Meine Klage und mein Flehen

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Meine Klage und mein Flehen

Höret, dieses ist mein Lied
Das ich euch singe, klage.
Mich, den niemals irgendeiner sieht
Bin ich nicht mehr als eine Sage.
Aus alter Zeit, Vergangenheit
Wie sehr vermisse ich
Dich und all das große Leid,
Das du gebracht hast über mich
Und das ich stets zu fliehen suchte.
Ach, seht wohin es mich gebracht
Hier stehe ich, befreit von Schmerz und Pein und fluche
Des verdammenswerten Schicksals Macht.
Fels und Fels auf unter über mir
Um mich in mir der Steine Pracht
Nichts als Stein umgibt mich hier.
Ihr Götter aber ohne Acht
Belasst ihr meine Schreie und mein Flehen.
Soll ich auf ewig hier bestehen?
Dies ist kein Ort an den es lohnt zu gehen
Wer bin ich? Kann mich doch nicht mal selber sehen.
Was bleibt mir in Gefangenschaft
Nichts als der Tinten schwarzer Saft
Und diese Feder, dies Papier.
Erfahrt von meinem Leiden Ihr,
die ihr frei, gesegnet seid.
Ich schreibe manchmal nicht gescheit,
seit ich verweile hier
verzeiht es mir.
Ich schrieb noch nie zuvor als jetzt
Mit Tränen mein Papier benetzt.
Der Kiel ist einzig, was mir nützt,
Die Feder einzig, die mich schützt
Und in der Worte kalten Mangels,
Leb einsam, ich, Ramir vom Fels.
 
Man muss davon ausgehen,

dass hier Ramir zu Recht gefangengesetzt wurde aufgrund seiner bereits in diesem kurzen Text unübersehbaren Sprachverbrechen.
Die Klage des mittlerweile mit dem Fels Legierten dringt noch diffus durch: Er fühlt sich nicht wohl! Warum genau, bleibt indessen nebulös.
Ein konkretes inhaltliches Flehen ist leider nicht zu eruieren, nur die Behauptung, dass gefleht würde.

[Ich schreibe manchmal nicht gescheit,
seit ich verweile hier
verzeiht es mir.]

Es ist verziehen, denn der gewillte Leser verzeiht Manches. Damit wird der Text jedoch nicht verständlicher.

[Ich schrieb noch nie zuvor als jetzt
Mit Tränen mein Papier benetzt.]

Ja, das merkt man bereits direkt an dieser Formulierung. Aber es sollte sich nicht um Verzweiflungstränen handeln, sondern um Schweißtropfen, die noch nötig wären diesen Text zu klären.

Denn:
[Wer bin ich? Kann mich doch nicht mal selber sehen.]

Oder deutlicher formuliert:
Was ist das, dieser Text? Der Autor kann ihn auch selbst nicht verstehen.

Darum geht es nämlich.
Im Ansatz, zB der Sprachwahl, ist das Werk einigermaßen vielversprechend, nur ist der Autor offenbar seinem Anspruch, seiner eigenen Intention, in der vorliegenden Textrealität nicht gewachsen.

Wir können dennoch im Slogan der Gerolsteiner-Werbung mit Ramir hoffen:
"Ein sprachlich geklärter und danach verständlicher Ramir muss -im Sinne des "solve et coagula" noch weiterhin durch einen tiefen Stein."
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PS: Es gäbe noch die Möglichkeit dem Autor entgegenzulesen und den Text insgesamt als diffuse Chiffre zu verstehen, dann hätten wir eine Art abstrakter Neuinszenierung des bartlosen "Barbarossa im Kyffhäuser" o.ä. ???
 
Ramir,

Die grundsätzlich Idee, die ich hinter deinem Text vermute - ganz verstehe ich ihn nicht - find ich eigentlich nicht übel, es erzählt nicht der Autor selbst, sondern ein fiktives lyrisches Ich, das seine Situation beklagt - nämlich im Fels gefangen zu sein - einziges Mittel dem Wahnsinn dieser Situation zu entgehen sieht es im Schreiben. Diese Form eines Erzählers, der den Namen des Autors trägt aber mit diesem nicht gleichzusetzen ist, ist eine interessante Wahl, die mich ein wenig an mittelhochdeutsche Versepen erinnert.
An deiner Sprache solltest du arbeiten, antiquierte Sprachformen werden als weniger ansprechend empfunden, deshalb sollten sie klarer und durchdachter auftreten. Ich glaube, es ist eine sehr viel schwierige Aufgabe, die du dir da aufgeladen hast, als wenn du in moderner Alltagssprache schreiben würdest.
Eine gewisse Diffusität im Text gefällt mir, ich bin der Meinung, dass man einem Leser nicht alles absolut verständlich darstellen muss, gerade Texte mit einem Rätsel darin enthalten durchaus ihren Reiz. Ich bin deshalb nicht sicher, ob der Text wirklich der Klärung bedarf, oder eher der Vorstellungsgabe des Lesers. Eine Formulierung wie

"Wer bin ich? Kann mich doch nicht mal selber sehen."

empfinde ich als eine gelunge Verklärung - ein Ich im Identitätsverlust, passend zu der Szenerie des Gefängnisses im Berg.
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass dir die lyrische Form nicht besonders zusagt, vielleicht solltest du dich zunächst an Prosa versuchen. Besonders ist mir ein Bruch aufgefallen:

"Erfahrt von meinem Leiden ihr
die ihr frei,gesegnet seid//
ich schreibe manchmal nicht gescheit"

Du wechselst hier abrupt von der Thematik der Klage in die des Schreibens, eingefügt in die direkte Anrede des Lesers, die auch in diesen Versen zum ersten Mal auftritt. Besonders der Reim, der gerade die zwei durch den Bruch getrennten Verse wieder verbindet, wirkt hier störend. Das ganze wird noch verstärkt durch die darauf folgenden Verse, die nicht dem Versmaß entsprechen und ihren eigenen Rhythmus haben. An dieser Stelle solltest du auf jeden Fall arbeiten, um einen flüsig lesbaren Text zu erhalten.

Grüße entbietet
Ann-Kathrin

PS: Waldemar, du meinst die Selters- Werbung.
 



 
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