Marie`s schönstes Weihnachtsfest

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Marie´s schönstes Weihnachtsfest

Im himmlischen Postamt überprüfte der Weihnachtsmann höchstpersönlich die eingegangenen Briefe. Ja, es waren wohl alle Wunschzettel der Kinder angekommen. Plötzlich stutzte er und krauste die Stirn, unter den vielen Schreiben fand er nirgendwo den Wunschzettel der kleinen Marie.
„Geschwind“, rief der Weihnachtsmann dem Engelchen Jonathan zu, der gerade mit den anderen in der Backstube beim Zubereiten der Plätzchen und Lebkuchen half, „flieg zur Erde und besuche die kleine Marie. Sie hat uns in diesem Jahr keinen Wunschzettel geschickt, da stimmt etwas nicht.“
Jonathan klopfte sich den Mehlstaub von den Händen und schüttelte seine Flügelchen aus. Der Bäckermeister schnippte ihm noch einen Krümel von der Stupsnase, bevor er ihm einen liebevollen Klaps gab und sagte: „Na, mach schon mein Kleiner, gute Reise.“

Mit hochroten Wangen sauste der kleine Engel los. Er mochte zwar das Backen in der Zeit vor Weihnachten sehr, doch noch lieber düste er in der Welt umher. Dort gab es stets eine Menge zu sehen. Er eilte an den Sternenkindern vorbei, die damit beschäftigt waren, ihre Strahlenkränze eifrig zu putzen. „Kommst du zum Spielen?“, riefen sie ihm zu, „der Zeitpunkt ist ungünstig. Du weißt ja, der Heilige Abend ist nicht mehr fern, da müssen unsere Kränze auf Hochglanz poliert sein. “
„Nein, nein“, rief Jonathan zurück, „ich muss zu einem Menschenkind, es hat vergessen, seinen Wunschzettel an den Weihnachtsmann zu schreiben.“
„Oh je“, meinten die Sternenkinder bestürzt, „dann musst du dich sputen, bis später.“

„Bis später“, brüllte Jonathan zurück und jagte bereits am erstaunten Mondmann vorbei. „He, Jonathan“, rief er dem eiligen Engelchen hinterher, „wohin so schnell? Hast du heute keine Zeit für ein Pläuschchen?“
„Nö“, schallte es zurück, „ich habe einen wichtigen Auftrag zu erledigen.“ Durch dicke Wolken ging es weiter der Erde zu. Bald erreichte er das Gebiet von Frau Holle. Bei ihr wollte er einen Moment ausruhen.
„Guten Tag, Frau Holle“, grüßte er schon von weitem artig, „willst du es noch nicht schneien lassen?“ Die rundliche alte Dame gähnte herzhaft, rückte ihr rüschenbesetztes Häubchen zurecht und band sich eine lange, weiße Schürze um die molligen Hüften, die sie mit einer dicken Schleife im Rücken zuband.

Sie blickte ihn mit himmelblauen Augen durch die runde Nickelbrille an, die so schief auf der Nase saß, dass sie fast herunter fiel: „Ja, weißt du, ich bin gerade erst aufgestanden. Habe doch tatsächlich fast die Zeit verschlafen, ist mir richtig peinlich.“
Frau Holle räusperte sich: „Gleich nach dem Aufräumen werde ich die Betten tüchtig schütteln. Sag, wo willst du denn kurz vor Heiligabend noch hin?“
„Ich muss dringend hinunter zur Erde“, sagte der kleine Himmelsbote aufgeregt, „ein Kind vergaß seinen Wunschzettel zu schicken. Vielleicht hat es nur ja nur vergessen, ihn auf das Fensterbrett zu legen, damit die Postengel ihn abholen können.“
„Oh, dann will ich dich nicht länger aufhalten, mein kleiner Freund“, meinte sie, „flieg nur zu und sieh nach dem Rechten.“

Und weiter ging es in Richtung Erdball. Jonathan konnte bereits das kleine Haus am Rande des Dorfes ausmachen, in dem Marie lebte. Erschöpft von der schnellen Reise, landete er ein wenig wackelig im Vorgarten. Durch ein Fenster schaute das Englein in die Stube. Erschrocken sah es die Kleine leise weinend, im Schein einer bereits herunter gebrannten Kerze sitzen. Im Kamin brannte kein Feuer. Es schien sehr kalt in dem Raum zu sein, denn sie rieb ihre geröteten Händchen aneinander und versteckte sie in den Ärmeln ihres Pullovers. „Was ist ihr nur Schlimmes widerfahren“, dachte Jonathan beunruhigt. Marie putzte sich ihr Näschen und seufzte tief auf: „Ach, lieber Weihnachtsmann“, hörte er das Kind plötzlich flüstern, „ich habe in diesem Jahr nur einen einzigen Wunsch. Bitte mach, dass mein Papa bald wieder zu uns heimkehrt. Er ist in die Fremde gezogen um eine Arbeit zu suchen, wir haben schon lange nichts mehr von ihm gehört. Mama wurde krank, das Brennholz und die Lebensmittel sind aufgebraucht. In meinem Kummer habe ich vergessen, dir zu schreiben. Was soll ich nur tun?“
Voller Mitleid in seinem kleinen Herzchen, flog Jonathan zurück in den Himmel, höchste Eile war geboten. Er jagte so schnell durch die Wolken, vorbei an Frau Holle, dem Mondmann und den Sternenkindern, dass die ihm alle fassungslos hinterher sahen.

