Mehr als nur Abenteuer / Teil 3

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Kelly Cloud

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"Um von den Amerikanern, die die Grenzen flüchtig kontrollierten, nicht entdeckt zu werden, fuhren wir immer nur in der Leermondwoche unsere drei Touren. Hin fuhren wir im geschlossenen Konvoi. Nach ungefähr vier Stunden überquerten wir mit 120 Km/h die Grenze. Nochmals eine Stunde später gab es dann immer brenzlige Situationen, weil dann die ersten Iraker meist übermüdet über die Gegenfahrbahn gedonnert kamen. Da absolutes Lichtverbot herrschte, musste man sich einfach möglichst rechts am Pistenrand halten, um Frontalkollisionen auf das Minimum zu beschränken. Die übermüdeten Iraker taten natürlich dasselbe. Nur, das war ein kleiner Trost, denn wenn so einer plötzlich ganz einschlief… Oft rollten sie zu unserem Glück einfach nach rechts von der Piste weg und blieben irgendwann im Sand stecken. Wenn sie Pech hatten, überschlugen sie sich schon bei hoher Geschwindigkeit. Dann wurde man einfach von einer grellen Stichflamme geblendet. Gott steh’ ihnen bei.“
„Das muss ja wie russisches Roulette gewesen sein“, meinte Gouder, der in seiner afrikanischen IKRK Zeit auch einiges erlebt hatte. „Ihr wart wohl jedesmal froh, wenn ihr die Stichflammen nur aus dem Rückspiegel sehen musstet, oder?“
„Na ja, meist waren die brennenden Trucks 50 und mehr Meter links von uns entfernt. Aber einmal waren wir wirklich froh, dass wir die Stichflamme erst im Rückspiegel sahen.“
Mo machte eine theatralische Handbewegung und fixierte Gouders Blick. Dieser wusste gleich, was nun kommen musste.
„Im rechten Rückspiegel nehme ich an“ fuhr Gouder das Gespräch fort. „Das hätte wohl auch ins Auge gehen können...“
„Ja, damals hatten wir ein riesiges Glück. Ich hatte den Konvoi angeführt. Plötzlich donnerte ich durch eine Staubwolke. Da stand mir einfach das Herz still bis ich ohne Aufschlag die Staubwolke hinter mir hatte. Und dann, plötzlich, blendete ein grelles Licht meine Augen, reflektierend durch den Rückspiegel. Den Knall habe ich nicht gehört. Aber Jussuf, der das Schlusslicht machte, erzählte uns später an der Raffinerie, dass er die Stichflamme ungefähr 30 Meter neben sich sah und nach der Explosion sein Truck durch die Wucht der Druckwelle zwei Meter nach links gedrückt wurde.“
„Geschwindigkeit sei dank,“ folgerte Gouder richtig. „Aber so was könnte wirklich ins Auge gehen. Was machte man eigentlich mit den ausgebrannten Wracks?“
„Die liess man dort. Wirst du schon sehen, wenn du mal mit dem Hilfskonvoi zum Flüchtlingslager Ruweishid fährst. Die gibt’s nicht nur auf irakischem Boden. Die Iraker pennten auch zuhauf kurz vor dem Ziel ein. Gott steh’ ihnen bei.“
Einen kurzen Moment schwiegen sie. Dann fragte Gouder: „Hat es auch mal einen von euch getroffen?“
„Ja, leider. Zum Schluss waren wir noch fünf. Ich muss noch vorweg nehmen, dass wir im 20 Minuten Takt beladen wurden. Und wir fuhren nach der Zahlung immer gleich los, denn oft zählte jede Minute, um noch bei völliger Dunkelheit über die Grenze zu kommen. Mustafa fuhr also etwa eine halbe Stunde mit 35 Tonnen Erdöl und 120 Sachen vor mir her und so wie ich das sah, war niemand zwischen uns. Nach etwa einer Stunde Fahrt macht die Piste eine langgezogene, leicht fallende Linkskurve. Auf diesem Teilstück kommt man locker, geschoben durch das Gewicht, auf 150. In Hundert bis Zweihundert Meter rechts neben der Piste liegen über 30 ausgebrannte irakische Trucks. Sie schliefen einfach ein und fanden ihren Tod an einer Stelle, wo man sie nicht mal mehr mit einem Bulldozer wegschieben musste. Gott steh’ ihnen bei.