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Arno.Kuhn

Mitglied
Martin und Caro gehen was trinken und verhindern eine drohende peinliche Gesprächspause durch das Thema \"peinliche Gesprächspausen\". Guter Plan, Caro und Martin. Na dann mal los!

Caro, 22 Jahre alt, hat einen festen Hintern und nestelt an der kleinen Holzkette herum, die an ihrem Handy hängt und vermutlich Strahlen abhalten, oder verdeutlichen soll, dass Caro ein nicht zu unterschätzendes Interesse an der Lage der Welt hat. Vermutlich hat sie die Holzkette von einer Freundin aus Neuseeland mitgebracht bekommen, oder an einem kleinen Stand auf einem total süßen Markt in Südspanien für 8,50€ nach mehrmaligem Nachverhandeln erstanden. Auf die Nachfrage, was das mit ihrem Job denn genau sei, der für Caro bisher noch nicht der richtige war, antwortet sie mit der Souveränität von einer die weiß, wie die Dinge in der Welt laufen, „das muss sich fügen.“ Wenn es der richtige ist, wird es sich gewiss richtig anfühlen, das weiß Caro.

Martin, der durch diese Frage vor allem ein emotionales Band knüpfen wollte, das ihn aus der spekulativen Masse aller Beischlafanwärter hervorhebt, nickt brav, interessiert sich aber natürlich nicht im geringsten dafür, wie seine Gesprächspartnerin „ihr Leben lebt“, wie sie sagt, und dass sie sich dabei auch nichts vorschreiben lässt. Martin rechnet außerdem gerade seine Chancen bei der Holden aus, die er allerdings – so die Erfahrungswerte – für gering hält. Zum einen wegen potentieller Konkurrenten, die vermutlich der Grund für das repetitive Blicken seiner Gesprächspartnerin auf ihr Smartphone sind, zum anderen weil Abende, die um 5 vor 10 erst bei Chai-Tee-Hibiskus und nervösem Herumnesteln angelangt sind, selten zu verschwitztem Herumwälzen aufeinander führen. Martin hat überdies eh kaum Interesse an ihr, weil das Mädchen eher so der Typ Partybekanntschaft ist. Kann man machen, sagt Martin immer, muss man aber nicht.

Caro findet, dass sich auch die Wohnungssuche fügen muss, und sich richtig anfühlen, wenn‘s denn mal soweit ist. Selbstverständlich gilt das auch für die Partnerwahl, womit dieser Typ hier eigentlich schon aus dem Rennen wäre, der ein klein wenig zu offensiv ihren Hintern begutachtet hat und gerade seit 20 Minuten erzählt, wie das war, im letzten Sommer, mit Bier und Kumpels an Baggersee, und im Winter, mit Skifahren auf der Hütte. Voll geil und echt der Wahnsinn, mostly. Und obwohl Caro gern am Baggersee ist, und auch gern auf der Hütte ist, stört sie, dass es sich nicht richtig anfühlt, dass es mit ihm ein bisschen zu viel Arbeit ist, sich zu unterhalten. Auf die Frage „ist was?“ antwortet sie „alles paletti“, steckt ihr Handy weg und lächelt künstlich.

Martin findet, dass irgendjemand so langsam sagen sollte, dass es ein schöner Abend war, aber bald der letzte Bus fährt, und er sagt „die machen hier so langsam zu. Willst du noch was machen oder belassen wir’s dabei?“, wobei er hofft, dass es das jetzt endlich war.

Caro wollte sich eigentlich gerade entschuldigen, mit dem Verweis auf eine Freundin, der’s grad nicht so gut geht; antwortet jetzt aber, sie weiß nicht, man könne ja mal schauen. „Musst du auch in Richtung Innenstadt?“

Martin fragt vor seiner Haustür eigentlich nur aus Prinzip – also aus Datenerhebung – , ob sie noch mit raufkommen möchte, auf nen Kaffee. Caro muss sowieso auf die Toilette und fragt von dort ihre beste Freundin, ob sie das schon noch richtig weiß, was „auf nen Kaffee mit hochkommen“ heißt. Caro kommt von der Toilette, sie küssen sich aus Konvention und landen auf Martins IKEA-Bett. Caro und Martin begatten sich uninspiriert exakt 7 Minuten und 38 Sekunden, was beide mittelmäßig zufriedenstellt.

