Milch & Honig

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brain

Mitglied
„Wo Ist Mutter?“
„Sie ist … weg.“
„Wohin ist sie gegangen?“
„Ich weiß es nicht!“
„Warum ist sie gegangen?“
„Es war … an der Zeit.“
„Wird sie bald zurückkommen?“
„Ich … ich weiß nicht. Ich glaube nicht.“
„Ich hätte so gerne, dass sie bald zurückkommt!“
„Ich auch, Piedro, glaub mir. Ich … auch!“

Am Vormittag des ersten Montags im August hatte man Magdalena van Kranichen aufgebahrt. Kein Wölkchen war am Himmel zu sehen … sitting here resting my bones … und kein Engel war auf Posten … and this loneliness won´t leave me alone! Es war unerträglich heiß. Die Fliegen formierten sich zu Schwadronen und der blasse Ansturm der Beileidswünsche murmelnden Fremden, die den Friedhof belagerten, schien kein Ende nehmen zu wollen. Klammernde, scheue Blicke suchten vergebens nach Halt, in distanzierten, vage bekannten Gesichtern.
Ein wahres Fest nekrophiler, verschwägerter Voyeure, die sich nur bei solchen oder ähnlichen Anlässen zu Gesicht bekamen und unentwegt Finger schnippend nach Namen suchten.
Es war das finale, große Schmatzen der anonymen Vampire, die ihren Knigge gelesen hatten und nun kollektiv Abschied nahmen von Piedros Mutter, mit sauberen Fingernägeln, ordentlich gescheitelten Haaren und frischem Taschentuch in der Hemdtasche, wie es sich gehörte.
Man hatte sich mit der Beisetzung keine Zeit gelassen, das wäre aufgrund der Hitze fatal gewesen. Keine dreizehn Stunden nachdem sie ihren letzten Atemzug getan hatte, war die ganze Sache schon arrangiert und ausgerichtet, die Grube ausgehoben, die Tische gedeckt. Piedro hatte die Tatsache ihres Todes noch gar nicht an sich heran gelassen.
Was ihn betraf, so würde seine Mutter wahrscheinlich jeden Augenblick aus den Schatten der sie umringenden Trauerweiden treten, ihn in die Arme nehmen … hab keine Angst … und ihm diese Dinge ins Ohr flüstern … Dinge …und ihm neue, geheimnisvolle Namen geben … der kleine P und die große M, im Land wo Milch und Honig fließen und die Sonnenuntergänge ewig währen! Seit Magdalena van Kranichen das letzte Mal ihre Augen geschlossen hatte, war kein Laut mehr über Piedros Lippen gekommen (erst viel später, als die Leute fort und das Gefühl des „Beobachtetwerdens“ verschwunden war, hatte er seinen Vater mit Fragen gelöchert) und sein Vater hatte sowieso nie sehr viel geredet.
Wenn es Eines gab, was einen van Kranichen auszeichnete, abgesehen von seinem sturen Dickschädel, so war es das gesunde Maß an Selbstbeherrschung in Situationen jeder Art. Die Tränen würden später fließen, wenn der Vorhang endgültig gefallen und das Haus der Toten wieder still war.

Er lief. Vorbei an den Ferrgesson-Feldern, die brach in der Sonne lagen, über die Schotterpfade der stillgelegten Miene und die schmale Brücke des Jonner, und tief hinein in die Wälder der alten Welt, die ihn flüsternd und hungrig verschlangen.

