Logis

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Monochrom

Mitglied
Logis

Schorf der Sterne, holt
ein / grabt tief / schnauft verschwitzt-
dieser alte Herr nahm die Narben
aus dem Fond seines Wagens
und teilte sie mit dem Weg.
Ein Basslauf am Rand der Nacht,
rot glitzert die Hand / der Schrei
-einem guten Rat ins Gesicht gespuckt-

Dieses Mädchen war jedem bekannt
in den Winkeln, den Ecken, aus dem Schatten
kam ihr Geleit aus Phosphorschnecken.
Sie geben den Worten einen Geschmack,
lauft hinfort / in die Wärme / gluckst beglückt-
aus dem Himmel kamen sie nicht,
und weitere folgten ihnen -Fratzen und Magie-
brachen Schultern, machten sie frei,
entledigten den Häusern ihre Tiere,
und jede Maske fiel und brach entzwei.

Das dunkle Paket liegt vor der Tür
Ein Klopfen auf dem schweren Holz
Heraus weht ein süßlich weher Hauch-
der Hund biss seinen Herrn, schmeckte
endlich das goldenste Blut der Welt,
auch der Herr jauchzte über Felder
einen Ruf des Friedens, suchte nicht
nach Worten, blieb erstarrt, erfroren,
kam nie wieder, wohnt bei den Kalendern,
und etwas treibt uns allezeit
seine Tränen in die Augen.

Der Zusteller taucht nicht mehr auf.
Dem Mädchen geben sie jedes Jahr
eine Zieharmonika, in den Gassen klingt
ein Lied von Fliegen und Rosenduft.
Schlafe nicht / in die Nächte / umarme,
bis uns dieser Schrei den Boden nimmt,
gehen wir den Weg warmherzlich,
mit einer Hand für die Schafherde,
doch rot glitzert die andere / es strömt.
Zungen lecken letzte Tropfen,
umschlungen in fremden Küsse;
unter dem Schorf der Sterne,
ewig Hund und Herr.
 
O

orlando

Gast
Hallo monochrom,
anderenortes ist ja schon auf die abenteuerlichste Weise an diesem Text herumgedoktert worden - kann gut sein, dass ich mich ebenfalls in die Reihe der Voll-Daneben-Interpeten einreihen werde.
Also: den "Weihnachtsmann" schließe ich aus. Ebenso das Christkindl & Konsorten.
Schorf der Sterne, holt
ein / grabt tief / schnauft verschwitzt-
dieser alte Herr nahm die Narben
aus dem Fond seines Wagens
und teilte sie mit dem Weg.
Ein Basslauf am Rand der Nacht,
rot glitzert die Hand / der Schrei
-einem guten Rat ins Gesicht gespuckt-
Im "Schorf der Sterne" geht es m. E. um die Poesie, genauer gesagt um Lyrik oder lyrische Prosa, nach der immer wieder gefahndet, gegraben und geschürft wird.
Dieses Mädchen war jedem bekannt
in den Winkeln, den Ecken, aus dem Schatten
kam ihr Geleit aus Phosphorschnecken.
Sie geben den Worten einen Geschmack,
lauft hinfort / in die Wärme / gluckst beglückt-
aus dem Himmel kamen sie nicht,
und weitere folgten ihnen -Fratzen und Magie-
brachen Schultern, machten sie frei,
entledigten den Häusern ihre Tiere,
und jede Maske fiel und brach entzwei.
Folgerichtig müsste das Mädchen eine der Musen sein, Erato oder Euterpe, beide Töchter des Himmelschefs Zeus. Ich favorisiere die flötenspielende Euterpe.
Die Phosphorschnecken bedürfen in diesem Zusammenhang keiner weiteren Eklärung, das sind Dichter wie du und ich. :cool: "Aus dem Himmel kommen wir (leider) nicht."
Das dunkle Paket liegt vor der Tür
Ein Klopfen auf dem schweren Holz
Heraus weht ein süßlich weher Hauch-
der Hund biss seinen Herrn, schmeckte
endlich das goldenste Blut der Welt,
auch der Herr jauchzte über Felder
einen Ruf des Friedens, suchte nicht
nach Worten, blieb erstarrt, erfroren,
kam nie wieder, wohnt bei den Kalendern,
und etwas treibt uns allezeit
seine Tränen in die Augen.
Die Poesie, die zuweilen bedrohliche Gabe liegt wartend vor der Tür, es duftet ältlich, "süßlich-weh." Nur selten erschließt sich das antike Geschenk, vielleicht nur durch einen beherzten Biss.

Der Zusteller taucht nicht mehr auf.
Dem Mädchen geben sie jedes Jahr
eine Zieharmonika, in den Gassen klingt
ein Lied von Fliegen und Rosenduft.
Schlafe nicht / in die Nächte / umarme,
bis uns dieser Schrei den Boden nimmt,
gehen wir den Weg warmherzlich,
mit einer Hand für die Schafherde,
doch rot glitzert die andere / es strömt.
Zungen lecken letzte Tropfen,
umschlungen in fremden Küsse;
unter dem Schorf der Sterne,
ewig Hund und Herr.
Der Zusteller / Bote der des poetischen Päckchen "taucht" derzeit nicht mehr auf (Versiegen der Inspiration); man speist Euterpe mit einer "Zieharmonika" (Leierndem, sich ständig Wiederholendem) ab, insofern irrt sie heimatlos (ohne Logis) in einer trägen Herde herum.
"Zungen lecken letzte Tropfen."

Was ich noch anmerken möchte: Ich finde das Gedicht außerordentlich interessant, spannend in seinem mythischen Bezug (wenn es denn einen hat), sprachlich und formal formidabel gelöst.

orlando
 

Monochrom

Mitglied
Krass

Hi,

ich finde Deine Interpretation sehr spannend.

Es ist ja bei hermetisch angesiedelten Texten eher so, dass eine Variationsbreite durchaus legitim ist.

Ich mag das einfach. Nicht auf einen Punkt zu zeigen, sondern die Gewölbe/ Türen offen zu halten, den Leser seine eigenen Schritte machen zu lassen, aber trotzdem sollte dem Autor eine klare Linie im Text innewohnen.

Das wird von vielen als minderwertige Lyrik bemängelt, und oft ist Hermetik auch durchsetzt und wird unbrauchbar.

Bei diesem Text sind es mehrere Bilder, die vom TOnus und Stimmung her ineinanderfließen.

Danke fürs Lesen
Ciao,
Mono
 



 
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