Martin wacht um halb 3 nachts auf, weil das Mädchen neben ihm schnarcht. Caro schlägt um halb 6 die Augen auf, riecht Martins Mundgeruch, weil er sich aufs Kissen gesabbert hat, steht auf und zieht sich an. Auf einen Zettel schreibt sie besseren Wissens „Bis ganz bald vielleicht. LG“ Einen Tage später ruft Martin, weil er kein Arschloch sein will, an; fragt, wie’s ihr geht und ob sie Lust auf nen Kaffee hat. Caro und Martin haben wieder Kaffee getrunken und waren sogar im Kino. Und weil man sich da weder unterhalten noch sehen muss, sind Caro und Martin jetzt ein Paar. Sie werden Heiraten, zusammen alt werden, Kinder bekommen und sich einen Scheißdreck füreinander interessieren.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno.Kuhn, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Ralph Ronneberger

Redakteur in diesem Forum
 

Ji Rina

Mitglied
Oh je, Arno! Die Aussichten sind nicht so gut….
Da kann man nur noch hoffen, dass beide eine “karmische” Bindung haben, und gewisses lernen werden – ohne es jedoch zu wissen.
Herzlich Willkommen in der Leselupe!
Gruss,
Ji
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo Arno!

Dein Blick auf Caro und Martin ist mir zu zynisch. Deshalb gefällt mir deine Geschichte nicht.

Besonders der letzte Absatz, in dem du das weitere Leben der beiden Prot. abhandelst und damit endest, dass sie sich "einen Scheißdreck füreinander interessieren", hat mich abgestoßen.

Du bleibst in deiner Darstellung sehr beschreibend. Das und der stete Wechsel der Perspektive lässt die Erzählung monoton erscheinen. Einzelne Passagen finde ich dabei durchaus anschaulich, manchmal sogar witzig (wenn nicht dieser lieblose, zynische Unterton wäre).

Gruß, Hyazinthe
 
A

aligaga

Gast
Hallo @Arno,

wenn du literarisch weiterkommen möchtest, solltest du nie auf Zuschriften achten, die "mit gefällt mir - gefällt mir nicht" daherkommen.

Texte wie dieser da, der ohne großen Firlefanz schonungslos zeigt, wie das Leben halt so läuft, wenns läuft, und der uns bei vielen Details ahnen lässt, der Autor wisse ziemlich genau Bescheid in unserer Ikea-Welt, haben's bei der weiblichen Leserschaft schwer. Die wünscht sich entweder schwerste Betroffenheit, ramontische Aussichten oder Witzischkeit, keinesfalls aber punktgenaue Abbildungen gräulichen Alltags (früher durfte man greulich schreiben und kam damit von der blöden Farbe weg).

Das Stückerl "sitzt", wie man so schön sagt. Ein paar Formulierungen sind nicht ganz eben, aber das tut ihm insgesamt keinen Abbruch. Das Wort "Scheißdreck" würde @ali tatsächlich durch etwas anderes ersetzen - es ist ein Spürchen zu wertend und bietet, wie du ja feststellen kannst, sofort Anlass zu Empörung.

Nur weiter so! Das macht sich!

Gruß

aligaga
 

Ji Rina

Mitglied
Haha…Wie lustig es ist, wenn man übers Netz gesagt bekommt, was man gern liest und was nicht.

Mir war schon klar, dass der Text mit Ironie geschrieben ist. Dazu brauch man eigentlich nur diesen einen Satz lesen:

""interessiert sich aber natürlich nicht im geringsten dafür, wie seine Gesprächspartnerin „ihr Leben lebt“",

Und gerade dieser Satz, nur als Beispiel, war mir zu direkt, zu eindeutlich. Wie Z.B. auch:

""Martin hat überdies eh kaum Interesse an ihr""

Mehr Bilder hätte ich mir stattdessen gewünscht.

Nicht gleich ins Haus fallen wollte ich, weil der Autor gerad erst angereist ist und erstmal seinen Koffer auspacken muss.
Sonntagsgrüsse!
Ji
 
A

aligaga

Gast
Mehr Bilder hätte ich mir stattdessen gewünscht.
Noch mehr Bilder? Der Autor hat doch so gut wie gar keins ausgelassen!

Bevor du alles, was @ali sagt, fälschlich auf dich beziehst, @Ji: sämtliche Kommentare lesen!

Heiterer Gruß

aligaga
 

rothsten

Mitglied
Hallo Arno und ein Herzliches Willkommen auch von mir.

Ein fast perfektes Debut, will ich meinen. Mich hat Dein Text jedenfalls voll erwischt.

