Mir ein Leid zu tun

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lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mir ein Leid zu tun

Heut ist ein schöner Tag!
Ich mal mir Sorgen ins Gesicht,
versprich,
mich auszulachen,
sonst spür ich nicht,
wie fad das ist.

Die Hitze reißt
den Kiefern ihre Rinde auf.
Das Harz verklebt mir fest die Hände,
es ist was Teuflisches daran!
Die hellen Nadeln
fallen einfach so zu Boden,
bilden viele Siegeszeichen.
Welch ein Tag,
meine Sandalen
auf ihre flache Seite
fest zu setzen!

Gut, daß du nicht fragst,
ich hätte nein gesagt.
Nicht mit dir schlafen -
warten will ich.

Schau, die Nacht ist schwarz!
 

Dorothea

Mitglied
Fallende Siegeszeichen?

Hallo Lapismont,

der Text hat mir beim Durchlesen spontan sehr gut gefallen. Es stecken so viel Ideen und Bilder darin. Er bettet sich nicht in das Gipsbett eines stupenden Versschemas. Wie gesagt, alles das sehr schön. Nur verstehe ich nicht, wie fallende Kiefernnadeln Siegeszeichen sein können.
Herzlichen Sommergruß.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Dorothea,

Kiefernnadeln fallen im Paar und sind an der Wurzel verbunden. Auf dem Boden fand ich daher viele krumme V's liegen.

dankende Grüße zurück vom
lap
 

gareth

Mitglied
Liebe Dorothea,

zufällig kam ich hier des Wegs und las deine Frage, oder besser Feststellung:

Nur verstehe ich nicht, wie fallende Kiefernnadeln Siegeszeichen sein können

manchmal, Dorothea, geschieht es uns wohl allen, dass wir einen Text weniger aufmerksam lesen. In diesem Fall ist es so, dass gar nicht gesagt ist, die Nadeln würden das Siegeszeichen 'fallend', also während sie noch im Fallen begriffen sind, bilden, sondern es ist gesagt:

Die hellen Nadeln
fallen einfach so zu Boden,
bilden viele Siegeszeichen.

Die hellen Nadeln fallen also einfach so zu Boden und bilden dann*) viele Siegeszeichen. So gelesen kannst du das schöne Bild sicher annehmen :eek:)

*) erltd. Einfg. d. d. Komm.

Es grüßt
gareth

p.s. lapismont hat seine Antwort praktisch gleichzeitig geschrieben und ich hab was über Kiefernnadeln gelernt :eek:)
 

Montgelas

Mitglied
lieber lap,

in "dazwischen" und "im plan " illusioniert
das lyrische ich seine handlungsvollmacht
über das eigene subjekt.
es glaubt die fäden in der hand zu haben
und ist in realität doch hilflos.

in diesem text hat dein "subjekt"
seine herrschaft über sich selbst in der hand.
ich staune über die präzision der poetischen bilder
und den scheinbar gebrochenen rythmus in diesem text.
den meister hätte es sicher gefreut.
und an ihn sei auch in diesem zusammenhang erinnert.
kommen doch seine texte ebenso unspektakulär daher,
wie die deinen.

meint

montgelas



Georg Trakl

Hinter Grodek
treibt der Abend seine Hunde
über die Weide,
kein Löschblatt saugt die Schwermut
dieser Stunde auf.

Später,
im Gehölz der Nacht,
hier schnitt uns der Schrei
den Mantel in Stücke,
begegnete er dem Engel,
verkleidet,
schwarz.

Bruder,
du musst die Toten
in deinem eigenen Leben
begraben.

Schwesternwort,
lesbar,
wenn der Dezemberwind kommt.

(Hanns Cibulka) gest. am 20. juni 2004
 

presque_rien

Mitglied
Hallo lapismont,

dein Gedicht dringt bereits beim ersten Lesen unglaublich tief in den Leser hinein, doch ich glube, man muss es wirklich oft Lesen und überdenken, um alle Bilder aufzuschlüsseln...

...soweit bin ich noch nicht...