Eine blattlose, rote Rose, die der kleine Piedro in den Sarg legte, war sein letztes Geschenk an seine tote Mutter. Seine strohblonden Haare – die Haare seines Vaters -ließen sein Gesicht noch abgezehrter aussehen und stahlen ihm jede Farbe.
Im Alter von 9 Jahren war der Junge bereits Halbweise, und wie bemitleideten sie ihn alle (und das war für Piedro irgendwie, auf eine unterschwellig erniedrigende Art und Weise, das Schlimmste an dem ganzen Schlamassel: die Sprüche, von denen die meisten so platt waren, … sie ist jetzt im Jenseits und hat ein Auge auf Dich … so offensichtlich und augenscheinlich verlogen … Du musst jetzt ein ganz, ganz starker Junge sein … und falsch, … die Zeit heilt alle Wunden … dass sie sich nicht einmal auf Small-Talk-Niveau hocharbeiten konnten!).
Mama Paloma, die stämmige, stets lachende und immer sonnengebräunte Kampflesbe aus dem fidelen Süden, war wohl die Einzige, die Piedros Mutter wirklich gekannt hatte – bis auf Piedro und seinen Vater Andros van Kranichen natürlich – und sie vergoss bittere Tränen des Schmerzes beim Klang der Totenglocke. Dabei sah sie aus wie ein übergewichtiges Model, das eine bestimmte Pose machen sollte und aus der Rolle fiel.
Es störte niemanden. Man sah darüber hinweg, wie man das hustende Kind im Wartezimmer der Arztpraxis ignorierte, und genau wie einen Arztbesuch brachte man die ganze Beerdigungs-Sache hinter sich.
Die Prozession vom Friedhof zum Kranichen-Anwesen war ein zitternder Schweigemarsch im Gänseschritt.
Was dann folgte war bittere, simple Routine: Verköstigen und ab dafür! Sie kamen und gingen und kamen zurück und aßen und labten sich an der Trauer, die förmlich greifbar in der Luft schwebte und ihnen vor Augen führte, wie gut sie es im Grunde doch hatten.
Standesgemäß wurden die Gäste einer nach dem anderen bei Piedro und seinem Vater vorstellig und ebenso standesgemäß blockierten sie das Buffet, warfen einen flüchtigen und scheuen Blick in den Sarg und versuchten die restliche Zeit möglichst unauffällig zu wirken.
Pietätvolle Schatten verbargen klammheimlich aber erfolglos den Tod, hinter schweren Vorhängen und welkenden Blumenbukets.
Hellbraune Locken auf dunkelroten Samt.
Bleich und mager war sie vor dem Jungen aufgebahrt und er konnte ihr Schweigen in seinem Kopf wispern hören, wie das Blättern von Seiten in einem verwitterten, verbotenen Buch. Der Geruch von Moschus und Mottenkugeln vermischte sich mit dem Duft von Pomade und Deosticks und wurde zu etwas, das einem im Hals stecken blieb, wenn man versuchte es herunterzuschlucken.
Kerzen säumten das Bild, wie schmalbrüstige, dahin schmelzende Schaulustige. Ihr Licht beleuchtete den sechseckigen Kasten aus dunklem Mahagoniholz und gab ihm eine friedliche Aura.
Dazwischen nur die schweigende Dunkelheit der letzten Gewissheit.

„Warum waren all die Leute da?“
„Das sind … Freunde und sie … sie wollten mit uns trauern.“
„Aber sie haben nicht geweint!
„Ich … weine ja auch nicht, aber deine Mutter … sie fehlt mir sehr.“
„Aber ich glaube nicht, dass sie weinen werden.“
„Warum nicht?“
„Sie haben sie nicht geliebt!“
„Wie kommst Du darauf?“
„Sie haben ihr keine Rose mitgebracht!“
„Vielleicht … haben sie es vergessen.“

