Maricel in der Stadt - Ein Bilderreigen

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kio

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Die Sonne strahlte. Sie konnte ihre Ungeduld vor der letzten Weichenstellung kaum bezwingen.
Maricel kam am Bahnsteig 11 an. Leichtfüßig sprang sie aus dem Zug, nachdem er endlich angehalten hatte. Die Sonnenstrahlen brachen sich im verglasten Dach der Bahnhofshalle. Sie ließ sich von den Menschenmassen weitertreiben. In und aus dem U-Bahnschacht. Und endlich war sie angekommen. Am Hauptplatz saßen viele Menschen um den Springbrunnen und genossen die Sonnenstrahlen neben dem in sprudelnden Wasserfontänen tanzenden Licht. Maricel beobachtete flirtende Liebespärchen, die gemeinsam an einem Eisstiel ihre lustvollen Zungenspiele betrieben. Am blauen Himmel zogen ein paar Schönwetter-Kumuluswolken vorbei. Ein herzförmiger Luftballon hatte sich selbständig gemacht und entschwand immer weiter in das Blau. Versonnen und kurz in die Unendlichkeit getaucht blickte sie ihm nach.

Die Regentropfen am Zugfenster sammelten sich zu kleinen senkrechten Bächen und rannen entlang der Scheibe nach unten. Jede Ansammlung von Regentropfen schien ihrem eigenen Gesetz zu folgen. Es war wie eine Gleichmäßigkeit ohne Regeln. Der Zug stand schon mindestens 2 Minuten still und die meisten Fahrgäste waren bereits ausgestiegen. Gegenüber schnarchte noch ein Mann, der die Bierdose fest umklammerte. Endstation. Lustlos stieg Maricel aus. Der Bahnsteig war voll von Geschäftigkeit. Rastlos hasteten die Menschenmassen an ihr vorbei. Ein oder zwei Handys klingelten, ein Kind schrie laut nach seiner Mutter, die zwar bei ihm war, doch es vor Ungeduld hinter sich herzerrte. Als Maricel zum Glasdach der Bahnhofshalle hinaufschaute, um auch dort die Gleichmäßigkeit der Regentropfen zu erkunden, wurde sie von den Menschenmassen so geschubst, dass sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten. Von innerer Unruhe getrieben, passte sie sich dem hektischen Strom an. Endlich am Hauptplatz angekommen, musste sie feststellen, dass die Kanalisationsarbeiten ihren Tribut gefordert hatten. Ein Rattenpärchen wäre ihr fast über die Füße gelaufen. Noch rechtzeitig sprang sie zur Seite. An der nach abgestandenem Fett stinkenden Pommesbude grölte ein Paar unverständliche Lieder. Der Springbrunnen war heute nicht in Gang, dafür kam das Wasser von oben. Sie blickte in den von dunklen Wolken vollgestopften Himmel. Immer grauer kam er ihr vor, je länger sie suchte.
 



 
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