“ Mo warf einen Blick zum Himmel. „Aber Mustafas Truck und den leeren Truck eines Irakers musste man von der Piste schieben. Der Iraker war leer natürlich zu leicht, um sich und den 50 Tönner von der Strasse zu schieben. Der langsam aufwärtsfahrende Iraker muss wohl mit Bleifuss eingeschlafen sein und leider eine einzige Sekunde zu früh die linke Fahrbahn erreicht haben und frontal auf Mustafas herandonnernde Zeitbombe aufgeknallt sein.“
Sie schauten sich schweigend an. Gouder ahnte, dass die Erzählung bald zu ende sein wird.
„Tja, Gouder,“ Mo blicke kurz zum hellblauen, in der Hitze flimmernden Himmel. „Gott steh’ ihnen bei. Ich ahnte, was passiert war, als ich die Flammen zum hell erleuchteten Himmel steigen sah. Die beiden brennenden Trucks blockierten die rechte Hälfte der an dieser Stelle 40 Meter breiten Piste, was bewies, dass Mustafa ganz am rechten Pistenrand gefahren sein musste. Wie gesagt, das Schicksal hing nur von einer einzigen Sekunde ab. Das brennende Öl lief abwärts von der Strasse weg und entzündete noch ein paar ölgefüllte irakische Truckwracks. Als ich dann nach gut 20 Minuten an der Unfallstelle ankam rauchten die beiden Wracks auf der Piste nur noch. Das Öl hatte die Flammen schnell weggeschwemmt. Die leeren Iraker hielten nicht und warnten mich auch nicht. Sie krochen lichtlos die leichte Steigung an der Unfallstelle und mir vorbei. Klar, jeder war auf die Kohle angewiesen und wenn einer Pech hatte, dann war es halt für ihn vorbei. Bei uns Jordaniern war das ein bisschen anders. Unsere Existenz hing nicht von diesen illegalen Transporten ab. Wir waren jung und machten es nur um des Kicks Willen. Ich blieb 40 Meter von der Stelle stehen, zündete die komplette Beleuchtung meines Trucks ein und wartete auf meine Freunde. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ich einfach weiter gefahren wäre. Nach einer guten Stunde waren wir zusammen und blieben hell erleuchtet bis zum Morgengrauen stehen, um weitere Unfälle an dieser Stelle zu verhindern.“
Mo nahm einen letzten Schluck von seinem warmen Tee und stand auf. Gouder folgte ihm und rückte die Stühle zurecht. Eines wollte er noch wissen: „Haben euch die Amis dann geschnappt?“
„Das war der Grund, dass wir das Unternehmen einstellten und sagten: Drei tote Freunde sind zuviel!“ -
Gouder horchte auf.
- „Trotz Tageslicht fuhren wir unbehelligt durch angeblich feindliches Gebiet und überquerten noch unbehelligter die Grenze. Die Amis scherten sich einen Dreck um diese Erdölexporte.“
„Das darf ja wohl nicht wahr sein,“ Gouder kombinierte sofort. „Die Amis haben die Iraker absichtlich in den Tod getrieben indem sie sie im Glauben liessen, dass sie etwas Illegales tun. Dabei konnten sie ja nur froh sein, dass die Alliierten auf diese Weise billig zu Erdöl kamen und so den Irak um ihr kostbares Gut ein bisschen beraubten.“


Früh morgens im Wadi Rum ist nachmittags in Auckland

Während Gouder, Martina, Andrui und Mo sich im jordanischen Morgengrauen für den Abstieg vorbereiteten, stand Geoffrey auf der anderen Seite der Erdkugel am Strand und schaute zu den hohen Wellen des tasmanischen Meeres hinaus.

Auf zu weiteren Abenteuern?
 



 
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