Mein Uhu, der komische Vogel 3

Mein Uhu, der komische Vogel 3

Ich bin nicht allein Zuhause, er ist da, sitzt vorm Fernseher, so müde, dass er nicht mehr sprechen kann. Seine Augendeckel klappen rhythmisch auf und zu. Er erinnert mich oft an einen Uhu, der schaut und schaut, schaut und doch nichts sieht, obwohl Uhu's ja gute Augen haben sollen.
Im Glas Wein, das wir trinken wollen, schwimmen Obstfliegen. Es schüttelt mich, ich muss raus an die frische Luft. Die goldenen Ringe rauben mir mehr und mehr den Atem.

Warum nur geht es mir so, mit meinem schrägen Vogel daheim? Der, mir, wenn überhaupt, dann Schleiereulenblicke zusendet, dessen schlaftrunkenes Grunzen sich wie das Rufen eines Uhus anhört; der gleichzeitig, so lahm wie ein überfressener Gänserich,mit seinen Arbeits- und Unterhosen gleichzeitig, beides kunstvoll zwischenseine Fesseln drapiert, vom Klo ins Schlafzimmer schlurft und mir dann manchmal stolz seine Lust auf Sex hinhält. Sex haben wir nicht einmal mehr so regelmäßig wie das Straßenfegen, Auto waschen oder den sonntäglichen Gang zum Gottesdienst.
Ist mir im Grunde auch egal, ich habe in letzter Zeit sowieso Angst, dass er mittendrin zu schnarchen beginnt.
Soll seine Enge ihm doch die Kehle zuschnüren, aber nein, er ist zu widerstandsfähig.

Stattdessen drohe ich an den fast 25 Jahresringen zu ersticken. Ja und wenn ich nun doch nicht an ihnen ersticke … dann verhungere ich. Egal was oder wie, sie bedeuten meinen Tod. Ich aber will leben mit jeder Faser meines Seins. Frau will ich sein und Mutter, Geliebte, Freundin, Abenteuerin, Entdeckerin, Erfinderin und … und … und. An Vogelzüchterin und Tierpflegerin habe ich nie gedacht. Ohne auf die Uhr zu schauen, oder gar noch einen Blick zurück in den Käfig zu werfen, laufe ich hinaus auf die Straße, entferne mich immer weiter vom Haus. Weg vom goldenen Käfig, in dem der Uhu grunzt, statt gurrt oder wie ein anständiger Uhu ruft, so wie sich das gehört. Will alles, was damit verbunden ist, für einen Moment vergessen.
Die Straßenlaternen sind spärlich verteilt, überall wird gespart. Die jungen Ahornbäume recken sich gen Himmel, sie verdecken das ansonsten spendable Licht. Mir wird es etwas unheimlich, wo soll ich nur hin, so spät in der Nacht. Kein Mensch begegnet mir, ich schlendere wie immer allein. Windgeblasen zieht Eiseskälte vom Norden her durch die Allee
und treibt mich zum Dorf hinaus. Schwarzblau ist diese Nacht, kaum ein Stern zu sehen.
Wolkenberge erinnern an Nächte, aus glücklichen Kindertagen, in denen ich mit meinen Schwestern in Fantasiewelten eingetaucht bin. Damals haben wir das Unmögliche möglich gemacht.

Wir waren Jeannies in ihrer Zauberwelt und erfanden Schuhe, deren Plateaus gleich hoch, wie die Absätze waren. Wir waren reiche Diven, und besaßen Häuser, deren umgebende Grundstücke per Fernbedienung mit elektrischen Zäunen geschützt wurden. Wie von Geisterhand gesteuert fuhren sie aus dem Erdreich und galten als absolut einbruchsicher.
Ja und wir hatten auch einen Butler, der so vornehm sprach dass er einen Sprachfehler hatte. Der Butler hieß James Bond und kam aus England. Wir fanden das total schick. Papa kannte den Butler auch, er war im Fernsehen und konnte viele tolle Dinge.

Mitten rein in meine schwelgenden Erinnerungen, zieht etwas meinen Blick magisch zum Himmel. Ein großes flatterndes Etwas wirft Schatten über meinen Kopf und lässt sich irgendwo in den Bäumen am Waldrand nieder. Der Mond lächelt mich an, komischerweise kommt es mir so vor, als grinse er ein bisschen süffisant.
Ich lächele in meiner wohligen Befindlichkeit zurück, und fühle mich eingeladen, mich auf den Baumstumpf vor meinen Füßen hinzusetzen. Ich kuschel mich in meine mollige Daunenjacke ein, atme tief durch und strecke meine Beine weit aus. Schläfrig fallen mir die Augen zu, ich reiße sie weit auf, mir ist klar das ich hier nicht einschlafen darf.
Doch wer kommt schon gegen seinen inneren Schweinehund an, wenn er zum einen völlig erschöpft ist und sich zum anderen auch noch völlig wohl dabei fühlt. Ich muß aufstehen schwirrt es mir durch den Kopf. Ich kann hier nicht … ach, ist doch alles egal … wer vermißt mich schon … noch ein bisschen träumen wird doch erlaubt sein … mein Kinn fällt auf die Brust … Augen auf… ich sollte nach hause gehen … alles egal, ich schlafe gleich selig und süß … doch plötzlich ist er da ... der Ruf des Uhus.

24.06.07 Heike Keuper- Göbel
 



 
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