Mein Gott

4,20 Stern(e) 10 Bewertungen

NewDawnK

Mitglied
Was nützt es, wenn ich mich verliere
an Rosen, die am Wegrand steh’n.
Sie sind doch nichts als nur Spaliere,
der Weg ist Weg zum Weitergeh’n.

Was nützt es, wenn ich mich verliere
an Geister, die kein Gott bewahrt.
Die Dunkelheit gebiert Vampire
und löscht sie, wenn der Morgen naht.

Dem will ich meine Zeit nicht schenken,
verschenken will ich sie an Dich.
Nur Du kannst meine Schritte lenken,
denn Du, mein Gott!, erhörst mich nicht.
 

Dorothea

Mitglied
Hallo NewDawnK,

obwohl ich ja eine ganz andere Position (philosophisch, theologisch) einnehme als Du, wie du weißt, gefallen mir Deine Zeilen ausnehmend gut! Sie formulieren in wirksamen, nicht gekünstelt wirkenden Metaphern und in einem den Text sorglich tragenden Metrum die Gegenposition gegen fundamentalistisch verkrampfte Theologiekonzepte auf glaubhafte Art und Weise.

Die liebevolle Zuwendung zum "Du" als Lebenskonzept, auch wenn es unbequem oder gefährlich wird, ist übrigens für mich der einzige Nachweis gelebten christlichen Glaubens. Der katholische Theologe Karl Rahner hat für Menschen, die so leben, obwohl sie Gott nicht kennen (wollen), als nicht existent beschreiben, den ausdruck "anonyme Christen" geprägt. Nicht weil er sie gegen ihren Willen als Christen "einheimsen" wollte, sondern um damit auszudrücken, dass sie so leben, wie ein (als existent angenommener Gott) sich Christen wünschen würde.

Meine einzige, winzige "Kritik": die Rose ist für mich mehr als Spalier!
sehr gern gelesen!
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Dorothea,

in punkto Rosen gebe ich Dir gerne Recht - aber was ist schon eine Rose gegen einen Menschen, der sich über eine Rose freut? :)

Ich kann zwar nicht erkennen, woraus Du meine Position ableitest, aber ich kann Dir versichern, ich bin (so wie vermutlich die meisten hier in unserem Kulturkreis) mit meinen anerzogenen und verinnerlichten christlichen Idealen schon oft genug an eigene und fremde Grenzen gestoßen, um zu wissen, wie man sich das Leben mit und ohne fremde Hilfe unnötig schwer machen kann.
Die liebevolle Zuwendung zum "Du" als Lebenskonzept wird wohl auch deshalb eher eine lebenslange Gratwanderung als eine sichere Aufgabe für mich bleiben, weil ich denke, dass ausnahmslos jedes "Du" auf dieser Welt ein unbestreitbares Recht auf die Entwicklung seiner eigenen inneren Freiheit haben sollte. Und was das im Einzelfall bedeutet, muss jedes "Du" für sich selbst entscheiden dürfen - auch auf die Gefahr hin, dass damit die christliche Nächstenliebe liebgewonnene Zielobjekte verliert.

Ich danke Dir sehr für Deinen Mut machenden Kommentar.

Schöne Grüße, NDK
 

Haremsdame

Mitglied
Hallo NewDawnK,

der Titel Deines Textes hat mich gereizt. Die Ausführung finde ich sehr gelungen.

In meinen Augen stoßen wir in jedem "DU" auf das oder den, was ich als "Gott" bezeichne. Ohne die Kraft, die ich bisher aus meinem Glauben ziehen konnte, hätte ich wahrscheinlich schon lange aufgegeben...

Um nicht zu "verschroben" zu gelten: ich kann auch herzlich lachen, wenn Gott liebevoll auf den Arm genommen wird. Zum Beispiel in "Die Versuchungen des Mr. Golightly". Ein Buch, das ich mir zur Zeit recht genüsslich reinziehe.

Deine Zeilen sprechen mich sehr an!

Herzliche Grüße
Haremsdame
 

NewDawnK

Mitglied
Vielen Dank, Haremsdame, für Deine freundlichen Worte.

Wenn man schon an Gott glaubt, dann sollte er das Wichtigste sein, das man stets im Kopf hat – denn sonst lohnt sich der Glaube ja nicht... :)

Schöne Grüße, NDK
 

vrai ment

Mitglied
letzte zeile..

Würdest du an Gott glauben würde er deine Gebete erhören?
glaubst du nur deswegen nicht an ihn weil er nicht tut was du erwartest?
Was für ein Gott wäre es der deine Erwartungen erfüllt?
Ist ein Gott als stiller Erfüller menschlicher Wünsche und Erwartungen sinnvoll?
Denkst du Religiösität ist eine Begabung, ähnlich dem musischen oder vielleicht Mangel an Reflexionsvermögen oder ..?
 

Milko

Mitglied
verstandohgott

an vrai.ment
ich glaube du hast die letzte zeile nicht richtig verstanden
(selbstverständlich meine ich im zusammenhang zum rest)"meingott"!
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Vrai ment,

ich pflege meine LyrIchs nicht zu benutzen, um den Lesern eine bestimmte Sicht der Dinge aufzuzwingen. Die Interpretation meiner Wortgeschöpfe ist und bleibt Sache der Leser.