Du offenbarst Dich uns als einen Autor, der mir viel Beobachtungsgabe ausgestattet ist. Was mir aber ausnehmend gut gefällt ist Dein Sprachwitz, zB

das ihn aus der spekulativen Masse aller Beischlafanwärter hervorhebt,
Zum einen wegen potentieller Konkurrenten, die vermutlich der Grund für das repetitive Blicken seiner Gesprächspartnerin auf ihr Smartphone sind, zum anderen weil Abende, die um 5 vor 10 erst bei Chai-Tee-Hibiskus und nervösem Herumnesteln angelangt sind, selten zu verschwitztem Herumwälzen aufeinander führen.
So schreibt kein Anfänger, so schreibt jemand, der weiß, was er tut. "Spekulativ" und "repetitiv" sind so Wörter, die man Dir eigentlich um die Ohren hauen müsste. Das mache ich auch regelmäßig mit all denen, die mit Eigenschaftswörtern nicht umgehen können, vor allem nicht mit fremdsprachlichen. Hier jedoch treffen sie genau den Ton des eher reservierten, dokumentierenden Erzählers, der sowas wie eine statistische Studie anlegen will. Außerdem erweitern sie die Szene, vor allem in den passenden Farben: Reserviertheit wird ausgedrückt durch Abstraktion, Das Kurzangebundensein wird nicht verwässert durch längere Beschreibung einer Handlung.

Dass Du das im kompletten Text durchhälst, das kann kein Zufall sein, das ist gekonnt. Bravo!

Das Ende hingegen trägt mir zu dick auf. Ich hätte es besser gefunden, sie wären getrennte Wege gegangen, aber es ist Dein Text.

Ein paar Schönheitsfehler:

\"peinliche Gesprächspausen\".
= Formatierungsfehler

Auf einen Zettel schreibt sie besseren Wissens
"wider" fehlt.

Einen Tag[red][strike]e[/strike][/red] später ruft Martin

Sie werden Heiraten,
"heiraten" klein geschrieben


Alles in allem ein starkes Debut. Es ist wohl eher Kurzprosa, denn eine Erzählung. Man könnte sie dorthin verschieben lassen. Könnte sich für Dich lohnen, da dort die Klickrate höher ist. Dein Text hat jedenfalls verdient, oft gelesen zu werden.

Bitte mehr davon,
lg
 
G

Gelöschtes Mitglied 16391

Gast
Lieber Arno,

haha, na das hat mir gut gefallen. Jetzt wächst zusammen, was nicht zusammen gehört. So bitter dieser Text auch ist, so real ist er doch auch. Wenn es auf die 40 zugeht und die Angst vor der Einsamkeit größer ist als die Angst vor dem falschen Partner, dann entsteht so eine Beziehung wie die zwischen Martin und Caro. Schön auch, wie jeder Leser im besagten Alter wahrscheinlich denkt: "Nein, nein, bei mir ist es anders" und gleichzeitig diesen Funken Wahrheit im Hinterkopf spürt, der munter ins Großhirn sprüht.

Danke, dein Text macht Lust auf mehr, auch auf längere Texte von dir. Aber: Wer am Anfang schon so überzeugt, weckt natürlich große Erwartungen.

Gruß,

CPMAn
 
A

aligaga

Gast
Wenn es auf die 40 zugeht und die Angst vor der Einsamkeit größer ist als die Angst vor dem falschen Partner, dann entsteht so eine Beziehung wie die zwischen Martin und Caro.
TTipp, @cpman: Sorgfältiger lesen! Caro ist ausweislich des Textes und ausweislich der gelungenen Beschreibung 22 Jahre alt.

Welche Geschichte hast du denn vor Augen?

Erstaunliche Grüße

aligaga
 

Arno.Kuhn

Mitglied
Martin und Caro gehen was trinken und verhindern eine drohende peinliche Gesprächspause durch das Thema "peinliche Gesprächspausen". Guter Plan, Caro und Martin. Na dann mal los!

Caro, 22 Jahre alt, hat einen festen Hintern und nestelt an der kleinen Holzkette herum, die an ihrem Handy hängt und vermutlich Strahlen abhalten, oder verdeutlichen soll, dass Caro ein nicht zu unterschätzendes Interesse an der Lage der Welt hat. Vermutlich hat sie die Holzkette von einer Freundin aus Neuseeland mitgebracht bekommen, oder an einem kleinen Stand auf einem total süßen Markt in Südspanien für 8,50€ nach mehrmaligem Nachverhandeln erstanden. Auf die Nachfrage, was das mit ihrem Job denn genau sei, der für Caro bisher noch nicht der richtige war, antwortet sie mit der Souveränität von einer die weiß, wie die Dinge in der Welt laufen, „das muss sich fügen.“ Wenn es der richtige ist, wird es sich gewiss richtig anfühlen, das weiß Caro.

