Mein Schlachter und ich

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Meine Freunde, die mich kennen und selber Hunde besitzen, wissen, dass ich seit längerer Zeit die Leckerchen für meine Vierbeiner selber herstelle. Unter anderem auch getrocknete Schweineohren. Also marschiere ich Woche für Woche zu verschiedenen Schlachtern in meiner Umgebung und kaufe dort die Schweineohren auf, um sie in meinem speziellen Schrank zu trocknen. Verständlich, dass sich im Laufe der Wochen und Monate ein fast freundschaftlicher Kontakt zwischen uns aufbaute. Hier mal ein nettes Wort und dort mal ein lautes Lachen. Tagesthemen werden besprochen und das Leben allgemein. So, wie es halt üblich ist im ländlichen Leben, wo Zeit nicht nur ein Wort ist, sondern auch noch mit jeder Scheibe Wurst – oder halt jedem besagten Schweineohr – angeboten wird. Und so blieb es nicht aus, dass mich eines Tages die Seniorchefin eines Schlachters auf die immensen Mengen meines Schweineohrenverbrauches ansprach. Wurde ich bis dato immer belächelt, wenn ich sie eimerweise aus dem Geschäft holte, so wandelte sich nun ihr Gesicht in unbegreifliches Erstaunen. Fröhlich erzählte ich, dass ich die Ohren für unsere vier Belgier und ein paar Hundefreunde brauchte. Dass ich sie trocknen würde und sie ein wunderbares Leckerchen für unsere vierbeinigen Gefährten abgaben. Und so kamen wir in ein ausführliches Gespräch über Hunde. Ihr Rottweiler war vor kurzem verstorben, doch sie wollten sich wieder einen neuen Hund anschaffen. Auch wieder einen großen – so Richtung Bernhardiner.
Ich weiß nicht, wie lange ich an diesem Tag in dem Geschäft stand und wir uns unterhielten. Draußen regnete es, die Kundschaft blieb aus und wir zwei waren für längere Zeit unter uns. Was störte es mich, dass Günter draußen im Auto auf mich wartete? Er war im Trockenen – genau wie ich!
Nach diesem Gespräch vergingen einige Wochen. Regelmäßig holte ich die Schweineohren ab, kam, bezahlte und ging wieder. Für ein freundliches Gespräch blieb kaum die Zeit, weil meistens viel Kundschaft im Laden war.
Doch eines Tages bat mich die Seniorchefin einen Augenblick zu warten. Ein Mann kam dazu, der seines Zeichens Schlachter war.
„Sagen Sie mal – wie machen Sie das mit den Ohren? Das muss doch stinken, wenn Sie die trocknen!“ wollte er verständnislos wissen.
Ich musste lachen. Wieder einmal erklärte ich die Herstellung von meinem Trockenfutter. Doch er war immer noch nicht überzeugt. Also versprach ich ihm, bei meinem nächsten Besuch ein getrocknetes Schweineohr mitzubringen.
Gesagt, getan! Ich packte einen Beutel voll mit Herz, Lunge, Pansen, Rinderhuf und dem besagten Ohr. Doch wieder einmal war der Laden voll und ich reichte die Tüte nur mit einem Augenzwinkern hinein.
Es dauerte eine Woche, bis ich wieder zu dem Schlachter kam. Ich reichte den leeren Eimer über die Theke, der, wie immer, abgewogen wurde. Dann bekam ich einen vollen Eimer mit Schweineohren zurück. Außer mir war noch eine Kundin im Laden. Ungeduldig wartete ich ab, bis sie ihr Gespräch mit der Seniorchefin beendete. Dann endlich konnte ich meine Frage loswerden.
„Was hat denn Ihr Schlachter zu den getrockneten Sachen gesagt? Hat er alles erkannt?“
Gespannt wartete ich auf ihre Antwort. Die Seniorchefin nickte heftig.
„Ja! Aber mit dem Füttern müssen wir noch ein wenig vorsichtig sein. Wissen Sie: er hat einen empfindlichen Magen. Da müssen wir genau überlegen, was wir ihm von den Sachen geben!“
Ich spürte, wie ich mich verkrampfte. Der Eimer mit den Schweineohren wurde zentnerschwer in meiner Hand. Wie im Reflex nickte ich schweigend. Meine Augen wollten sich nicht mehr schließen – irgendwie passen die Augenlider nicht mehr über die Augäpfel...!
Wortlos bezahlte ich und verließ den Laden. Sehr schweigend trat ich die Heimfahrt an. Günter kam das nun wieder äußerst merkwürdig vor.
„Ist etwas?“ wollte er wissen.
Ich glaube, es hat Minuten gedauert, bis ich antworten konnte.
„Du, ich glaube, die füttern ihren Schlachter mit meinen Trockensachen! Aber – der bekommt doch niemals den Rinderhuf zerkaut...!“
Ich weiß heute nicht mehr, was Günter antwortete – auf jeden Fall hat er sich sehr über meine Worte amüsiert. Währenddessen ging mir der arme Schlachter nicht mehr aus dem Kopf. Umgeben von Fleisch, Wurst, Schinken und leckeren Koteletts sollte er mit getrockneten Schweineohren „gefüttert“ werden? Und das auch noch vorsichtig, weil er einen empfindlichen Magen hatte?
Nein! Ich verstand die Welt nicht mehr!
Bald darauf stand ich wieder in diesem Geschäft. Diesmal waren die Seniorchefin und ich alleine. Ich bekam meinen Eimer mit Schweineohren über die Theke, bezahlte und zögerte, das Geschäft zu verlassen. Eine Frage brannte mir auf der Zunge und ich wäre wohl an diesem Tag daran erstickt, wenn ich sie nicht gestellt hätte.
„Wie kommen Sie denn mit den Trockenfutter klar?“ fragte ich vorsichtig. Dabei verkrampfte sich meine Hand um den Griff des Eimers, weil ich gleichzeitig an den armen Schlachter und seine Zähne denken musste.
„Oh, das geht gut. Aber wir können ja nicht so viel davon geben. Er ist ja noch so klein!“ hörte ich die fröhliche Antwort.
Sooooooo klein???????????
Na, so klein war der Schlachter nun wirklich nicht gewesen!
Sollte etwa...?
Ich holte tief Luft und stieß dann hervor: „Haben Sie etwa einen neuen Hund?“
Die Seniorchefin nickte heftig. Dabei leuchteten ihre Augen vor Vergnügen.
„Ja! Einen kleinen Bernersennenhund!“
Und damit hatten wir das Gespräch des Tages gefunden!
Sagt ehrlich Freunde: sind Hunde nicht das schönste Thema, über das man sich unterhalten kann????
 
