Micha und Plumpsi

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Klaus Zinner

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Und wieder einmal ist ein Tag für den fünfjährigen Micha zu Ende gegangen. Wie immer, wenn ihn seine Mama ins Bett gebracht und einen Gute-Nacht-Kuss gegeben hat, nimmt Micha noch seinen besten Freund, den lustigen Teddy Plumpsi in seine Arme, um auch ihm Gute Nacht zu sagen. Oft bespricht Micha noch den Tagesablauf mit Plumpsi, denn die Beiden sind nicht nur die besten sondern auch die vertrautesten Freunde. Sie sprechen über alles, sogar manchmal darüber, was Micha nicht unbedingt seiner Mama erzählen wollte. Micha ist müde und möchte seinem Freund nur noch eine gute Nacht wünschen.
„Schlaf gut, Plumpsi, bis morgen“.
Er legt seinen Freund neben sich auf das Kopfkissen, kuschelt sich fest in seine Decke und ist fast schon eingeschlafen, als er, wie aus weiter Ferne, die Stimme seines Freundes hört: „Na, Micha, hast du mir nichts zu erzählen oder möchtest du mir nichts erzählen?“
Micha öffnet erstaunt seine Augen und sieht seinen Freund an. Was er sieht lässt ihn erschrecken und wieder hellwach werden. In den tiefbraunen Knopfaugen von Plumpsi erkennt er große Traurigkeit.
„Was ist mit Dir, Plumpsi“, fragt Micha besorgt. „Nein, ich habe dir nichts zu sagen, es ist heute nichts Besonderes passiert“.
Micha erkennt, wie Plumpsi zusammenzuckt und sich von ihm abwendet. Das sonst immer so volle und fröhliche Mündchen von Plumpsi, besteht nur noch aus zwei dünnen Strichen, und nun sieht Micha auch einige Tränen bei Plumpsi.
Er setzt sich aufrecht in sein Bettchen, nimmt seinen Freund in beide Hände und schüttelt ihn: „Plumpsi, was ist los mit dir, warum bist du so traurig, bitte sprich mit mir“, beschwört Micha seinen Freund und ist ganz außer sich. Ablehnend, fast schon widerwillig presst Plumpsi hervor: „Ach, Micha, lass mich in Ruhe, ich will mit dir nicht reden“.
So tief enttäuscht hat die Stimme von Plumpsi noch nie geklungen. Nun rüttelt und schüttelt Micha seinen Freund ganz heftig.
„Das ist gemein, Plumpsi, sehr gemein von dir. Wir haben uns doch das Versprechen gegeben, uns immer die Wahrheit zu sagen, was es auch sein mag“.
Immer noch sehr traurig, aber mit fester Stimme und einem durchdringenden Blick antwortet Plumpsi: „Richtig, Micha, das haben wir uns nicht nur versprochen, darauf haben wir uns sogar das Ehrenwort gegeben. Ich habe mich auch daran gehalten, weil ich es wunderschön finde einen Freund zu haben, dem ich alles sagen und dem ich vertrauen kann ...“.
Micha unterbricht ihn aufgeregt: „Aber natürlich, Plumpsi, daran habe ich mich auch gehalten ...“
Plumpsi lässt ihn nicht ausreden und schreit seinen Freund an: „Nein, das hast du nicht. Du wolltest mir nur Gute Nacht sagen, ohne mir zu erzählen was heute geschehen ist. Damit hast du dein Wort gebrochen, trotz des Versprechens, trotz des Ehrenworts, dass wir uns alles sagen wollen und alles heißt auch alles!“
Micha denkt angestrengt nach. „Ich weiß nicht, ich weiß wirklich nicht was du meinst, Plumpsi, es hat heute nichts Wichtiges gegeben, was ich dir hätte sagen müssen, bestimmt nicht, glaube mir doch“.
„So, wirklich nicht, bist du ganz sicher, Micha?“
„Doch, eigentlich schon, Plumpsi“.
„Micha“, sagt Plumpsi nun mit strenger Miene, „da war sogar etwas sehr Wichtiges, es hat mit deiner Mama zu tun“.
„Mit meiner Mama“, fragt Micha ungläubig, „was soll denn da so Wichtiges gewesen sein, dass ich es dir hätte sagen müssen? Es war doch nichts Besonderes ...“.
„Doch“, unterbricht Plumpsi Micha nun schon ganz empört, „sogar etwas ganz Besonderes, denn du hast deiner Mama nicht die Wahrheit gesagt, und das ist das Schlimmste was passieren kann. Du wirst dich doch sicher noch erinnern, dass wir uns vor allen Dingen vorgenommen haben immer die Wahrheit zu sagen. Na, weißt du nun was ich meine?“
Micha denkt noch angestrengter nach, grübelt und grübelt, aber versteht immer noch nicht. Doch die eindringliche Stimme von Plumpsi macht ihn unsicher.
„Hat dich deine Mama vorhin nicht gefragt, als du aus dem Bad gekommen bist, ob du dir deine Zähne geputzt hast? So lange ist das noch gar nicht her.“
Nun dämmert es Micha. „Aber, Plumpsi, so wichtig ist das doch nun auch nicht, wenn ich mal ein klein wenig geschwindelt habe. Du hast Recht, ich hatte mir die Zähne nicht geputzt, aber meiner Mama gesagt, dass ich sie doch geputzt habe, aber ...“.
„Nix, aber, Micha, die Wahrheit ist die Wahrheit, und auch ein kleiner Schwindel ist eben nicht die Wahrheit. Und wer schon bei kleinen Dingen nicht die Wahrheit sagt, wird es bei großen Dingen erst Recht nicht tun. Außerdem, mir hättest du es wenigstens sagen müssen, wenn du schon deine Mama anschwindelst; doch auch das hast du nicht getan“.
Eine ganze Weile herrscht nun Schweigen zwischen den Beiden, ein betretenes Schweigen. In Micha macht sich ein ganz schlechtes Gewissen breit. Dann schaut er seinem Freund tief in die runden Knopfaugen, während ihm selbst Tränen über das Gesicht laufen.
Ganz fest presst er Plumpsi an sich. „Plumpsi, mein Freund“, sagt er mit leiser aber fester Stimme, „es tut mir sehr leid und ich bin froh, dass du so böse mit mir gewesen bist, du hattest allen Grund dazu. Du bist ein wahrer Freund, und ich möchte dich immer als meinen besten Freund behalten“.
Schon kurze Zeit später sind beide tief und fest eingeschlafen. Auf ihren Gesichtern liegt ein zufriedenes und glückliches Lächeln.

Klaus Zinner
 



 
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