Mein Leben in BERLIN
„Und…was machst du so?“
„Das war´s“, dachte ich und überlegte, ob ich einfach aufstehen und gehen sollte. „Und was machst du so?“ Das war die dämlichste Frage, die man überhaupt stellen konnte. Als ob es eine Bedeutung hätte, was ich so mache.
„Zahnarzt!“ antwortete ich aufs geratewohl, obwohl ich mir danach am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Zahnarzt und arbeitsloser Sozialpädagoge. Das nahm sich nicht viel. Obwohl ich zurzeit ja eigentlich Spätshopverkäufer war.
„Zahnarzt!“, rief sie und lachte. „Darauf wäre ich bei dir ja nie gekommen!“ Ihr Gesicht hatte etwas eulenhaftes, riesengroße Augen und eine ganz kleine, spitze Nase. Außerdem war alles kräftig eingepudert, ganz leicht konnte man Aknenarben unter der Puderschicht erkennen. Ihre schmalen Lippen zeigten auch eher nach unten als nach oben. Wie sie so lachte und herumschrie. Ich fand, das passte irgendwie nicht zu ihr.
„Und, wie ist das so als Zahnarzt!“, rief sie, wobei sie „Zahnarzt“ mit Absicht so aussprach, als sei es etwas ganz besonders tolles.
„Naja, wie soll das schon sein, alles hassen dich!“, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich ärgerte mich. Alles hatte so gut angefangen, wir waren beide irgendwie zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle der Bar gestanden und hatten auf unsere Bestellung gewartet. Ich hatte irgendeinen blöden Witz gemacht, von wegen der Barkeeper habe den Mauerfall wohl verschlafen, oder etwas anderes geistloses, woraufhin sie laut aufgelacht hatte. Da war ich schon ziemlich erstaunt gewesen. Dann hatten wir eine Weile über dies und das geredet, aber nicht über den üblichen Quatsch und sie war neben mir stehen geblieben, mit den zwei Rotweingläsern in der Hand, bis ihre Freundin zu uns gekommen war und sich ärgerlich nach ihrem Getränk erkundigt hatte. Da war sie natürlich mitgegangen und hatte mich alleine zurückgelassen. Aber irgendwann war sie wieder zu mir gekommen.
Wir hatten uns noch eine Weile unterhalten. Sie hatte mir erzählt, dass sie als Flugbegleiterin arbeite und ich hatte ihr gesagt, dass ich mir das bei ihr gut vorstellen könne. Dann hatte sie ihre dämliche Frage gestellt. „Und was machst du so?“ Ich trank mein Bier noch aus. Dann ging ich nach Hause.
Es war natürlich Zufall, dass sie ein paar Wochen später bei mir im Spätshop stand. Mit einem Cabernet Sauvignon in der Hand und mich dabei gar nicht verächtlich, sondern eher erstaunt anguckte. Was ich denn hier mache, fragte sie mich. Jetzt hatte sie kein Puder im Gesicht und man sah die Aknenarben ganz deutlich auf den Backen. Außerdem sprach sie ganz leise, fast enttäuscht und sah mit ihren beiden riesigen Eulenaugen sehr zerbrechlich aus.
Aber ich traute mich nicht zuzugeben, dass ich sie angelogen hatte. Deshalb erzählte ich ihr, dass mein alter Kumpel Notstand gehabt hätte und ich in seinem Kiosk eingesprungen wäre. Sie schrieb dann noch ihre Nummer auf eine Serviette, die ich in den Müll warf, weil ich sie ja sowieso schon angelogen hatte und das mit ihr deshalb keine Zukunft hatte.
