Mirko (Aus der Bahnhofsmission)

Mirko
(Aus der Bahnhofsmission)

Mirko kam jeden Tag, um sich ein Wurstbrot und einen Becher Kaffee abzuholen.
Wir hatten das Gefühl, dass es ihm eigentlich gar nicht um sein leibliches Wohl ging.
Er wollte reden, wollte schimpfen.
Reden über seine Probleme, schimpfen auf die Gesellschaft, die ihn so mies behandelt.
Mirko war drogenabhängig. Wegen Beschaffungskriminalität hatte er schon öfter in der JVA eingesessen.
Unseren Ratschlag, zur Drogenberatung zu gehen, tat er mit einer Handbewegung ab. ''Mir kann keiner helfen,'' waren seine ständigen Worte. Eines Tages brächte er sich sowieso um. Drohend fügte er immer noch hinzu, dass er dann einige Leute, die ihm übel mitgespielt hätten, mitnehmen würde.
Mirko war ein 31jähriger, gut aussehender Mann. Blonde Haare, große blaue Augen, die aber ihren Glanz verloren hatten. Sein manchmal gequältes Lächeln zeigte uns, dass ihm zwei Schneidezähne fehlten. Schlägerei, war seine lakonische Erklärung
Wir gaben nicht auf und wiesen immer wieder auf die Drogenberatung hin. Eines Tages nahm er mit einem Zweifel im Gesicht den Flyer der Drogenberatung an. Seine Hände zitterten leicht. Er sah wohl ein, dass er so nicht weiterleben konnte.
Eine Woche später stürmte er regelrecht in die Bahnhofsmission. ''Ich bin auf Methadon! Wenn ich acht Wochen durchhalte und keine Drogen nehme, kann ich eine Therapie antreten! Mirko war wie umgewandelt Sein Lächeln wirkte so glücklich, dass man das lückenhafte Gebiss übersah. Bei seiner Euphorie hatten wir ein komisches Gefühl. Man weiß ja, dass der Weg aus der Drogenabhängigkeit nur ''Schrittchen für Schrittchen'' zu bewältigen ist. Mirko wollte alles mit Riesenschritten angehen, sprach sogar davon, wenn er richtig clean wäre, wolle er Streetworker werden, um anderen Drogenabhängigen zu helfen.
Wir ließen ihm natürlich die Freude. In der Therapie würde man ihm schon den richtigen Weg zeigen.
Mirko kam lange Zeit nicht. Wir machten uns keine Gedanken, dachten, er habe die Therapie angetreten.
Dann hörten wir, dass Mirko tot sei. Er hatte nicht durchgehalten, war rückfällig geworden. In seiner Wohnung veranstaltete er mit seinen Drogenfreunden eine Party und setzte sich den letzten, den ''Goldenen Schuss''.
Seine Partygäste flohen aus der Wohnung, nahmen noch seinen Kassettenrecorder und sein Radio mit.
Dann riefen sie aber anonym den Notarzt an, so dass der tote Mirko schnell gefunden wurde.
Das sind Ereignisse in der BM, die doch sehr betroffen machen.

Marie-Luise Wendland
 



 
Oben Unten