Midlife-Crisis

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Sta.tor

Foren-Redakteur
Midlife-Crisis

Schon fünfzig Mal unsere Sonne umrundet,
an Körper und Seele viel öfter verwundet.
Von Narben gezeichnet, von Worten verblendet,
die Hälfte des Lebens schon lange vollendet.
Mit Hoffnung im Herzen, ein kleines „vielleicht“,
dass Krankheit und Siechtum der Lebenskraft weicht.
Der Herbst ist gekommen, die Luft sie wird kalt,
die Sonne steht tiefer am Himmel und bald
kommt Nacht auf, bringt Dunkles mit ihrer Gestalt.
Kein Licht dringt mehr durch, nicht mal mehr einen Spalt
und in finsteren Gassen verliert sich der Halt,
bis ein Schrei vom Gemäuer der Stadt widerhallt
und du hältst deine Hände zu Fäusten geballt,
denn die Einsicht erfasst dich mit roher Gewalt:
„Es reimt sich seit kurzem zu vieles auf ALT!“
 
P

Pelikan

Gast
Klingt ziemlich dramatisch, doch die letzte Zeile
gibt dem Ganzen das nötige Augenzwinkern, ohne dessen
man das Gedicht leicht in eine Jammerecke stellen könnte ;)
Aber so ist es echt gut geworden!
Mit herzlichen Grüßen, Irene
 
K

KaGeb

Gast
Hi Sta.tor,

gutes Gedicht und gerne gelesen. Das ist eines von der Sorte, die gern bei derartig runden "Feier"-Anlässen vorgetragen werden - mit roter Nase und glänzenden Augen =)

Kein Licht dringt mehr durch, nicht mal mehr einen Spalt
Hier würden mich persönlich die beiden "mehr" stören, aber frag mich lieber nicht nach Verbesserungen, so lyrisch bin ich nicht =))))


LG KaGeb
 
M

Marlene M.

Gast
Lieber Stator,
zunächst mal gefällt mir am Gedicht die Metrik, die man nicht allzu häufig findet:
ein Anapäst mit Vortakt, zumindest bis Zeile:

"und in finsteren Gassen..."
Ab da stellst du um auf normalen Anapäst.
da ich aber keine Zäsur sehe, ordne ich es nicht als Stilmittel ein.
Dies finde ich persönlich nicht so schön.

Kein Licht dringt mehr durch, nicht mal mehr einen Spalt
Hier scheint es mir auch schon etwas zu schwächeln.
man würde eher auf dringt betonen wollen als auf durch
vielleicht :
kein Lichtschein dringt durch, nicht durch winzigsten Spalt..."
nicht mal mehr einen Spalt ist ohnehin etwas seltsam formuliert. Licht dringt Spaltbreit durch oder durch einen Spalt. Da sich das durch schon auf das durchdringen des Lichtes bezieht, ist es etwas unglücklich, es als zweites durch für den Spalt zu nehmen.

JA; ist vielleicht kleinlich-lächel... aber ich denke, du kannst es besser!
Midlife-Crisis mal gefühlvoll dargestellt von einem Mann- gefällt mir gut, besonders auch das Augenzwinkern am Ende, was ich aber nur als ganz kleines sehe...
Schmunzel.
Um den Midlifer ein wenig aufzuheitern, werde ich mal meine Satire zu Midlife-Crisis suchen und sie für ihn einstellen...
Schmunzler sozusagen im Kreise von Marlene
 
H

Heidrun D.

Gast
Lieber Sta.Tor,

dein Gedicht erscheint mir gut gelungen, weil du es vermocht hast, das (echte) Drama des Älterwerdens und seine ihm innewohnende Komik parallel darzustellen, man könnte auch sagen: gleichzeitig. Ich denke mittlerweile, dass du genau das auch bei deinem letzten Werk versucht hast ...