...doch von der Stimmung her drückt der Text für mich diese seltsame Lethargie aus, die uns manchmal grundlos befällt, und uns dazu bringt, uns selbst und anderen unbegründet "ein Leid zu tun".

Das lyr. Ich sieht, dass es eigentlich ein schöner Tag ist, einer von diesen Tagen, an denen man doch eigentlich "mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht", sogar die Kiefernadeln deuten in Richtung "Sieg".

Und doch ist das lyr. Ich, wie Montgelas schon sagte, handlungsunfähig, schwelgt in seiner aufgesetzten schlechten Laune, die es nur allzu gern seinem Gegenüber präsentiert. Und die Schuld daran gibt es dem Teufel, oder der Schwärze der Nacht - es will warten (aber worauf?), und trägt diese Passivität fast mit Stolz.

Auch diese Atmosphäre der Hitze gibt dem Ganzen etwas ermüdendes, etwas... *mir fehlt ein Wort* ;-)

Hmm, ich bin froh, dass ich das gerade aufgeschrieben habe, denn nun reiht sich für mich alles wunderbar ein. Ich hoffe, das trifft auch nur annähernd das, was du ausdrücken wolltest ;-).

Aber auch wenn nicht:
ein wirklich beeindruckender Text!

LG,
presque_rien
 
S

Sandra

Gast
Hallo Ralf,

ab und an ;) geht es mir beim Lesen deiner Texte ähnlich wie Julia es beschrieben hat.

dein Gedicht dringt bereits beim ersten Lesen unglaublich tief in den Leser hinein, doch ich glube, man muss es wirklich oft Lesen und überdenken, um alle Bilder aufzuschlüsseln...

Diesmal war es definitiv auch bei mir so und es gelang mir, direkt einen Zugang zu deinen Zeilen zu finden. Einzelne Bilder deiner Gedichte gefallen mir häufig gut, jedoch fügen sie sich für mich nicht immer zu einem Ganzen. Diesmal lassen mich deine Zeilen mitfühlen und ich empfinde es von vorne bis hinten stimmig und rund. Es wurden, denke ich, sehr detailliert einzelne Interpretationen aufgeführt, die ich in Ansätzen gelesen habe. Meine möchte ich gerne für mich behalten. Ich glaube, ein Zerpflücken deines Gedichtes stört ein wenig das eigene Empfinden, welches dein Gedicht jedem durch die Vielschichtigkeit seiner Zeilen geben kann. Somit bin ich jetzt auch ruhig. ;)

LG
Sandra
 

Inu

Mitglied
Hallo lapis

Wie Du an meiner Bewertung siehst, kann ich mit Deinem Gedicht nicht viel anfangen. Es geht so, macht (mir) aber keine Lust auf 'mehr'. Die Gedanken sind willkürlich und bilden keinen Sinn, keine Einheit, die Bilder sind mir allzu kraus und durcheinander gewürfelt. Es ist nicht die Art klare Lyrik, die ich gut finde. Deshalb die 5.

---
Die Hitze reißt
den Kiefern ihre Rinde auf.
Das Harz verklebt mir fest die Hände,
es ist was Teuflisches daran!
Die hellen Nadeln
fallen einfach so zu Boden,
bilden viele Siegeszeichen.
Welch ein Tag,
meine Sandalen
auf ihre flache Seite
fest zu setzen!
---

Diese Zeilen sind noch nachvollziehbar. Aber der Anfang und das Ende... passt nicht recht!

Ich grüße Dich
Inu
 

Montgelas

Mitglied
liebe inu,

des subjektes launen in den ersten zeilen,
imaginieren entscheidungsfreiheit,
die abgebildet und verstärkt
in den von dir zitierten zeilen
zum ausdruck kommt.

die fast entschiedene lustlosigkeit
der letzten verse,

"Gut, daß du nicht fragst,
ich hätte nein gesagt.
Nicht mit dir schlafen -
warten will ich."


verwandelt sich in
ablehnung jeder aktion
mit der begründung

"Schau, die Nacht ist schwarz!"

der text hat also durchaus logik und ist konsequent.


meint
montgelas
 

Inu

Mitglied
lieber Lapismont

Ich sehe gerade, dass mein erster Kom zu kurz und knapp war.
also versuch ich Dir mal meine Einwände darzulegen.