Die Dreier-Combo, die Blues und Jazz spielte und aus pensionierten Überresten der hiesigen Big-Band bestand, kam ganz gut an. Sie ließ keinen Hit aus. Nicht „Are you lonesome tonight“, vom wohl aufregendsten und lebendigsten Toten aller Zeiten, und schon gar nicht ein paar der unvergleichlich melancholischen Nummern von Otis Redding. Die Drei brachten echt die allertotesten Gebeine dazu, den Takt mit zu klopfen.
Weit über die Hälfte der Trauergäste hatte sich auf dem Friedhof einen Sonnenbrand geholt. Die anderen führten Schleier, Hüte oder Schirme mit sich.
Kurz nach dem Kaffee und dem traditionellen Totenweck, bekam Jorrghen Petersson, der kurzsichtige, arthritische Stiefbruder von Piedros Mutter, einen theatralischen Schwächeanfall, doch irgendwer hatte Riechsalz dabei und man konnte die Situation retten.
Kein halbes Stündchen später, fiel Björn Kattersson, dem Stadtbibliothekar, siedend heiß ein, dass er an einer Fisch-Allergie litt, doch leider bemerkte er diesen nebensächlichen und unbedeutenden Umstand erst bei der Vorspeise: Lachscremesuppe. Er wurde erst grasgrün, dann hummerrot, leichenblass und bekam schließlich einen brennenden Schluckauf, den er noch sieben Tage lang mit sich herum schleppte. Glücklicherweise spielte die Band laut genug, um seine Schluckaufgeräusche zu übertonen, was ein wahrer Segen für die Gesellschaft war.
Der alte Pater Lindgren schwitzte wie ein Weltmeister und blickte sich mit flüchtigen, ertappten Blicken um, als wolle er sich für seine Ausdünstungen entschuldigen. Er saß im Wohnzimmer und nippte geziert an seinem Wein. Seine Stirn legte sich jedes Mal in tiefe Falten, wenn Julia, die vierundzwanzigjährige Cousine von Piedro, in seine Nähe kam, und auch für diese Gelegenheiten hatte er noch einen ertappten Blick übrig.
Der Herr hatte zwar seinen Willen stark gemacht, doch sein Fleisch war wohl von der etwas schwächeren Sorte. Dass er sogar hier, auf einer Beerdigung, diesen unkeuschen Trieb verspürte, bewies ihm lediglich, dass die Bibel ihn noch nicht vollends kastriert hatte.
Dann spielte die Band „Stairway to heaven“, das Requiem der Hausherrin.
Dieses Lied hatte Piedros Mutter sich gewünscht, als sie Andros, ihren zukünftigen Mann, kennen gelernt hatte, damals auf der Uni. In einer romantischen Anwandlung hatte sie es gesagt (Sie sollen es spielen, wenn sie mich zu Grabe tragen! Und er hatte ihr seinen Favoriten genannt, eine rockige, fetzige Nummer, als „Abschiedssalut“), und Andros hatte es nicht vergessen. Er hatte Led Zeppelin zwar noch nie besonders gemocht, aber das machte nichts.
Das hier war ihre große Show, nicht seine.

Immer schneller lief er, durch dorniges Dickicht und Gestrüpp, querfeldein, über Stock und Stein, über Wiesen und Felder, vorbei an der kleinen Kirche und mitten durch die Gläßer-Sümpfe. Er musste sich vor den Bärenfallen hüten, aber das wusste er. Wenn man hier aufwuchs, dann lernte man, Fallen aus dem Weg zu gehen.


„Wie sehr hast Du Mutter geliebt?“
„Ich wäre für sie … gestorben.“
„Wie ist es, wenn man tot ist?“
„Ich weiß nicht, ich lebe ja noch.“
„Aber, weißt Du wie es ist, im Jenseits?“
„Kalt … glaube ich.“
„Glaubst Du, Mutter friert?“
„Nein, sie hat … sie hat doch das hübsche … das hübsche, schwarze Kleid an …“
„Glaubst Du, meine Rose hält sie warm, wenn ich es mir ganz arg wünsche?“
„Ja, das glaube ich ganz fest!“