Und dann stand sie ein paar Wochen wieder bei mir im Kiosk und stellte mich zur Rede, warum ich mich nicht bei ihr gemeldet hätte. Ich sagte ihr, dass ich ihre Nummer verloren hätte, aber sie glaubte mir nicht und brach beinah in Weinen aus. Da wurde mir schon ein bisschen heiß, weil es wirklich so aussah, als läge ihr irgendetwas an mir. Also fragte ich sie noch einmal nach ihrer Nummer und versprach ihr hoch und heilig anzurufen, was ich dann auch tat und mich mit ihr verabredete.
Wir trafen uns nachmittags in irgendeinem Kaffee und jetzt hatte sie wieder das Puder im Gesicht, obwohl es noch hell war. Ich fand, dass das seltsam aussah, wo sie doch so ein hübsches Gesicht hatte, mit den großen Augen, die so schön strahlen konnten, aber jetzt so matt aussahen. Wir redeten eigentlich gar nicht so viel, berührten uns aber manchmal mit den Knien unter dem Tisch. Da hatte ich das erste Mal seit langer Zeit wieder so richtig starkes Herzklopfen.
Dann gingen wir zu ihr in die Wohnung, wo sie eine Bong auspackte, was mich überraschte, weil das gar nicht so sehr zu ihr passte, fand ich zumindest. Sie machte sie an und ich rauchte ein bisschen mit, aber hauptsächlich rauchte sie. Und dann zeigte sie mir ihren Unterarm und sagte, dass das erst vier Monate her sei, dass sie versucht habe sich die Pulsadern aufzuschneiden, aber dass sie jetzt zur Therapie gehe und es ihr schon viel besser ginge. Als sie high war, sagte sie noch, dass ich es gern mit ihr treiben könne, falls ich Lust dazu hätte. Das brachte mich aus der Fassung und ich stand auf, um zu gehen. Aber dann fing sie an zu weinen und sagte, dass ich sie jetzt doch nicht alleine lassen könne, weil sie fühle, dass bald wieder ihre Depression anfange. Also setzte ich mich wieder neben sie, woraufhin sie mich umarmte und ich eine Gänsehaut bekam, weil mich doch schon so lange niemand mehr umarmt hatte.
„Und…was machst du so?“
„Das war´s“, dachte ich und überlegte, ob ich einfach aufstehen und gehen sollte. „Und was machst du so?“ Das war die dämlichste Frage, die man überhaupt stellen konnte. Als ob es eine Bedeutung hätte, was ich so mache.
„Zahnarzt!“ antwortete ich aufs geratewohl, obwohl ich mir danach am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Zahnarzt und arbeitsloser Sozialpädagoge. Das nahm sich nicht viel. Obwohl ich zurzeit ja eigentlich Spätshopverkäufer war.
„Zahnarzt!“, rief sie und lachte. „Darauf wäre ich bei dir ja nie gekommen!“ Ihr Gesicht hatte etwas eulenhaftes, riesengroße Augen und eine ganz kleine, spitze Nase. Außerdem war alles kräftig eingepudert, ganz leicht konnte man Aknenarben unter der Puderschicht erkennen. Ihre schmalen Lippen zeigten auch eher nach unten als nach oben. Wie sie so lachte und herumschrie. Ich fand, das passte irgendwie nicht zu ihr.
„Und, wie ist das so als Zahnarzt!“, rief sie, wobei sie „Zahnarzt“ mit Absicht so aussprach, als sei es etwas ganz besonders tolles.
„Naja, wie soll das schon sein, alles hassen dich!“, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich ärgerte mich. Alles hatte so gut angefangen, wir waren beide irgendwie zur gleichen Zeit an der gleichen Stelle der Bar gestanden und hatten auf unsere Bestellung gewartet. Ich hatte irgendeinen blöden Witz gemacht, von wegen der Barkeeper habe den Mauerfall wohl verschlafen, oder etwas anderes geistloses, woraufhin sie laut aufgelacht hatte. Da war ich schon ziemlich erstaunt gewesen. Dann hatten wir eine Weile über dies und das geredet, aber nicht über den üblichen Quatsch und sie war neben mir stehen geblieben, mit den zwei Rotweingläsern in der Hand, bis ihre Freundin zu uns gekommen war und sich ärgerlich nach ihrem Getränk erkundigt hatte. Da war sie natürlich mitgegangen und hatte mich alleine zurückgelassen. Aber irgendwann war sie wieder zu mir gekommen.