Martin, der durch diese Frage vor allem ein emotionales Band knüpfen wollte, das ihn aus der spekulativen Masse aller Beischlafanwärter hervorhebt, nickt brav, interessiert sich aber natürlich nicht im geringsten dafür, wie seine Gesprächspartnerin „ihr Leben lebt“, wie sie sagt, und dass sie sich dabei auch nichts vorschreiben lässt. Martin rechnet außerdem gerade seine Chancen bei der Holden aus, die er allerdings – so die Erfahrungswerte – für gering hält. Zum einen wegen potentieller Konkurrenten, die vermutlich der Grund für das repetitive Blicken seiner Gesprächspartnerin auf ihr Smartphone sind, zum anderen weil Abende, die um 5 vor 10 erst bei Chai-Tee-Hibiskus und nervösem Herumnesteln angelangt sind, selten zu verschwitztem Herumwälzen aufeinander führen. Martin hat überdies eh kaum Interesse an ihr, weil das Mädchen eher so der Typ Partybekanntschaft ist. Kann man machen, sagt Martin immer, muss man aber nicht.

Caro findet, dass sich auch die Wohnungssuche fügen muss, und sich richtig anfühlen, wenn‘s denn mal soweit ist. Selbstverständlich gilt das auch für die Partnerwahl, womit dieser Typ hier eigentlich schon aus dem Rennen wäre, der ein klein wenig zu offensiv ihren Hintern begutachtet hat und gerade seit 20 Minuten erzählt, wie das war, im letzten Sommer, mit Bier und Kumpels an Baggersee, und im Winter, mit Skifahren auf der Hütte. Voll geil und echt der Wahnsinn, mostly. Und obwohl Caro gern am Baggersee ist, und auch gern auf der Hütte ist, stört sie, dass es sich nicht richtig anfühlt, dass es mit ihm ein bisschen zu viel Arbeit ist, sich zu unterhalten. Auf die Frage „ist was?“ antwortet sie „alles paletti“, steckt ihr Handy weg und lächelt künstlich.

Martin findet, dass irgendjemand so langsam sagen sollte, dass es ein schöner Abend war, aber bald der letzte Bus fährt, und er sagt „die machen hier so langsam zu. Willst du noch was machen oder belassen wir’s dabei?“, wobei er hofft, dass es das jetzt endlich war.

Caro wollte sich eigentlich gerade entschuldigen, mit dem Verweis auf eine Freundin, der’s grad nicht so gut geht; antwortet jetzt aber, sie weiß nicht, man könne ja mal schauen. „Musst du auch in Richtung Innenstadt?“

Martin fragt vor seiner Haustür eigentlich nur aus Prinzip – also aus Datenerhebung – , ob sie noch mit raufkommen möchte, auf nen Kaffee. Caro muss sowieso auf die Toilette und fragt von dort ihre beste Freundin, ob sie das schon noch richtig weiß, was „auf nen Kaffee mit hochkommen“ heißt. Caro kommt von der Toilette, sie küssen sich aus Konvention und landen auf Martins IKEA-Bett. Caro und Martin begatten sich uninspiriert exakt 7 Minuten und 38 Sekunden, was beide mittelmäßig zufriedenstellt.

Martin wacht um halb 3 nachts auf, weil das Mädchen neben ihm schnarcht. Caro schlägt um halb 6 die Augen auf, riecht Martins Mundgeruch, weil er sich aufs Kissen gesabbert hat, steht auf und zieht sich an. Auf einen Zettel schreibt sie wider besseren Wissens „Bis ganz bald vielleicht. LG“ Einen Tag später ruft Martin, weil er kein Arschloch sein will, an; fragt, wie’s ihr geht und ob sie Lust auf nen Kaffee hat. Caro und Martin haben wieder Kaffee getrunken und waren sogar im Kino. Und weil man sich da weder unterhalten noch sehen muss, sind Caro und Martin jetzt ein Paar. Sie werden heiraten, zusammen alt werden, Kinder bekommen und sich einen Scheißdreck füreinander interessieren.
 

