Mama Niedlich

Inge Anna

Mitglied
Mama Niedlich

In einem schmalen Seitensträßchen
lag Mama Niedlichs Häuschen;
es schmiegte freundlich sich ins Gäßchen,
lud ein zu manchem Pläuschchen;
ein winzig Gärtlein gab es auch,
für Kopfsalätchen, Kohl und Lauch.

Hier lebte Lydia-Marie
seit ihren Jugendjahren
in wunderbarer Harmonie,
bei Augustin und Maren.
Die Zeit floß still dahin und friedlich
im Nest der Pflegeeltern Niedlich.

Das Glück schien ihnen treu zu sein,
sich niemals zu entfernen;
man trank aus süßem Becherlein,
blickte zu jenen Sternen,
deren Gunst sich offenbart,
wenn man den Glauben daran wahrt.

Doch niemals übersah'n die Drei,
wenn Leid zu Tische saß;
denn ihre Herzen waren frei
von Eigensucht und Haß.
Ein Nachbar durfte sicher sein,
man ließ in Not in nicht allein.

Des Schicksals Stürme aufzuhalten
wird selbst dem Stärksten kaum gelingen;
ihr unberechenbares Walten
will ungebremst den Sieg erringen.
Im Gärtlein duftete der Flieder,
da tropften Tränen auf ihn nieder.

Frau Sonne konnt' das Blatt nicht wenden,
auf dem die bitt're Wahrheit stand,
doch milde Maienwärme spenden,
ein wenig Trost, mit sanfter Hand.
Augustins Schrift, es tat so weh:
"Ich hab' versagt; verzeih't, ich geh'!"

In Mama Niedlichs heile Welt
brach jäh das Unglück ein;
von einem Spieler hart geprellt,
würde das Ende sein;
doch da war Lydia-Marie
und deren Liebe stärkte sie.

So schafften es die beiden Frauen
und herzlich lädt - wie einst - dies Häuschen
uns heute ein, hereinzuschauen
zu dem noch nicht erfror'nen Pläuschchen.
Und Mama Niedlich hat verzieh'n;
denn neben ihr sitzt Augustin.
 



 
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