Wir hatten uns noch eine Weile unterhalten. Sie hatte mir erzählt, dass sie als Flugbegleiterin arbeite und ich hatte ihr gesagt, dass ich mir das bei ihr gut vorstellen könne. Dann hatte sie ihre dämliche Frage gestellt. „Und was machst du so?“ Ich trank mein Bier noch aus. Dann ging ich nach Hause.
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Es war natürlich Zufall, dass sie ein paar Wochen später bei mir im Spätshop stand. Mit einem Cabernet Sauvignon in der Hand und mich dabei gar nicht verächtlich, sondern eher erstaunt anguckte. Was ich denn hier mache, fragte sie mich. Jetzt hatte sie kein Puder im Gesicht und man sah die Aknenarben ganz deutlich auf den Backen. Außerdem sprach sie ganz leise, fast enttäuscht und sah mit ihren beiden riesigen Eulenaugen sehr zerbrechlich aus.
Aber ich traute mich nicht zuzugeben, dass ich sie angelogen hatte. Deshalb erzählte ich ihr, dass mein alter Kumpel Notstand gehabt hätte und ich in seinem Kiosk eingesprungen wäre. Sie schrieb dann noch ihre Nummer auf eine Serviette, die ich in den Müll warf, weil ich sie ja sowieso schon angelogen hatte und das mit ihr deshalb keine Zukunft hatte.
Und dann stand sie ein paar Wochen wieder bei mir im Kiosk und stellte mich zur Rede, warum ich mich nicht bei ihr gemeldet hätte. Ich sagte ihr, dass ich ihre Nummer verloren hätte, aber sie glaubte mir nicht und brach beinah in Weinen aus. Da wurde mir schon ein bisschen heiß, weil es wirklich so aussah, als läge ihr irgendetwas an mir. Also fragte ich sie noch einmal nach ihrer Nummer und versprach ihr hoch und heilig anzurufen, was ich dann auch tat und mich mit ihr verabredete.
Wir trafen uns nachmittags in irgendeinem Kaffee und jetzt hatte sie wieder das Puder im Gesicht, obwohl es noch hell war. Ich fand, dass das seltsam aussah, wo sie doch so ein hübsches Gesicht hatte, mit den großen Augen, die so schön strahlen konnten, aber jetzt so matt aussahen. Wir redeten eigentlich gar nicht so viel, berührten uns aber manchmal mit den Knien unter dem Tisch. Da hatte ich das erste Mal seit langer Zeit wieder so richtig starkes Herzklopfen.
Dann gingen wir zu ihr in die Wohnung, wo sie eine Bong auspackte, was mich überraschte, weil das gar nicht so sehr zu ihr passte, fand ich zumindest. Sie machte sie an und ich rauchte ein bisschen mit, aber hauptsächlich rauchte sie. Und dann zeigte sie mir ihren Unterarm und sagte, dass das erst vier Monate her sei, dass sie versucht habe sich die Pulsadern aufzuschneiden, aber dass sie jetzt zur Therapie gehe und es ihr schon viel besser ginge. Als sie high war, sagte sie noch, dass ich es gern mit ihr treiben könne, falls ich Lust dazu hätte. Das brachte mich aus der Fassung und ich stand auf, um zu gehen. Aber dann fing sie an zu weinen und sagte, dass ich sie jetzt doch nicht alleine lassen könne, weil sie fühle, dass bald wieder ihre Depression anfange. Also setzte ich mich wieder neben sie, woraufhin sie mich umarmte und ich eine Gänsehaut bekam, weil mich doch schon so lange niemand mehr umarmt hatte.