Mir wird...

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jws

Mitglied
Alles, was einmal geboren wird, muss einmal sterben. Ich sehe im Anfang bereits das Ende. Die Geburt ist nur der Vorbote des Todes. Es ist kein dunkler Bote, er ist der einzige der mächtig ist. Die einzige Konstante. Neben mir und dem Nichts. Wenn die Vögel zwitschern, ist das ein verklärtes Requiem für die abertausenden toten Insekten des Winters. Aller je gewesener Winter. Die haben sie nicht gefressen, und deswegen besingen sie sie. Ich fühle mich lebendig, wenn ich den Beton unter mir spüre, ich weiß dass in mir etwas pulsiert, das der Stein nicht begreifen kann. Gegenüber dem Nichts, bin ich wie der Tod mir gegenüber. Ich töte das Nichts, indem ich es fülle. Jeder Gedanke hat ein Gefühl ermordet. Sie beide sind Vater und Sohn. Wenn das Wasser plätschert fließt in jeder Welle mein Herzschlag dahin. Es ist das Strohfeuer des Augenblickes. Außer der Vergangenheit ist nichts von Dauer. Mir wird warm.

Ich krieche, ich weine, ich kreische, ich fliege. Wenn ich allem auf Augenhöhe begegne, gibt es keine Augenhöhe, auf der man mir begegnen könne. Ich darf nicht gewinnen. Wenn ich gewinne, werde ich an meinem Ruhm zugrunde gehen, leben kann nur der Verlierer. Wenn ich gewinne, dann wird mich niemand in den Arm nehmen können, ich kann nur alleine Gewinner sein; verlieren können wir gemeinsam. Doch egal, was ich tue ich werde keine Zukunft haben, nur eine Vergangenheit. Wenn ich anhalte werde ich verlieren. Wenn ich renne, werde ich nicht genießen. Wer nicht genießt ist schon an der eigenen Arroganz erstickt. Nur der Frühlingslufthauch besinnt mich. Sinnlichkeit bringt Sinnlichkeit mit sich. Doch ich bin mutterseelenallein. Ich habe vergessen, was Liebe ist. Ich weiß nicht mehr wie mir meine Mutter einmal geschmeckt haben muss. Mir wird kalt.
 

Wipfel

Mitglied
Hi jws,

und Willkommen! Da hast du hier dein erstes Werk reingestellt - und es wird sicher noch Leser geben, die dir gute Hinweise zum Text geben können.
Konrad Wolf läßt in dem Film "Solo Sunny" den Philosophen sinngemäß sagen: "Jeder mittelmäßige Philosoph kann mit zwei drei Überlegungen den anderen aushebeln." Daran musste ich denken, als ich deine Sätze las: Jeden Satz in deinem Text kann man mit der gegenteiligen Behauptung aus den Angeln heben. Beispiel:

Wenn ich alle[strike]m[/strike][blue]n[/blue] auf Augenhöhe begegne, gibt es keine Augenhöhe, auf der man mir begegnen [strike]könne[/strike][blue]kann[/blue].
Das ist Kauderwelsch. Zumal die doppelte Augenhöhe in einem Satz nicht sein muss, das kannst du besser. Meintest du: Ich will, dass man mir auf Augenhöhe begegnet?

Grüße von wipfel
 
B

bluefin

Gast
hallo jws,

was für ein düsteres einstandsbild, das du uns hier ablieferst! ich hoffe, es ist nur aus einer momentanen übellaune heraus entstanden und entsprang nicht einer grundhaltung.

leider ist der text, wie schon @wipfel bemerkt hat, recht widersprüchlich und damit bereits grundsätzlich sehr anfechtbar.

was mir am allermeisten fehlt, ist ein ansatz zur suche nach erkenntnis. es wird zwar gesehen, dass sterben zum leben gehört, aber nicht, dass in beidem (in beidem!) der schlüssel zur erneuerung liegt - vorausgesetzt, man wühlt nicht nur im eigenen gedärm, sondern blickt, wie vor hundert jahren in fast jedem naturwissenschaftlichen werk einleitend stand, "auf bau und leben der gesamtheit".

tipp: beim schreiben nicht nur den momentanen gefühlen lauf lassen, sondern stoffsammlungen wie die hier vorliegende erstmal sortieren, auf plausibilität überprüfen, reflektieren und dann erst das zu papier bringen, was als "eigen" erkennbar sein könnte. hier findet sich zunächst aber nichts als das ziemlich monotone lamento darüber, es sei alles eitel.

aber das stimmt, wie wir wissen, ja schon vom grundsatz her nicht. im universum herrscht entropie, nichts geht verloren. mag sein, dass man zu dieser erkenntnis nur dann gelangen kann, wenn man ein paar jahre auf dem buckel und entweder eigene kinder hat oder jemanden, dem man sie begleiten hilft.

die berichterstattung über den armen tropf enke - dessen schicksal mich sehr berührt - hat den tod dessen töchterchens zwar immer wieder erwähnt, aber keinen sagen lassen, dass dieser mensch ganz gewiss noch lebte, hätte er sie nicht verloren. sie war die einzige, die ihn wirklich gebraucht hätte...

liebe grüße aus münchen

bluefin
 

jws

Mitglied
Hallo, ihr da draußen.

