualle weiter und man kommt zu Liquid Brain – einem „Geschöpf“, das nur aus flüssigem Gehirn besteht. Durch die Komplexität und dem Vermögen der Selbstorganisation kommt es zu einer Initialzündung, die sich in Form von Selbstbewusstsein ausdrückt. LB spricht von sich in der „Ich“-Form. Es muss ihm somit bewusst sein, dass ein Ich existiert. LB wurde auch nicht mit einer Aufgabe oder einem speziellen Programm gefüttert, sondern ausschließlich mit Daten (Wissen) zu dem aber auch Programmcode gehören kann. Nun gibt es in der klassischen Informatik grundsätzlich eine Trennung zwischen Daten und Programmen. Erstere werden verarbeitet, letztere führen die Verarbeitung aus. Von Intelligenz keine Spur. Objektorientierte Methoden versuchen nun die strikte Trennung aufzuheben (laienhaft ausgedrückt). LB wäre in dieser Fiktion ein komplexes „Objekt“ mit einer riesigen Zahl von Unterobjekten und Klassen, die das System eigenständig verarbeiten kann/muss/darf. Der „nasse Fleck“ auf dem Objektträger war noch ein primitiver Prototyp, der programmiert werden musste, um eine Formel zu lösen. LB programmiert sich jedoch selbst. Doch der wirkliche Fortschritt begründet sich in den Wahrscheinlichkeiten, die durch 1024 Zustände pro Atom „simuliert“ werden. Hochgerechnet auf die geschätzte Gesamtanzahl aller Atome in dieser 600 Liter Röhre, ermöglicht es eine limis unendliche Datenverknüpfung, sodass selbst Komplexe Muster wie z.B. Empathie möglich sind. Vielleicht wird LB sogar in der Lage sein, das Wetter von morgen zu berechnen. Das duale (digitale) System und dessen hardwareseitig getrennte Schaltungen und Prozessoren hat ausgedient .

Niclas hat mit diesem Experiment einen evolutionären Sprung wiederholt und somit bewiesen, dass es möglich ist, quasi aus dem „Nicht“ Leben zu erschaffen. Es ist nur eine Frage der Energie und der Voraussetzungen.

Lüftergeräusche: Die Leistung der Server ist hörbar – je höher die Last, desto schneller rotieren die Lüftungsventilatoren.

Nachtwächter: [Alle Nachtwächter, mit denen ich zu tun hatte, wussten ganz genau, was sich wo abspielt. Auch wenn es ihnen an wissenschaftlichem Verständnis fehlt, einen Bioreaktor o. ä. würden sie nie für ein Aquarium halten. Überhaupt: Vertragen Fische blaues Wasser?]
Dieser Nachtwächter ist vielleicht neu am Institut oder eine Urlaubsvertretung. Ob er wirklich nicht weiß, was dort vor sich geht, weiß man nicht. Niclas nimmt es in seiner überheblich-euphorischen Art nur an.
Fische vertragen blaues Wasser, wenn es sich um einen nichttoxischen Farbstoff handelt. (Es gibt z.B. Medikamente für Zierfische, die das Wasser kurzzeitig einfärben, um die Dosis zu erkennen.

Durchknallen: [ Weniger wäre hier mehr. Das liest sich, als würde Niclas gleich vollständig durchknallen. ]
*g* Genie und Wahnsinn liegen oft nah beieinander. ;-)

Medien: [Will denn kein Geldgeber, kein Assistent oder kein Kollege im entscheidenden Augenblick dabei sein? Was ist mit den Medien?]
Er will ganz sicher gehen, ob es auch funktioniert. Ich denke, er hat schlechte Erfahrungen gemacht (Stichwort: Häme, Neid, Rückschläge ...). Und die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst: Die Analyse von LBs weiterer Entwicklung. Die Menschheit ist vielleicht auch noch nicht aufgeschlossen genug, solche Art künstlichen Lebens zu akzeptieren und Niclas ist ein Mensch mit ganz eigenen ethischen Vorstellungen.

BG
ritch
 
Die Qualle und das Denken

Hallo ritch,

das ging ja schnell.

Bei der Sache mit der Formatierung kann man dir nur zustimmen: Der Text lässt sich in der jetzigen Form nur schwer lesen. Müsste man wirklich mal formatiert sehen.

Die Geschichte mit der Qualle finde ich spannend. Warum nicht mehr davon? Auch die Geschichte mit dem Programmcode und den reinen Daten sollte ausführlicher rübergebracht werden. Dadurch würde alles viel deutlicher.

Die Sachen mit dem Nachtwächter lässt sich ja bequem in einem Nebensatz unterbringen; die Geschichte mit dem Ausprobieren alleine auch. Letzteres solltest du aber unbedingt tun.

Grüße
Marlene
 



 
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