L

loona

Gast
Hallo Imke,

eine sehr liebevolle und gut durchgearbeitete Geschichte, die mir beim Lesen eine Menge Freude bereitet hat. Einige Anmerkungen und Vorschläge zu Deiner freien Verfügung:

Der Wechsel zwischen dem verregneten, zweisamen Tag beim Schlachter (eine norddeutsche Spezialität, den Metzger / Fleischer "Schlachter" zu nennen) und den darauffolgenden, kundschaftsvollen Tagen noch mit einigen Worten deutlicher machen. z.B.
Für ein freundliches Gespräch blieb kaum die Zeit, weil nun meistens viel Kundschaft im Laden war. (meistens? nun immer oder?)

Die weiteren getrockneten Körperteile / Organe tauchen etwas unvermutet auf und verwirren (mich). Bisher war davon nie die Rede, sondern nur von den Schweineohren. Entweder schon früher einflechten oder (ich würde es vorziehen, weil es die Geschichte konzentrierter macht und auf den Punkt bringt) alles außer den Ohren streichen. Auch die Vorstellung, ein Schlachter müßte an getrockneten Schweinsohren knabbern ist abstrus und besorgniserregend genug!

Und zu guter Letzt: vielleicht läßt sich die Pointe / Auflösung am Ende ein klein bißchen straffen? Vielleicht lag es auch nur am ob seiner Comichaftigkeit aus dem Text herausfallenden Sooooooo klein??????????? - da würde ein "So klein??" ausreichen.

Grüße

loona
 



 
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