Ersteinmal ein generelles Dankeschön für euer Interesse.

systematisch:
Wipfel;
Offenbar ist es dir nicht möglich, dich "wirklich" auf meinen Text einzulassen, sonst wäre dein Kritikansatz ein völlig anderer. Du bemängelst in erster Linie die "logische" Anfechtbarkeit der Einzelaussagen(die sich im Endeffekt in der Anlage von Einzelaussagen an sich begründet, und da deduktive(logische) Denkweise sich immer auf irgendwie geartete Axiome stützt (stützen muss), sind alle daraufhin getroffenen Aussagen anfechtbar, da selbst Kreisschlüsse demontierbar sind). Da ich mein Konzept innerhalb des Textes zwar färbe, aber nicht in sich verändere, nehme ich den von dir angesprochenen Satz als Beispiel für meine Ausführungen.
"Wenn ich allem auf Augenhöhe begegne, gibt es keine Augenhöhe, auf der man mir begegnen könne." Wir haben eine Annahme, und eine Schlußfolgerung(die du übringens nicht hinreichend widerlegst oder den Versuch dazu anstellst, insofern ist dieser Text hier prophylaktisch zu verstehen), die der Annahme zugeordnet wird. Auf den ersten Blick könnte das Satzkonstrukt wie eine Gleichungsaussage aufgefasst werden. Tut man das aber, kommt man nicht weiter, weil die Aussage auf die in sich ruhenden Elemente verweist. Trennen wir die Annahme von der Schlußfolgerung, so erhalten wir folgendes:
"Ich begegne allem auf Augenhöhe." Jetzt sieht der Satz schon deutlich dichter aus: denn die Problematischen Wörter sind "allem" und "Augenhöhe", da sie -wie zum Beispiel in Aphorismen auch- nicht entwickelt werden. Dass hier wohl kaum die Tatsächlich messbar Augenhöhe eines Menschen gemeint wurde, kann man daraus folgern, dass ein Element verwendet wird, das sehr problematisch ist, nämlich die Syntax "alles". Nimmt man also den Text ernst, wird man dort früher oder später hängen bleiben, weil dieser Begriff in sich nicht haltbar ist. Wieso sollte jemand eine Annahme treffen, deren Elemente nicht haltbar sind?
Wir erinnern uns an das Konzept der Beweise von Aussagelogik. Zum Beweis wird eine Aussage erst falsifiziert, um dann einen Widerspruch zu erzeugen. In gewisser Weise folgt der Satz also der Aussagelogik, nur in dem Punkt nicht, als dass die folgernde Aussage nicht konstatiert wird. Der Leser bekommt nur Gegenannahme und den Widerspruch und hat sich folglich selber mit der Interpretation zu beschäftigen.
Zur Syntax: Wenn wir das strukturelle Problem von "alles" mal kurz außer acht lassen, und als Beschreibung der Erfahrung (eigentlich möchte ich schreiben: "μετα", aber das versteht dann wieder niemand) von Konfrontation mit anderem Dasein annehme(->struktur von "begegnen"), so ist der geschilderte Vorgang logisch nachvollziehbar: Ist alles in gleicher Weise relevant (metapher dazu: Augenhöhe), so hat nichts eine Bedeutung, da Bezugssyteme und Perspektiven in ihren Grundlagen angegriffen werden und Bezug nicht herzustellen ist.
So, bis hierhin und nicht weiter schreibe und erläutere ich.
Zurück zu deiner Kritik.
Nein, ich will nicht fordern, dass man mir auf Augenhöhe begegnet.

