Lu und der Alte

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Thomas Fried

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„Hör endlich auf, mich Lu zu nennen. Du weißt ganz genau ich hasse diese dämlichen Abkürzungen, sie machen einen so niedlich. Ich habe einen richtigen Namen und ich habe ein Recht darauf, dass du mich damit ansprichst, nach allem was du mir angetan hast.“
Der Alte, der so wütend angefahren wurde, konnte sich gerade noch ein Grinsen verkneifen. Immer wenn Lu böse wurde, kräuselten sich kleine Rauchwolken aus seinen Ohren und seine Nasenspitze glühte wie der Kopf eines Streichholzes, das gerade ausgeblasen worden war.
Der alte Mann sah etwas abgelenkt den Wölkchen nach, die sich langsam aufstiegen und sich verflüchtigten. „Bitte beruhige dich wieder. Es tut mir sehr leid, wenn ich deine Gefühle verletzt habe. Ich wollte dich wirklich nicht kränken. Du weißt, das könnte ich gar nicht.“
Lu wollte sich aber nicht beruhigen lassen. Jetzt war er wirklich sauer und er erhob seine Stimme so sehr, dass sich von dem Berghang, auf dessen Spitze sie standen, große Steine und Felsbrocken lösten und zu Tal donnerten.
„Und verschone mich mit dieser gütigen, verständnisvollen Tour. Die kotzt mich wirklich an. So gütig wie du tust bist du gar nicht, du Heuchler.“
„Lu, wenn du dich so aufregst wirst du ganz rot.“
„Ach, jetzt wird er auch noch witzig, der Herr. Ich bin ROT. Du wolltest mich ja rot haben. So rot wie ein Pavianarsch. Übrigens auch so eines deiner blödsinnigen Geschöpfe. Du hast gesagt: 'Wenn du rot bist haben alle mächtig Angst vor dir', äffte Lu den Alten nach. „Klar, vor dir hat keiner Angst. Wer nimmt einen alten Sack mit einem weißen Rauschebart schon ernst, noch dazu, wenn er ein Nachthemd trägt?“
Schuldbewusst und traurig, sah der Alte zu Boden. Während er verlegen einige Steine wegkickte, sagte er: „Das ist es ja gerade. Niemand hat mich ernst genommen. Die Menschen haben begonnen mir auf der Nase herum zu tanzen. Ich bin halt zu gütig.“
„Zu gütig?“ Lu, lachte gehässig auf und lies mit einer winzigen Bewegung seines linken Zeigefingers, ein halbes Dutzend Geißen abstürzen, die gerade auf dem gegenüberliegenden Hang herum geklettert waren.
„Warum hast du das getan?“
„Oh, dafür gibt es mehrere Gründe. Ich bin böse, ich bin rot, mir war danach. Außerdem waren gerade keine Menschen zur Hand, sonst hätte es die erwischt.“
„Was ich jetzt sage, meine ich ganz wertfrei. Ich will dir ja nicht weh tun aber, du bist abgrundtief böse.“ Aufmerksam blickte der Greis ihn an, um zu sehen, ob er ihn nicht aus Versehen doch verletzt hätte.
„Was glotzt du denn so blöde? Glaubst du denn du könntest mich verletzen, nach allem was du mir angetan hast?“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, stieß ihm der Rote mit jeder Silbe den Zeigefinger gegen die Brust. Jede dieser Berührungen ließ ein Brandloch in dem weißen Gewand zurück, das sich gleich darauf wieder schloss.
Der Rauch stieg dem Alten ins Gesicht und seine Augen begannen zu tränen.
„Fängst du jetzt auch noch an zu heulen?“
Der Alte schüttelte den Kopf, während er sich mit dem Saum seines Gewandes die Tränen aus den Augen wischte und sich einmal kräftig schneuzte.
„Nein, obwohl ich schon etwas traurig bin. Du hast jetzt schon zum zweitenmal gesagt: 'Nach allem was ich dir angetan habe'. Was meinst du eigentlich damit?“
„Ich...“. Lu brach ab, drehte seinen Kopf zur Seite und sah den wenigen Wolken nach, die über den Himmel zogen.
„Was denn Lu?“ Der alte Mann legte sanft die Hand auf Lu's Schulter. „Mir kannst du es doch sagen.“
Unwillig schüttelte Lu die Hand ab, schluckte schwer und sah wieder in das Blau.
„Ich wäre lieber wieder da oben. Ich habe es satt, immer der Böse zu sein. Aber du hast mich ja raus geschmissen“, sagte der Rote so leise, dass es kaum zu hören war.
„Du weißt doch, wir brauchen einen Bösen. Du hast es gerade selbst gesagt, vor mir fürchtet sich niemand. Und du hast ja auch recht. Wenn du nicht wärst, würde alles aus dem Ruder laufen. Du weißt doch wie es ist. Egal was sie auch angestellt haben, die brauchen sich nur hinzuwerfen und zu jammern und ich gebe wieder nach. Wir brauchen dich. Und schließlich hast du dich ja auch freiwillig gemeldet, als wir diesen Job zu vergeben hatten.“ Gott sah Luzifer in die Augen und hoffte darin Verständnis zu finden, aber was er sah erschreckte ihn so sehr, dass er unwillkürlich einige Schritte zurückwich.
Vor Wut zitterte Luzifer am ganzen Leib. Dicke Rauchschwaden quollen ihm aus den Ohren und der Nase und verdunkelten den Himmel. Sein ganzer Körper glühte weiß wie Stahl in einem Hochofen und setzte alles im Umkreis von mehreren hundert Metern in Brand. Gequält brüllte er auf.
„Von wegen freiwillig. Du und deine dämlichen Engelfreunde habt zusammen gesessen und darauf gewartet, dass sich einer meldet. Aber so blöd war natürlich niemand. Und weil sich niemand gemeldet hat, haben alle mich vorgeschlagen. 'Nehmen wir doch den Lu, haben sie gerufen. Ja klar, der ist gut für diesen Job, den nehmen wir'“
„Warum hast du dann zugestimmt, wenn du gar nicht wolltest?“
Lu hieb so gewaltig mit seinem Bocksfuß auf die Erde, dass im Tal ein Dorf von einer Steinlawine verschüttet wurde.
„Ich war gar nicht da, als ihr einen Freiwilligen dafür gesucht habt. Ich hatte URLAUB.“
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Thomas,

ich finde den Text ganz gut, obwohl einige Kommas gespart wurden und auch sonst noch ein wenig Feintuning fehlt.
Hatte eine ähnliche Geschichte geplant mit dem "gefallenen Engel" und so.
Die Pointe reicht m.E.n. (noch) nicht aus für einen Treffer in dieser Kategorie.
Auch habe ich sehr schnell durchschaut, wer sich hier mit wem unterhält.
Genau diese Passagen würde ich abschwächen: Lawine durch lautes Sprechen, die Geißen, die Brandlöcher in Gottes Gewand. Überflüssig und verräterisch.
diese Idee mit dem "Lu" wiederum finde ich spitze! Die hat schon Humor.
Ich schaue gern noch mal drüber.

LG, KaGeb alias "ehemals" orangekagebo

P.S.: Die "2" ist nicht von mir. Halte sie persönlich für einen Bewertungsfehler!!!
 



 
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