(Meine ganz persönliche Meinung zum Thema Gottesbilder: Sich ein Bild von etwas Nichtbegreifbarem zu machen, ist sehr menschlich. Ohne solche Bilder würden viele ihre Orientierung verlieren. Ohne Bilder wäre auch eine Verständigung nicht möglich.
Das Problem ist: Immer dann, wenn man (Wort)Bilder allzu wörtlich nimmt oder allzu einseitig auslegt, läuft man Gefahr zu vergessen, was sie eigentlich sind - nur Bilder für etwas, das nie mehr als eine Ahnung sein kann, weil es dem Inhalt nach über den menschlichen Horizont hinausreicht.
„Du sollst Dir kein Bildnis machen“ - ist aus meiner Sicht eines der intelligentesten Gebote des Alten Testaments.)

Nun zu Deinen Fragen. Wie Du weißt, bin ich ja nur die Autorin, deshalb kann ich nur spekulieren, was LyrIch Dir antworten würde. Möglicherweise heute dies, vielleicht morgen schon etwas völlig Anderes. Du musst verstehen, meine LyrIchs sind alle nur Menschen und als solche noch längst nicht am Ende der Weisheit angelangt...

Würdest du an Gott glauben würde er deine Gebete erhören?
LyrIch: Wenn ein Gott meine Gebete erhört, ist er kein Gott. Dann brauche ich nicht mehr zu glauben. Dann weiß ich, dass ich der Gott bin.

glaubst du nur deswegen nicht an ihn weil er nicht tut was du erwartest?
LyrIch: Er fasziniert mich, gerade weil ich ihn nicht steuern kann. Je unbegreiflicher er mir ist umso eher kann ich mir vorstellen, dass er zu guter Letzt alles das sein wird, was ich mir von ihm erhoffe.

Was für ein Gott wäre es der deine Erwartungen erfüllt?
LyrIch: Keiner, siehe oben.

Ist ein Gott als stiller Erfüller menschlicher Wünsche und Erwartungen sinnvoll?
LyrIch: Wer ist denn die Instanz, die bestimmt, was für uns Menschen sinnvoll ist?

Denkst du Religiösität ist eine Begabung, ähnlich dem musischen oder vielleicht Mangel an Reflexionsvermögen oder ..?
LyrIch: Ich denke, es ist völlig normal sich die Weltzusammenhänge so zurecht zu spinnen, dass sie erträglich und im kleinen menschlichen Maßstab überschaubar werden. Oder um mit Ringelnatz zu schreiben: „Jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise.“ Wer sich diesbezüglich für eine Ausnahme oder für etwas ganz Besonders hält, der spinnt gewaltig.
Und was denkst Du, Vrai ment...? :)

Schöne Grüße, NDK
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Milko,

jede/r darf diesen Text verstehen, wie er will und wie es ihm/ihr nützlich ist. :)

Schöne Grüße, NDK
 

Gerd Geiser

Mitglied
Beeindruckende Gedanken im Anhang. Tut mir ein bischen leid um meine nur 7. Aber man ist ja nicht immer in der Stimmung, die es einem erlaubt, ein Gedicht wirklich aus zu loten.
(ob man grundsätzlich das Werkzeug dazu mitbringt, ist noch eine ganz andere Frage)

Musste ich mal eben los werden.

LG
GG
 
N

no-name

Gast
Liebe NDK,

auf mich wirkt dein Text sehr ausgereift, stimmig und gelungen. Mich haben deine Zeilen angesprochen und mir wirklich gut gefallen.

Grüße von no-name.
 

NewDawnK

Mitglied
Lieber Gerd, Liebe No-Name – Vielen Dank Euch beiden!

Aus einer Zeit, als sich die Männer noch für die einzig wahren Menschen hielten, stammt das folgende Zitat von Ludwig Börne: „Ein Mann von Geist wird nicht allein nie etwas Dummes sagen, er wird auch nie etwas Dummes hören.“

Unter der Bedingung, dass hier "Mann" durch "Mensch" ersetzt wird, eine durchaus geistreiche Aussage, finde ich... ;)

Schöne Grüße, NDK
 

AlexT

Mitglied
Ich habe den lebendigen GOtt schon erlebt - als einen Gott, der wohl Gebete erhört, weil wir Ihm nicht egal sind, aber trotzdem noch Gott ist, weil Er niemals irgendwas am Absoluten ändert, weil es uns irgendwie nicht passt. Eheliche Untreue oder sexuelle Zügellosigkeit z.B. sind in der Welt längst schon fast normal, aber Sünde bleibt Sünde. Zum Beispiel. Das klingt heute nach Mittelalter, ist aber immer noch so. Dieser Gott ist aber vor allen Dingen ein Gott des POsitiven, der Liebe und der Schönheit, der auch die "Spaliere" von Rosen geschaffen hat, weil Er sie von ganzem Herzen wollte. Das ist die hoffentlich theologisch einwandfreie Wahrheit über den Schöpfer unserer Welt, die ich hiermit und schon mit manchem Gedicht von mir bezeuge, zusammen mit der Bibel und mit Millionen anderer gläubiger Christen. Aber, wie gesagt, ich will und kann keinem anderen etwas aufzwingen - Er selbst tut es nicht und hat uns auch davor gewarnt. Ich finde es grundsätzlich interessant und tiefsinnig, was Du so an Gedanken hier offenbarst. (Klingt jetzt etwas wie OBerlehrer, Entschuldigung) Formal habe ich so spontan tnichts zu bemängeln.
 



 
Oben Unten