[blue]
Mir ein Leid zu tun

Heut ist ein schöner Tag!
Ich mal mir Sorgen ins Gesicht,[/blue]
Wie das? Hat Dein lyrisches 'Ich' Sorgen? Wenn ja, dann zeigen sie sich früher oder später ohnehin im Gesicht. Man kann sie sich aber niemals hineinmalen, es sei denn, man schauspielere. Und einem, der sich einfach mal so zum Spaß Sorgen ins Gesicht malt, dem spreche ich zumindest in dem Augenblick ernstes Fühlen ab und kann nicht glauben, dass es ihm wirklich seelisch schlecht geht ( siehe Titel oben )

versprich,
mich auszulachen,
sonst spür ich nicht,
[blue]wie fad das ist.[/blue]Wie fad was ist? Das Leben? Die Stimmung? Die Liebe. Das Wetter?
[blue]Die Hitze reißt
den Kiefern ihre Rinde auf.
Das Harz verklebt mir fest die Hände,
es ist was Teuflisches daran!
Die hellen Nadeln
fallen einfach so zu Boden[/blue],Das gefällt mir

[blue]bilden viele Siegeszeichen.[/blue]
Eine etwas weit hergeholte Metapher, die nicht jeder auf Anhieb begreift, aber jetzt wo es erklärt ist, für mich akzeptabel. D'accord.
[blue]Welch ein Tag,
meine Sandalen
auf ihre flache Seite
fest zu setzen![/blue]
Finde ich nicht sehr gelungen ausgedrückt, obwohl man ja weiß, was Du damit meinst. Was ist die flache Seite von Sandalen? Vielleicht: auf ihren Sohlen festzusetzen??
[blue]Gut, daß du nicht fragst,
ich hätte nein gesagt.
Nicht mit dir schlafen -
warten will ich.[/blue]
Das steht ( für meine Begriffe ) ziemlich unmotiviert da. Warum kommt jetzt plötzlich die Frau und die Schlaffrage ins Spiel? Klar, sie hat was mit den Sorgen zu tun, die Dein lyrisches 'Ich'sich s p i e l e r i s c h ins Gesicht g e m a l t hat. Verworren!
[blue]Schau, die Nacht ist schwarz![/blue]Guckst Du mal Deinen ersten Satz an: es ist ein heißer Tag! Mir schien auch die ganze Atmosphäre des Gedichtes auf hellen Tag hinzudeuten. 'Schau, die Nacht ist schwarz' das klingt natürlich toll, hängt aber ( meines Erachtens ) hier wie ein zufälliges Anhängsel am Gedicht.


Mit anderen Worten, der Sinn, die Aussage des Ganzen hat ( für mich ) zu viele Ungereimtheiten und Widersprüche.

Ich grüße Dich
Inu
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo allerseits,

der kleine Text ist offensichtlich etwas besser in der Schwebe zwischen Intention und Fühlbarkeit.

Die Interpretationen von presque_rien und Montgelas liegen bereits sehr dicht an meiner.

Liebe Inu,
die erste Strophe hast Du schon meiner Schreibart gemäß gelesen.
Die Sorgen sind nicht echt. Hier wird Pessimismus genossen, gelebt aber nicht empfunden.

Dadurch aber wird auch jegliche Freude zerstört. So wie es Montgelas bereits schrieb, selbst Sex zählt nicht mehr. Die Lethargie ist gewählt.

Die mittlere Strophe ist ein Verlassen der persönlichen Ebene. Zu direkt mag ich es eben nicht, nur so ein Schlagwort vielleicht.

Ansonsten ist das Gedicht das Abbild eines Tagesablaufes, daher Tag und Nacht.

Sandra hat Recht, ich mag auch nicht tiefer in den Text drücken, vielleicht noch, daß die flache Seite auch den Nadeln gehören kann.

cu
lap,
der für die spannende Textdiskussion dankt, besonders für das Erinnern an Cibulka
 



 
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