Arno.Kuhn

Mitglied
Oh, wie schön, hier bekommt man ja richtig Resonanz. Vielen Dank dafür - und auch für die Korrekturen.

Dass durchgehend der letzte Satz die meiste Kritik einfährt überrascht mich nicht. Der Versuch war, dass hier auf einmal eine Wertung (und damit eine Erzählinstanz) auftaucht, die vorher durch den nüchternen Stil zumindest nicht hervorgehoben wird. Der Bruch am Schluss sollte also (abgesehen vom inhaltlichen Offensichtlichen) die Erzählinstanz offenlegen und kaputtmachen. Hat vielleicht noch nicht so ganz funktioniert.

Viele Grüße,
 

rothsten

Mitglied
Oh, wie schön, hier bekommt man ja richtig Resonanz.
Es ist ein Geben und Nehmen, Arno. Wer so gut schreiben kann, der kann bestimmt auch anderen Autoren helfen. Und davon lebt dieses Forum ja. ;)

Zum Textende nochmal:

Mir ist dieser Wandel zu krass. Der Erzähler ist bis dahin komplett reserviert, dann bezieht er wie aus heiterem Himmel Stellung, und zwar eine extreme.

Wofür ist dieser Bruch denn zwingend nötig aus Deiner Sicht? Fürchtest Du, Dein Text sei sonst zu beliebig? Das lese ich aus Deiner Erklärung jedenfalls. Er wäre es mitnichten, er steht für sich, er reicht sich selbst.

lg
 

Arno.Kuhn

Mitglied
Schon klar, wie das in Foren läuft :)

Ich finde der Bruch ist nötig, weil der Erzählgestus eben zunächst affirmativ ist, überlegen, pseudoschwarzhumorig etc.
So ist der Text, sichtbar an den lieben Kommentaren, ja teilweise auch gelesen worden: Als zynisches Resultat einer Lebensklugheit. Das meine ich mit Erzählhaltung, die zu dekonstruieren wäre, weil sie eben eben affirmativ im Sinne einer Bestätigung von laxen Ahnungen über das Leben ist. Das ist mir inhaltlich zu wenig. Die Dekonstruktion der Erzählhaltung kann in diesem Fall eben nicht sukzessive geschehen, weil man so weite Teile der Erzählung schwächen würde, sondern - so der Plan - durch die Durchführung der Affirmation. Am Schluss geht inhaltlich alles so weiter wie in der Erzählung angelegt, unspektakulär, unbefriedigend für alle Beteiligten, ohne comic relief oder Konsequenz. Das finde ich inhaltlich gar nicht bruchhaft, sondern nur formal - und die Form sollte dadurch eben den Inhalt kommentieren.

Aber ich will die Kritik schon annehmen. Das nächste Ding wird hoffentlich stilistisch mehr aus einem Guss.
 
A

aligaga

Gast
Ich finde der Bruch ist nötig, weil der Erzählgestus eben zunächst affirmativ ist, überlegen, pseudoschwarzhumorig etc.
Das finde ich inhaltlich gar nicht bruchhaft, sondern nur formal - und die Form sollte dadurch eben den Inhalt kommentieren.

Was denn jetzt? Bruch oder nicht?

Ich seh keinen. Die Nummer verrieselt in dem Nichts, aus dem sie entstand. Das ist doch kein Bruch!

Aber das Wort "Scheißdreck" fällt aus dem Rahmen. Nicht, weil es obszön wäre, sondern weil es bewertet. Der Autor führt eine Instanz ein, die bis dato nicht existierte. Das passt nicht zu einem Beschrieb.

TTipp: "Scheißdreck" durch das Wort "nicht" ersetzen - und schon wäre die Kuh vom Eis.

Gruß

aligaga
 

FrankK

Mitglied
Hallo Arno
Auch von mir erst einmal ein Willkommen in, auf und unter der Leselupe. ;)

Aus dem Stand, mit dem "Erstlingswerk" auf "das Beste" zu rutschen, ist schon eine reife Leistung. Gratuliere.

Den Schluss-Satz, und vor allem den, würde ich nicht verändern. In meinen Augen ist er die Quintessenz der mittlerweile so bemühten Partnerschafts-Anbahnungen. Umfassende Gesellschaftskritik schwingt im Hintergrund mit.

Bestenfalls vom Text mittels Zeilenwechsel abtrennen und freistellen.