Der Weihnachtsmann saß in seinem dicken, roten Lieblingssessel. Er studierte das goldene Buch, in dem alle guten und weniger guten Taten der Kinder verzeichnet waren, als Jonathan atemlos bei ihm landete. Ehe der alte Mann mit dem langen weißen Bart etwas sagen konnte, sprudelte es aufgeregt aus dem Engelchen heraus: „Schnell, schnell, die kleine Marie braucht Hilfe, kein Brennholz, kein Essen, Mama krank, Papa in der Fremde, und, und...“
Dann müssen wir sofort etwas unternehmen“, unterbrach ihn der Weihnachtsmann beunruhigt, legte das Buch zur Seite und sprang von seinem Sessel hoch. „Sage Knecht Ruprecht Bescheid, er möge die Rentiere vor den Schlitten spannen, ihr Engel könnt ihm beim Beladen der Geschenke behilflich sein. Heiligabend werden wir zuerst Marie besuchen.“
„Ach bitte“, darf ich mitkommen?“, bettelte Jonathan so innig, dass der gute Alte lachen musste: „Aber ja, du darfst auch die schönste Puppe für das Mädchen aussuchen.“

Voll bepackt gab der Weihnachtsmann am Heiligen Abend das Kommando zum Aufbruch: „Hoho, meine treuen Rentiere, lauft zu, die Kinder der Welt warten auf uns.“ In hohem Tempo ging es mit dem prächtigen Schlitten hinab, der Erde zu. Helles Glöckchenklingen begleitete ihren Weg. Den Sternenkindern rief er zu: „Habt ihr eure Kränze brav geputzt, liebe Sternchen? In dieser Nacht müsst ihr am Himmelszelt blinken wie nie.“ Als ob sie das nicht wüssten, schließlich war doch Weihnachten!
„Hallo Mond, mein Lieber, das Fest der Feste naht, scheine in dieser Nacht so hell es geht“, schrie der Weihnachtsmann durch den Fahrtwind zu ihm hinüber, als sie vorbei sausten.
„Das will ich gerne tun, wenn Frau Holle eine Pause beim Betten ausschütteln einlegt“, brummte der Mondmann, es hatte nämlich angefangen, dicke, weiche Flocken zu schneien.
„So ist´s recht, Frau Holle“, rief der Weihnachtsmann fröhlich, „schicke nur eine tüchtige Menge der weißen Pracht in die Welt, damit die Kinder rodeln können, ich habe viele Schlitten im Gepäck.“

Unterwegs hielten sie auf einer Waldlichtung an. Knecht Ruprecht stieg vom Schlitten und suchte einen hübschen Weihnachtsbaum aus, den er zwischen all die ganzen bunt verpackten Geschenke stellte: „Heute kannst du ein liebes Mädchen glücklich machen“, sagte er. Kurze Zeit später waren sie am Ziel. Dunkel lag das Haus vor ihnen. Marie und ihre Mutter schliefen bereits. Der Weihnachtsmann legte einen Finger an die Lippen: „Pssst“, flüsterte er, wir müssen jetzt schön leise sein.“ Vorsichtig, um nur ja kein Geräusch zu verursachen, betraten sie die Stube. Knecht Ruprecht stellte das Tannenbäumchen in die Mitte des Raumes und Jonathan schmückte es mit großer Hingabe. Der Baum reckte stolz seine grünen Zweige: „Ich bin ja so prächtig, ich bin ja so prächtig“, wisperte er ein übers andere mal. Der Weihnachtsmann setzte ihm zu Füßen eine wunderhübsche Puppe auf eine Kuscheldecke. Daneben legte er noch ein dickes Märchenbuch, eingepackt in glänzendes Papier und mit einer roten Schleife versehen. Selbst an einen großen Korb mit Lebensmitteln hatte der gute Mann gedacht. Er lächelte, als er sah, wie Jonathan einen Teller mit Lebkuchen auf dem Tisch platzierte: „Hab ich selbst gebacken“, meinte das Engelchen ganz wichtig. Mitfühlend seufzte es: „Wenn nun noch der Vater heim käme.“
„Auch dafür ist gesorgt“, schmunzelte der Weihnachtsmann geheimnisvoll, voller Liebe strich er seinem kleine Gehilfen mit dem großen Herzen, übers Haar. Nachdem Knecht Ruprecht ein warmes Feuer im Kamin entfacht hatte, setzten sie sich in den Schlitten und fuhren wieder in den Abend hinaus.

