Man muss dem Tod die Freiheit wahren

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Man muss dem Tod die Freiheit wahren…


„Zehn Jahre mühseliger Arbeit verbergen sich hinter dieser Formel, liebes Publikum. Zehn Jahre, um Ihretwegen einen einzigen Term zu definieren, dessen Darlegung bis heute herbeigezittert wurde. Ihre interspezifische, vollkommen individuell errechenbare Lebensdauer…“
Still lächelnd neigt Mr. X den Kopf.
„Der Term ergibt sich nur unter der höchst notwendigen Betrachtung der individuellen Größen und Gewichte, der persönlichen Sportlichkeit, Ihres Lungenvolumens sowie der Belastbarkeit Ihrer Herzkammern, der unterschiedlichsten Blutgruppen, sowie des Weiteren unter Beachtung eines negativen oder positiven Rhesusfaktoren, der individuellen Lebenseinstellung – man bedenke bitte Todesfälle in der Verwandtschaft, Streitigkeiten, Zufriedenheit, Geldsorgen et cetera – und Ihrer individuellen Verhaltensweise – die durch zum Beispiel übermäßigen Alkoholkonsum, ein Leben als Vegetarier oder Normalbürger gezeichnet ist – sowie unter Beachtung der Hautbeschaffenheit des Einzelnen, den individuellen Knochenbau, Ihrer Knochensubstanzen etwa und natürlich den elterlicherseits vererbten Eigenschaften und Attributen.“
Rethorische Pause.
„Zur Berechnung hinzuziehen muss man jedoch ebenso den Fettgehalt und die Mineralstoffe im Essen und Trinken der jeweiligen Person, vorherige Krankheitsbilder und außerdem die eventuelle Kinderlosigkeit beziehungsweise Familienbildung und eine Heirat mit deren Folgen, sowie Ihr alleiniges Berufsrisiko und die zugehörige Anstrengung.
Es müssen im Allgemeinen gleichfalls hinzugezogen werden die Verbesserung der Lebensbedingungen in der jeweiligen Heimat, Ihr Heimatort selbst inklusive dessen Klima, die durchschnittliche Erhöhung der durchschnittlichen Lebensjahre im Unterschied Mann zu Frau, die Möglichkeit einer Naturkatastrophe, die prozentuale Wahrscheinlichkeit eines Todesfalls im Krieg, die ansteigenden beziehungsweise abfallenden CO-zwei Werte sowie die Weitung des Ozonlochs und der einfallenden UV-Strahlen im Sonnenlicht. – “ Der Referent überfliegt die Notizen am Wandschirm.
„Somit erhalten wir Ihr individuelles, hochkomplexes Resultat. Quasi Ihre geheime Bescheinigung über den Restverbleib ihrer individuellen Lebenszeit. Das bedeutet: bezieht man soeben genannte Faktoren ohne Erlass eines einzigen mit in die Rechnung ein, so ergibt sich Ihre momentane Lebenserwartung zum Zeitpunkt 0, sagen wir jetzt. Diese Formel wird die Welt revolutionieren, glauben Sie nicht auch?““
Er lächelt selig. Nach zwei Minuten ungläubigen, scheinbar allgemein faszinierten Schweigens steht Mr. X auf und hebt die Hand.
„Ihr wollt einen Menschen, auf den das zutrifft?!“, sagt er leise, „Dann züchtet ihn.“
Allgemeine Verwirrung. „Könnten Sie das genauer ausführen, Herr…?
„X. Nein.“
Schweigen. „Sind Sie sich sicher, Herr...X?“
„Sicher. Ist das da eine Hypothese?“, er deutet auf den Wandschirm.
„Eine exakte Berechnung.“
„Seltsam.“, meint Mr. X, „Dann habt Ihr mich nicht einbezogen…“
„Oh.“, entgegnet der Referent spöttisch lächelnd und deutet auf den Wandschirm, „Könnten Sie sich konkretisieren?“
„Auf Wunsch…“
„Es ist gewünscht. Inwiefern?“
„Ich bin kein Kreuz auf eurer Liste. Diese Spalteneinteilung, Klassifizierung sagt mir nicht zu. Wenn das da auf Individuen zutrifft, muss ich ein Universal sein. Ich würde die Formel umformeln.“, sagt Mr. X und verlässt den Saal.






C.Z. Februar 2007
 

NicoD

Mitglied
Hallo Elyn,

ich glaube, daß ich der Erste bin, der auf einen Deiner Texte antwortet und damit kommt es mir auch zu, Dich herzlich hier auf der Leselupe willkommen zu heißen :)

Dieser Text ist auch schon sprachlich sehr gut. Mich haben nur ein oder zwei Dinge irritiert:

[...] Ihre interspezifische, vollkommen individuell errechenbare Lebensdauer…“
Still lächelnd neigt Mr. X den Kopf.
„Der Term ergibt sich nur unter der höchst notwendigen Betrachtung der individuellen Größen und Gewichte, der persönlichen Sportlichkeit, Ihres Lungenvolumens sowie der Belastbarkeit Ihrer Herzkammern,
Das erweckte bei mir den Anschein, als sei Mr. X der Referent, auch wenn er still lächelt. Wie wäre es, wenn Du ihn noch ein bißchen mehr zuhören läßt oder den Referenten früher vorstellst?

[...] Diese Formel wird die Welt revolutionieren, glauben Sie nicht auch?““
Er lächelt selig. Nach zwei Minuten ungläubigen, scheinbar allgemein faszinierten Schweigens steht Mr. X auf und hebt die Hand.
Wer lächelt, wer schweigt scheinbar fasziniert? Man könnte den Satz auch so deuten, daß Mr. X alles alleine macht. Vielleicht solltest Du es noch etwas besser abgrenzen.

So, das war´s auch schon, was es von meiner Seite an Verbesserungsvorschlägen gibt - ich freue mich auf Deinen nächsten Text!

Gruß,
 



 
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