Der Glaube konnte Berge versetzen und Ozeane teilen, das wusste der kleine Piedro aus dem Religionsunterricht. Am Meisten faszinierte ihn die Geschichte, in der Maria das Grab des Gottessohnes aufgesucht hatte, nur um festzustellen, dass dieser wieder unter den Lebenden weilte … gestorben und hinabgestiegen in das Reich der Toten, am dritten Tage auferstanden, um zu richten die Lebenden wie die Toten … und Piedro blickte sich im Zimmer um und sah kein feuchtes Auge mehr. Die lieben Verwandten und Bekannten.
Sie stolzierten umher, pflegten Eitelkeiten, übertünchten unübersehbare Schönheitsfehler und nickten sich wohlwollend zu, während sie sich in Gedanken gegenseitig die Frauen ausspannten und die Bürosessel unter den Hintern wegschnappten.
Pinguine und Aasgeier, in Abendgarderobe und Höflichkeitsfloskeln gehüllt, wie ein Scheich in samtene Umhänge, pompös, scheinheilig und nihilistisch, jedoch rigoros von sich selbst überzeugt.
Diese Begriffe waren dem Jungen natürlich fremd, doch er spürte, dass irgendwie kein Gefühl hinter all den Gesten und Beileidswünschen steckte. Er fühlte nur seine eigene Trauer und das schmerzte ihn noch mehr.
Nein, von denen würde ganz sicher keiner auch nur eine Träne vergießen. Man würde Piedros Mutter vergessen und niemand würde ein Buch über ihr Leben schreiben, und wenn doch, dann würde es keiner lesen. In hundert Jahren nicht!
Sein Vater stand unbeteiligt und verlegen herum, als ginge ihn die ganze Sache nichts an. Er war nur ein betrunkener Tourist, der im Straßengedränge in den Tumult einer Trauerfeier geraten war, und Piedro hasste ihn dafür.
Es machte ihn so wütend, hilflos zu sein und nichts tun zu können, aber … wenn er es sich recht überlegte, dann … gab es doch etwas, was er tun konnte.
Zumindest musste er es versuchen!
Er konnte sich wünschen, dass alles anders verlaufen wäre und leise still und heimlich nahm ein Plan in seinem Kopf Gestalt an, der sich zur fixen Besessenheit formte.
Piedro fühlte sich, wie den Aposteln zumute gewesen sein musste, als sie den Schädelberg bestiegen, um Jesus aus seiner Grabkammer zu befreien, doch im Gegensatz zu ihnen würde Piedro keine drei Tage warten müssen.
Es würde viel schneller gehen.

Er ignorierte das Stechen in seiner Seite und lief weiter, weiter, über verborgene Schleichwege, durch schwer passierbare Abkürzungen und über die Heide, die ihre herrliche Blüte bereits verloren hatte und nun in der Hitze der Sommersonne austrocknete, und vorbei am alten Tierfriedhof. Er lief, immer schneller lief er, wie ein Uhrwerk, ein menschliches Perpetuum Mobile.

