Lomopoetisches Manifest

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Poetische Aberration, einige Gedanken

In der Optik versteht man unter Aberration die Abweichung von der idealen Abbildung. So betrachtet man die chromatische Aberration, die zu Farbsäumen führt, aber auch die sphärische Aberration, die zu Verzerrungen und Unschärfen führt.
Eines der ersten Ziele der fotografischen Entwicklung, das bis heute anhält, ist es, Bildfehler zu vermeiden. Jedoch gibt es seit geraumer Zeit die Lomografie, die auf billigen Kameras aufbaut und ihre eigene Kunst bildet. Dazu kommt die Lochkamera, die Langsamkeit und Verzicht auf totale Schärfe fordert, aber unheimlich viel Spaß macht.

Hier komme ich nun über die poetische Aberation hin zur poetischen Lomopoesie, die ich soeben begründe, wenn auch Vorgänger und Nachfolger da waren.

Die Kamera ist das Werkzeug in der Fotografie, zusammen mit den Motiven bildet sie die Voraussetzung für Fotokunst.
In der Poesie sind es die Formen.
Ich propagiere nunmehr Unvollkommenheit, Spontanität und Freude.


10 Regeln der Lomopoesie

1. Nimm Stift und Papier überall mit, egal, wo du auch gehst.
2. Benütze sie bei Tag und natürlich auch bei Nacht.
3. Lomopoesie ist ein Teil deines Lebens.
4. Schreibe los. Der Duden ist nur selten nötig.
5. Schreibe konkret, verwende keine abstrakten Begriffe.
6. Denke nicht nach, einfach losschreiben.
7. Schreibe schnell und vertraue deinem Gefühl.
8. Es ist vorher nicht nötig zu wissen, wie es weitergeht.
9. Erst recht nicht nachher.
10. Kümmere dich nicht um irgendwelche Regeln.

Diese Regeln sind eine Aberation der lomografischen Regeln. http://www.lomografie.at/regeln

Du wirst Gedichte erreichen, die den vorhandenen ähneln und doch anders sind. Durch das Schreiben auf Papier (du kannst auch Füller nehmen) erreichst Du einen Zustand des Flusses, des Fließens. Die Gedanken kommen von selbst und führen sich fort.

Lasse dich nicht verdrießen, wenn ein Mensch mit einem Digitalgedicht kommt und Dir Abweichungen vorwirft. Vertraue Dir und Deinem Text. Mach weiter.
Notfalls mit Rechner.
Aber in der Badewanne ist der nicht ganz so gut.
Oder in der Straßenbahn.

Natürlich kannst Du kein Auto steuern, wenn du schreibst. Also lasse es daheim. Es geht.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Bernd, ich sag es ja nur ungern, weil ich dich schätze, aber: Abgesehen vom Schreib-Mittel "Stift und Papier" produzieren Tausende, wenn nicht gar Millionen von Leuten heute schon "sowas". Schau nur mal in Blogs oder "Kreativ-Foren"! Es wird dich derart grausen, dass du von Herzen bedauerst, jemals den Vorschlag der Lomopoetik gemacht zu haben ...
 

Val Sidal

Mitglied
@Bernd

klingt wie improvisation und free jazz.

6. Denke nicht nach, einfach losschreiben.
... wieder der jazz-bezug: 6. erfordert sehr, sehr, sehr viel übung -- fürchte ich.

@jon
es kommt heraus, was innen(empfinden, kennen und können) drin ist: poesie oder mist -- wie bei der impro auch.

mein status: ich übe -- noch kommt mist dabei heraus.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Sicher gibt es auch viele Fälle, wo das, was rauskommt, deshalb Mist ist, weil es den Mist im Innern abbildet. Schlimm genug, mit sowas öffentlich (und Internet ist Öffentlichkeit) belästigt zu werden. Nicht selten ist aber das im Innern so übel nicht (sondern spannend, neu oder berührend), die Darbietung aber kaum erträglich. Solche Darbieter zu "Lomo" (oder Jazz) zu ermutigen, bevor sie überhaupt die Mittel verstehen (oder wie du, Val Sidal, sagst: zu üben), ist ein verdammt zweischneidiges Schwert …
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
"Keine Smilies in diesem Beitrag!"

Das ganze ist natürlich teilweise ironisch.
Teilweise auch nicht, der Artikel zeigt den Kontrast, und beide Seiten tauchen in den Antworten auf.

Es ist eine Ableitung der Lomographie.

Letztlich kommt es nicht auf das Gerät an, der Kontrast geht zu immer aufwendigeren Mitteln, bei denen am Ende kaum noch Kunst übrig ist.

Es geht ja zugleich darum, ein Gefühl zu entwickeln - für die Motive und die Darstellung.

Zu "Schreibe drauflos" siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstseinsstrom Bewusstseinsstrom.

Der Kontrast ist nicht neu. Mir fiel die Ähnlichkeit von Fotografie und Literatur ins Auge.

Vergleiche: mein lomographisches Selbstportrait mit einer Lochkamera auf 110-er Film.
http://hutschi.files.wordpress.com/2014/05/lomo-110-0016.jpg?w=500


PS: Ich verstehe aber, was einer meiner Freunde bei einem Wahlplakat von "Die Partei" sagte. Ich war der Meinung, es sei ironisch. Er war der Meinung, die meinen das so. "Inhalte überwinden!"
Dem stelle ich nach furchtbarem Ringen entgegen:
"Keine Smilies in diesem Beitrag!"
 



 
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