Durch das Prasseln des Feuers wachte Marie auf. Flugs lief sie auf nackten Füßen zur Stube hinüber. Mit weit aufgerissenen Augen blieb das Mädchen auf der Schwelle stehen. Dann rannte sie zurück, um ihre Mutter zu wecken und ihr beim Ankleiden behilflich zu sein. Atemlos schauten sie beide auf die Herrlichkeit, die den armseligen Raum erfüllte. Wohlige Wärme umgab beide. „Ein Wunder“, murmelte die Mutter ergriffen. Marie strahlte mit dem Christbaum um die Wette. Zärtlich drückte sie ihre neue Puppe, wie wunderschön sie war! Als sie sich ein Stückchen von dem himmlischen Gebäck nehmen wollte, staunte die Kleine: „Schau mal Mama, hier liegt ein weißes Federchen neben dem Teller.“
„Das ist sicher von einem Engel“, meinte die Mutter und lächelte, „hebe es gut auf, das Federchen wird dich immer an dieses Erlebnis erinnern.“

Erst spät gingen beide wieder zu Bett. Schläfrig schaute Marie aus ihrem Zimmerfenster. Es hatte aufgehört zu schneien. Der Mond schien sehr hell, ja, es sah aus, als lächele er ihr zu und die Sterne funkelten wie nie. Plötzlich vernahm sie ein helles Glöckchenläuten. Das Mädchen richtete sich auf. In der Ferne konnte sie den glanzvollen Rentierschlitten des Weihnachtsmannes sehen, umgeben von glitzerndem Sternenstaub. Immer kleiner werdend, entschwand er ihren Blicken. Dankbar und glücklich schlief die Kleine in dieser Nacht ein.

Die Sonne verwandelte am Weihnachtsmorgen die verschneite Landschaft in einen glitzernden Traum. Marie saß mit ihrer Mutter gerade beim Frühstück, als es an der Haustür klopfte. Sie öffnete und traute ihren Augen kaum. Mit einem Aufschrei warf sie sich in die Arme ihres Vaters. „Frohe Weihnachten, mein Kind“, sagte er gerührt, fest presste er sie an sich. Mit seiner Tochter auf dem Arm betrat der Heimgekehrte die festliche Stube. Dort umschlang er auch seine glückliche Frau und sagte bewegt: „Nun wird alles gut, ich habe Arbeit gefunden und muss euch nie mehr verlassen.“ So wurde dieses Weihnachtsfest für die kleine Familie das allerschönste ihres Lebens.

Märchentante
 
S

schattenhexe

Gast
schön

hallo märchentante,

ich muss sagen, mit engeln, frau holle und übrgigen gestalten habe ich sonst eigentlich wenig am hut, aber die geschichte gefällt mir gut. ich denke, kinder können sich gut damit identifizieren und vorgänge, in die man sonst keinen einblick hat wie z.b. das geschehen beim weihnachtsmann sind für sie immer interessant :).
sprachlich würde ich vor allem im ersten teil einige kleinigkeiten ändern, ansonsten gibt es nicht viel zu verändern denke ich.
bei deiner geschichte hab ich sogar förmlich die passenden bilder dazu gesehen. wie wärs mit einem bebilderten buch? bei gelegenheit kann ich dir mal einen kleinen verlag empfehlen, bei dem du das mal einreichen könntest (geschweige denn du hast schon einen ;) ).

LG
schattenhexe
 
Guten Morgen, Schattenhexe,

schön, dass Dir die Geschichte gefällt, danke auch für die leichte Kritik. Ich habe sie für einen Kindergarten geschrieben, in dem ich demnächst lese. Engel, Märchengestalten, sprechende Tiere usw. finde ich einfach toll für Kindergeschichten. Bei Lesungen stelle ich auch immer wieder fest, wie sehr die Kids solche Dinge lieben, sie hören voller Inbrunst zu, lach.

Ich finde es sehr nett von Dir, dass Du mir die Adresse von dem kleinen Verlag mitteilen möchtest,freue mich schon darauf, herzlichen Dank.

Lieber Gruß und einen schönen Sonntag noch,
Märchentante
 

Wendy

Mitglied
Hallo Märchentante,

ach, was war das wieder schön und sogar mit Happy End.
Auch ich konnte die Geschichte gut nachvollziehen. Der kleine Engel hätte auch Düsentrieb heißen können, so schnell wie er flog.

Herzliche Grüße

Wendy
 

maerchenhexe

Mitglied
Hallo Märchentante

musste gar nicht lange suchen und liebe deinen kleinen Engel Jonathan, der ist ein echter special agent. Einfach ein gelungenes maerchen.

lg

maerchenhexe
 

Christoph

Mitglied
Hallo Märchentante,

nette Weihnachtsgeschichte, die sehr lebendig geschrieben ist. Ich gehöre auch zu den Leuten, die mit Weihnachtsmann, Frau Holle etc. nicht viel am Hut haben, aber Deine Version hat mir gefallen.
Eine kleine Anmerkung zu Logik der Geschichte: der Papa der kleinen Marie ist in die [blue]Fremde[/blue] gezogen um Arbeit zu finden.
Wenn er sie da gefunden hat, wie kann es dann sein, dass er sagt: "
ich habe Arbeit gefunden und muss euch nie mehr verlassen"
Ich glaube aber, dass für Kindergartenkinder das versöhnliche Ende wichtiger ist, als die kleine logische Ungenauigkeit.
 



 
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