bluefin;
Ich mache jetzt etwas, das ich eigentlich sehr unhöflich finde, und das nicht zu meinen Angewohnheiten gehört; ich konfrontiere dich mal mit deiner Grundannahme. Diese lautet(ich nehme in kauf, dass ich dich hier missverstehe): "im universum herrscht entropie, nichts geht verloren." Abgesehen davon, dass du mir nicht beweisen kannst, dass das Universum ein geschlossenes System ist(wovon diese Aussage ausgeht), wird es hier an der Stelle kritisch, an der du "entropie" und verlustfreiheit von [hm, ja was nun eigentlich? information?] gleichsetzt. Gehen wir nämlich von einem Universum aus, das ein geschlossene System darstellt, so müssen wir zu dem Schluß kommen, dass der Grundzustand ein recht Energiereicher war, und dass unsere Umstände die Folgen eines Ungleichgewichtes sein müssen, weil sich ja Dinge verändern (also Zeit existiert, aber das will ich mal nicht wirklich ausführen), und daher es eine Form von Gleichgewicht geben muss, oder aber einen Ausgangszustand, der weniger enthalten hätte als jetzt und einen Endzustand, der mehr enthalten würde als jetzt. Da sich aber auf Quantenebene nichts verändert und Bewusstsein nicht materiell zu manifestieren ist, da Materie sich ja von den Grundbausteinen nicht verändert halte ich diese Aussage für fälschlich, weil sie annimmt, dass die auftretende Kumulation von Energie tatsächlich eine Veränderung bedeutet. Aber das können wir meiner Ansicht nach erst beurteilen, wenn wir ein Resultat haben, der Prozess also abgeschlossen ist, bis dahin sind die Möglichkeiten einfach zu komplex (ich erinnere dazu an das "drei-körper-problem"). Und da wir noch existieren halte ich das für nicht haltbar.
So, nun genug von der "abstrakten" Perspektive, die du von mir verlangen möchtest.
Dieser Text ist (offensichtlich!) assoziativ und damit keiner logisch nachvollziehbaren Struktur unterworfen, die sich in den Einzelaussagen und deren Beziehung erkennen ließe. Diesen Anspruch also zu stellen, bedeutet am Text selbst vorbei zu lesen, da die Auseinandersetzung mit ihm unmöglich wird, wenn der Leser vom Text einen Umstand erwartet, den er(der text) nicht selbst entwickelt. Was ist also die Aussage?
Keine andere als eine emotionale, die sich in Grundkonflikten begründet. Und inwiefern man das nicht nachvollziehen kann, kann ich wiederrum nicht nachvollziehen. Jedenfalls, wenn man die Grundkonflikte begriffen hat und sie ernst nimmt.
Mut zum Selbstzweck und so.
Achja: Inwiefern ist ein Text, der nur "eine" Aussage hat, bitte zu kritisieren, wenn er sie aus unterschiedlichen Perspektiven trifft?
Deine Bezugnahme zu dem Kerl mit der Tochter kann ich nicht nachvollziehen, ich bitte um einen erneuten Mitteilungsversuch.


Ich hoffe, ich habe niemanden wirklich missverstanden

jws.
 
B

bluefin

Gast
[blue]heile welt war vor dem urknall.
ihre scherben zu kitten,
bleibt uns nur
fantasie.
[/blue]

...*bubbles*...

bluefin
 

Wipfel

Mitglied
na klar, @jws,du sagst es! Es war mir nicht möglich, mich "wirklich" auf deinen Text einzulassen, sonst wäre mein Kritikansatz ein völlig anderer. Da gibt es nun zwei Möglichkeiten: es liegt an meiner Unfähigkeit oder an deinem Text. Letzteres wollen wir mal nicht annehmen. Oder doch?

Die Geburt ist nur der Vorbote des Todes. Es ist kein dunkler Bote, er ist der einzige der mächtig ist. Die einzige Konstante.
Nehmen wir doch mal diese Es. Was oder wer ist es? Nach alldeinen ausführliche Eräuterungen wirst du dir etwas dabei gedacht haben. Es muss etwas sächliches sein. Der Tod ist nicht gemeint, wie auch, dann wäre das Es ja ein Fehler. Wird schon nicht... Und außerdem ist der Tod (zumindest für die meisten hier und mich) ein dunkler Bote. Also nicht der Tod. Ah, die einzige Konstante vielleicht. Die einzige Konstante ist die Veränderung. Das der Tod der einzige mächtige sei ist natürlich Unsinn. Er hat keine Macht über die Geburt. Genauso könnte man behaupten: Der Tod ist nur der Vorbote der Geburt. Wer hier seine Angst vor dem Tod als Maßstab nimmt, springt zu kurz. Der Natur an sich und der Menschheit insbesondere ist es relativ schnurz.

Irgendwann habe ich mal das Sterben des Todes betrachtet:

Des Gevatters Tod

In alten Zeiten stand der Gevatter
Am Ende eines Bettes und
Immer wenn die Lebensuhr eines Menschen

[blue]Zwölf[/blue]

Schlug, stellte er nur kurz
Die Sense ab und blies es aus
Das Licht
So erzählten sich die Alten
Leuchtet manchmal

[blue]Tausend menschen[/blue]

Aus der Dunkelheit. Und diese Frage sei gestellt
Warum gerade dieser oder jene
Und außerdem und sowieso
Wer hat den Sensenmann bestellt?

[blue]Wurden täglich[/blue]

Auch die Tränen auf dem Friedhof abgesenkt
In alter Zeit war sterben Teil
Des Lebens und der Lieben man gedenkt

[blue]In auschwitz [/blue]

Hat sich der Gevatter übernommen
Was so nicht vorhergesehen war
Völlig entkräftet starb der Tod
Und wurde mit millionen Seelen

[blue]Verbrannt[/blue]

Ist seither unser Leben
Wer immer das Erinnern bannt
Ihm oder ihr gedenk ich nicht

Grüße von wipfel

PS: Aber ganz ehrlich - mir ist das auch relativ egal. Ich will dir gar nichts beweisen und du musst es nicht.
 



 
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