Endlich hatte Piedro sein Ziel erreicht. Als er aus dem Moor herausgekommen war, hatte er ihn schon von weitem sehen können: den alten Brunnen.
Viele Geschichten und Sagen rankten sich um den Brunnen und manche von ihnen waren so unheimlich, dass niemand sie erzählte.
Eines schien jedoch gewiss: der Brunnen war verflucht!
Eine Bäuerin sei einst hineingestürzt und als sich ihr ältester Sohn abgeseilt hatte, um sie herauszuholen, sei sie weg gewesen. Verschwunden. Der Brunnen hatte sie sich einverleibt. Man sagte dass die elende Bäuerin nun dazu verdammt sei, den Menschen Wünsche zu erfüllen, dass man aber sehr vorsichtig sein und genau überlegen sollte, was man sich wünschte, denn es könnte sich wahrhaftig erfüllen, oder Schlimmeres.
Der Teufelsbrunnen war gemauert aus verwitterten, prähistorischen Steinquadern, die, konnte man der Legende glauben, aus den Gruben der Vorhölle stammten. Sein Wasser war aus den Tränen gefallener Dämonen, in denen Dinge lebten, die jenseits der menschlichen Vorstellungskraft waren. Bösartige und fruchtbare Dinge, die niemals starben und immer Futter brauchten.
Der Sage nach verführten sie einst eine junge Frau, sich einen Stern zu wünschen, was diese ihr Kind kostete. Piedro hatte dieser Geschichte immer gebannt und wohlig schaudernd gelauscht, wenn seine Mutter sie ihm erzählt hatte. Sie war geheimnisvoll und spannend, wie das Märchen von Hänsel und Gretel oder die Geschichte vom Rumpelstilzchen, doch wenn er nachts alleine in seinem Bett lag und das Licht des vollen Mondes durch sein Schlafzimmerfenster fiel, war die Vorstellung, dass jemand (oder etwas) die Sterne wie Himbeeren vom Himmel pflücken könnte, alles andere als spannend oder unterhaltsam. Sie war monströs.
Der Junge beugte sich weit über den Rand des Brunnens und blickte in den Schacht … hinabgestiegen in das Reich der Toten ... und versuchte die Finsternis zu durchdringen, die auf dem Grund des Brunnens waberte. Die heraufwirbelnde Luft war so kalt, dass er … der kleine P … fast zurückgewichen wäre, doch er blieb standhaft. Gähnende, endlose Leere klaffte ihm entgegen. Etwas bewegte sich da unten, im Wasser. Es tauchte auf, unter, wieder auf und dann hörte Piedro ein Markerweichendes Gelächter, so plötzlich und aggressiv, als hätte man es ihm mit einer Pistole direkt ins Ohr geschossen. Und dann hatte er einen Gedanken …ich bin eine Falle gelaufen … und sofort dachte er an die Holzkiste, die Falle seiner geliebten Mutter, und an die Schatten, die hinter schweren Vorhängen und welkenden Blumen den Tod versteckten.
Dann folgte ein Moment der Stille … Plätschern … Stille … sitting here resting my bones … und jetzt viel Piedro auf, dass auch die Welt verstummt war. Der Wind wehte, ohne einen Ton zu erzeugen, die Flugzeuge am Himmel zogen schweigend ihre Linien … und kein Vogel sang … and this loneliness won´t leave me alone … doch es war nicht die Ruhe vor dem Sturm, sondern das Auge des Sturmes, in dessen Zentrum Piedro sich befand.
Das Universum hielt den Atem an.
Knurrend und heiser bellte das Etwas den Schacht hinauf und sein Atem stank nach Algen und Verwesung.
„WAS will ES?“
„Ich will … ich will dass meine Mutter wieder … wieder zurückkommt zu mir!“
Die Antwort waren ein verächtliches Knurren und ein garstiges Schnauben.
„WAS gibt ES mir dafür?“
Fieberhaft dachte der Junge nach. Er dachte an Milch und Honig, und an das Land, in dem die Sonnenuntergänge ewig währten, und als er antwortete, wusste er instinktiv, dass es die richtige Antwort war: „ALLES was Du willst!“
Die Stimme im Brunnen kicherte triumphierend und schelmisch … das hat Dir der Teufel verraten … und antwortete mit zwei Worten und einem schnaubenden, abschließenden Knurrgeräusch, das ein Echo erzeugte und den Jungen in seinen Träumen verfolgen sollte.
Bevor Piedro das Bewusstsein verlor, sah er noch, wie sich weiße Finger über den Brunnenrand schoben, schlanke, weiße Knochenfinger mit roten, spitzen Nägeln. Der Geruch von Moschus und Moder quoll aus dem Brunnenschacht hervor, wie der giftige Qualm einer chemischen Reaktion. Der Junge gewahrte einen braun gelockten Schopf … auf rotem Samt … und eine Stimme, die ihn mit neuen, geheimnisvollen Namen rief. Ihr Gesicht … die große M …war rein gewaschen von aller Schuld und jedem Makel und sie war neugeboren und schön, so schön, dass der Junge es gar nicht fassen konnte. Zärtlich und liebevoll beugte sie sich herab … und sie flüsterte ihm Dinge ins Ohr … und die Welt verdunkelte sich … das hübsche, schwarze Kleid … doch Piedro hatte Vertrauen … hab keine Angst … und sank in ihre Arme.

„Wo Ist Vater?“
„Er ist … fort.“
„Wohin ist er gegangen?“
„Ich weiß es nicht!“
„Warum ist er gegangen?“
„Es war … Zeit für ihn, zu gehen.“
„Wird er bald zurückkommen?“
„Liebes … ich glaube nicht.“
„Ich hätte so gerne, dass er bald zurückkommt!“
„Ich auch, Liebes, ich auch!“

Am Vormittag des ersten Mittwochs im August hatte man Andros van Kranichen aufgebahrt. Kein Wölkchen war am Himmel zu sehen … kein Engel auf Posten … und Piedro, der keinen Moment von der Seite seiner Mutter wich, fragte sich insgeheim, welches Lied sie wohl spielen würden.
 



 
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