Dies finde ich raffiniert und "schwarz", genau wie ich es mag.
(Hoffentlich habe ich nun nicht wieder was Falsches gesagt und werde geächtet :eek: ).

Herzliche Grüße
Heidrun

Der kritischen Klang-Anmerkung Marlene`s schließe ich mich an.
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Midlife-Crisis

Schon fünfzig Mal unsere Sonne umrundet,
an Körper und Seele viel öfter verwundet.
Von Narben gezeichnet, von Worten verblendet,
die Hälfte des Lebens scheint sinnlos verschwendet.
Doch Hoffnung im Herzen, ein kleines „vielleicht“,
dass Krankheit und Siechtum der Lebenskraft weicht.
Und Standhaftigkeit für den Umgang mit Frauen,
doch kann man den eig'nen Gedanken noch trauen?
Der Herbst ist gekommen, die Luft sie wird kalt,
die Sonne steht tiefer am Himmel und bald
kommt Nacht auf, bringt Dunkles mit ihrer Gestalt.
Kein Funke sucht irrend den zwielichten Spalt.
Durch finstere Gassen verliert sich der Halt,
bis ein Schrei vom Gemäuer der Stadt widerhallt
und du hältst deine Hände zu Fäusten geballt,
denn die Einsicht erstürmt dich mit nackter Gewalt:
„Es reimt sich seit kurzem zu vieles auf ALT!“
 

Sta.tor

Foren-Redakteur
Hallo Pelikan,

vielen Dank für Deinen netten Kommentar. Nee, jammern wollte ich nicht. Es sollte ein rein ironisch gemeinter Text sein, mit autobiografischen Zügen.

Hallo KaGeb,

das ist aber schade. Gerade in die Gebutstagsständchen-Ecke wollte ich den Text nun gar nicht gestellt wissen. Wenn er doch so rüberkommt, habe ich wohl die Botschaft falsch formuliert.
Na, mal sehen ob ein anderer es auch so empfindet. Danke für Deine Meinung.

Hallo Marlene,

vielen Dank dafür, dass Du Dich so intensiv mit dem kleinen Text beschäftigt hast. Ja Du hast recht, die mehrfach kritisierte Stelle war unglücklich formuliert. Ich habe das geändert und hoffe, der ZwieSPALT den ich meinte, tritt jetzt deutlicher zu Tage. Das Dir das Gedicht ansonsten gut gefällt freut mich sehr.

Hallo Heidrun,

ja, das Älterwerden, ich werde wohl nur noch darüber schreiben und mich darüber lustig machen. Irgendwie muss man dem Gefühl der nahen Verrottung ja entgegentreten.
Du darfst mich gerne kritisieren, aber wehe die Alterssturheit bricht bei mir erst mal in vollem Umfang durch, dann kann ich für nichts mehr garantieren. ;)

Viele liebe Grüße an Euch alle vom
Sta.tor
 

Herr Müller

Mitglied
Hallo Sta.tor,

das Gedicht gefällt mir sehr gut, ist klug aufgebaut mit den auf "ALT" reimenden letzten Zeilen. Nicht so gut wäre es geworden, wenn sich alle Zeilen auf "ALT" gereimt hätten.

Und es gibt nichts zu meckern.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

das wäre ein sehr netter beitrag zum kürbisfest in meinem seniorenclub. du erlaubst, dass ich es vortrage?
lg
 

Thylda

Mitglied
Lieber Stator

Der Reim auf alt schleicht sich schön von ganz hinten in den Vordergrund. Die zunehmend ungemütliche Gefühl wird in der letzten Zeile erlöst, ohne daß einem einfache Lösungen angeboten werden.
Das Altern muß eben jeder selbst verarbeiten. Aber zu dem Zeitpunkt, zu dem die Mitlebenskrise zuschlägt und sich einige mit Menopause anstecken, hat man normalerweise noch genug Zeit, auch die Vorteile des Alterns zu genießen.

Liebe Grüße
Thylda
 



 
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