Hallo Gernot,
auch von meiner Seite ein herzliche Willkommen auf der LL.
Anders als Retep bin ich der Meinung, dass deine Geschichte eher zu den Kurzgeschichten als zu Märchen gehört. Deine ursprüngliche Wahl halte ich für besser.
Über die Frage 'Kitsch oder nicht Kitsch' kann man sich trefflich streiten, ohne dass es etwas zum Thema beitrüge.
Aber auch von mir einige Bemerkungen zu deiner Orthografie, Interpunktion und Zeitenwahl:
Michael 154
Ida hatte die Hände zum Gebet gefaltet und betrachtete ihren kleinen Weihnachtsbaum. Ihre Augen waren feucht,[red](kein Komma)[/red] und sie dachte daran [red](Komma)[/red] wie es früher war [blue](Ich würde hier und in den nächsten Sätzen statt des Imperfekts das Plusquamperfekt vorziehen, um zu verdeutlichen, dass diese Ereignisse so lange her sind, dass sie für Ida abgeschlossen sind)[/blue]. Im alten Radio auf der Kommode ertönte leise,[red](kein Komma)[/red] “Stille Nacht, heilige Nacht“. Ida dachte an ihren verstorbenen Mann Albert, an Anna[red](Komma)[/red] ihre beste Freundin[red](Komma)[/red] und an Toni, ihren Sohn, der in jungen Jahren einem schlimmen Herzleiden erlag[blue](Plusquamperfekt: erlegen war)[/blue]. All ihre Lieben wurden von Gott vor ihr zu sich gerufen[blue](Plusquamperfekt: waren gerufen worden)[/blue]. Es machte sie traurig und sie war sehr alleine, so wie an diesem heiligen Abend. Sie setzte sich, senkte den Kopf,[red](kein Komma)[/red] und wehrte sich nicht länger gegen ihre Tränen. Manchmal fragte sie sich, wann sie denn auch endlich [blue](doppelter Ausdruck der Ungeduld: 'auch' genügt IMHO)[/blue] gehen dürfe, aber der liebe Gott wird [blue](der Konjunktiv wäre hier viel besser: würde schon wissen)[/blue] schon wissen[red](Komma)[/red] was recht [red][strike]ist[/strike][/red] [blue]sei[/blue],[red](kein Komma)[/red] und sie glaubte sehr fest an Gott. Ihre Augenlider waren schwer, die Wangen feucht und ihre alten Hände hielten verkrampft das Taschentuch fest, als es an der Tür klopfte.
Sie erhob sich und ging mit den Bewegungen eines alten, gebrochenen Menschen an die Tür,[red](kein Komma)[/red] und öffnete sie.
Ein Junge stand da. Schmächtig klein war er, mit blond gelockten Haaren und wunderschönen Augen in einem zierlichen Gesicht. [blue](Absatz; jetzt beginnt der Dialog)[/blue]
[red][strike]„Ja“, sagte Ida und[/strike][/red] [blue]"Ja?" Ida[/blue] wischte sich die Tränen aus den Augen.
„Ich bin Michael“, erwiderte der Junge.
„Michael?“, fragte Ida.
„Ja, Michael 154“, lächelte der Junge.
„154, was bedeutet das?“, wunderte sich Ida.
„Ich bin Michael 154, weil ich als der 154[red](Punkt)[/red] Engel mit dem Namen Michael,[red](kein Komma)[/red] in diesem Jahre,[red](kein Komma)[/red] das Licht des Himmels erblickte“, antwortete Michael vergnügt.
Ida sah [red][strike]in[/strike][/red] [blue]ihn[/blue] fest an. „Was kann ich für dich tun[red](Komma)[/red] Michael?“
„Sie haben gesagt, ich soll dich abholen kommen, Ida.“
„Wer hat das gesagt?“
„Nun, Albert, Anna, Toni und all die anderen.“
„Und wie soll das gehen?“, fragte Ida ungläubig.
„Es ist ganz einfach“, sagte Michael. „Gib mir deine Hand und schließe deine Augen, Ida.“
Ida glaubte nicht so recht, was hier geschah, aber sie tat[red](Komma)[/red] wie ihr geheißen. Sie fühlte sich ganz leicht,[red](kein Komma)[/red] und es war ihr wohlig [red][strike]Warm[/strike]warm[/red]. Michaels Hand hielt sie ganz fest.
„Mach deine Augen wieder auf[red](Komma)[/red] Ida“, sagte Michael.
Ida öffnete ihre Augen und sah in die Runde. Sie meinte zu träumen. Sie war in einem festlich geschmückten Saal, voll von Menschen an reichlich gedeckten Tischen,[red](kein Komma)[/red] und einem Christbaum, so einen schönen hatte sie noch nie gesehen. Und da! Das gab’s doch nicht! Da waren ihr geliebter Albert, Anna, Toni und viele Gesichter[red](Komma)[/red] die sie kannte, alle winkten ihr zu.
Sie ließ Michaels Hand los und ging zu den Menschen, die ihr alles im Leben bedeuteten [blue](Plusquamperfekt: bedeutet hatten)[/blue].
Es wurde das schönste Weihnachtsfest für Ida. Sie weinte, aber nicht aus Gram, sondern vor hellstem Glück.
In [blue](Zu)[/blue] später Stunde ging Ida zu Michael zurück und sagte traurig:
„Michael, ich danke dir tief aus meinem Innern, du hast meinem Herzen eine Zeit der höchsten Glückseligkeit geschenkt, aber nun ist es spät,[red](kein Komma)[/red] und du wirst mich wohl wieder nach Hause zurück bringen.“
Michael sah sie mit seinen schönen, guten Augen an und sagte:
„Nein[red](Komma)[/red] Ida, dein [red][strike]zu Hause[/strike][/red] [blue]Zuhause[/blue] ist jetzt hier. Ich habe dich da unten abgeholt, weil deine Zeit auf der Erde abgelaufen ist. Du bist jetzt [red][strike]für immer[/strike][/red] bei uns hier im Himmel und wirst es [red][strike]auch[/strike][/red] [blue]für immer[/blue] bleiben.“
Ida brachte kein Wort mehr hervor. Sie nahm Michael an die Hand, küsste ihn auf die Wange,[red](kein Komma)[/red]
und sie gingen zurück zu all den anderen Engel[red]n[/red].