Viele Grüße aus Westfalen
Frank
 

Ji Rina

Mitglied
@Arno Kuhn:
“””Oh, wie schön, hier bekommt man ja richtig Resonanz.”””


Zum Glück gibt es dieses Forum noch! Hier werden Kurzgeschichten und Erzählungen noch geschätzt.
Woanders werden sie meist belächelt:
Ach so…..Kurzgeschichten….
Prosatexte/Gedichte, nicht mal angenommen.
Lieben Gruss,
Ji
 
D

Die Dohle

Gast
Willkommen Arno.Kuhn,

Überwiegend starkes Stück, Respekt. Allerdings:
Aus der Geschichte wird m.M. ein solider Zopf, wenn die letzten zwei Sätze gestrichen werden. Weil:
Es ist natürlich Unsinn & unerschütterliches, desungeachtet unzutreffendes Klischee, wonach schon früher und auch heute ein ganzes Leben vorgezeichnet sei. Lass es offen und wir alle werden sehen, was wir heute noch nicht wissen können. Als Notnagel, wenn´s denn halt unbedingt sein muß aus deiner Sicht, bemüh halt das "Möglicherweise". Unvermeidliche Gefahr hierbei: Moralin.

Paare finden sich aus allen nur erdenklichen Situationen heraus. Was daraus schließlich wird, kann niemand wissen. Zu sagen, mit 40 fährt die Sache zwingend an die Wand, ist zwar billig & marktgängig, wie auch hier dokumentiert, aber keineswegs preiswert, da es den Menschen die Möglichkeit einer Entwicklung radikal abspricht. Konsequenz daraus: Mittelalterliches lebensfernes & moralinsaures Diktat, sprich, die Freiheit geht den Weg, den die Kloschüssel weist. Das ist falsch: Es sind keineswegs in Mehrheit solche Beziehungen, wie beschrieben, die stranden. Bisschen Recherche und Konsequenz aus den Tatsachen legen mir o.g. Anregung nahe.

Überdies stellst du mit diesem meinerseits vorgeschlagenen Eingriff das Argument, der Text käme in die Nähe von Zynismus wirksam und den Tatsachen entsprechend ab.

Fazit: Gut geschrieben, das Finale allerdings darf gerne einer Überprüfung entgegensehen aus meiner Sicht und wie oben begründet.
Ich hoff, du kannst mit diesen Anregungen was anfangen und wünsch frohes Werkeln am Buchstabe, der Start hier ist eindrucksvoll.

lg
die dohle
 

FrankK

Mitglied
Hallo, Dohle
Mit Streichung der letzten Sätze ginge eine gut dosierte Portion "Zynismus" allerdings verloren.

Meine Lesart:
Kontrakarikatur zum modernen Weltbild der Partnersuche via Internet - [blue]Speed[/blue]dating, Partner[blue]börsen[/blue], Kontakt[blue]apps[/blue] ...

Was ist aus dem, scheinbar aus der Mode gekommenen, herrkömmlichen "Treffen und Kennenlernen" geworden?


Herzliche Grüße aus Westfalen
Frank
 
D

Die Dohle

Gast
Hallo FrankK,
ich denke, ernst gemeinte Literatur sollte der Freiheit und den bekannten Tatsachen verpflichtet sein. In meinen Augen gewinnt der Text an Überzeugungskraft, wenn der letzte Satz rausfliegt, die ausgemachte Gesellschaftskritik ist doch bereits ausführlich notiert, obwohl der Text dann, ich sag mal, stiller daherkommt.
Gute Literatur führt die Leute nicht am moralinen Nasenring vor. Das stigmatisiert, ändert nichts & treibt die Leute bewaffnet in die Schützengräben, hier im Fall noch nicht mal zutreffend.

Derlei Schreiberei, das war mal, und das waren ungute Zeiten. Zynische Schlagrichtungen zerstören. Das an sich wäre u.U. kein Mangel, falls ungute Zustände damit abgestellt würden. Zynismus jedoch hat außer der Zerstörung kein anderes Ziel, mithin, pflegten wir Zynismus, pflegten wir den Untergang. Meine Frage hierzu: Wozu, worin läge der Gewinn?
Mein Ansatz, den ich zur Diskussion stelle ist es, obschon Schrott festgestellt, sehr treffend zumal, wie ich finde: Ende offen, schauen wir doch mal, was die Zwei daraus machen ..., das wäre literarisch formulierte Freiheit. Wenigstens aus meiner bescheidenen Sicht.

lg
die dohle
 



 
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