Mittagsgebet

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zarah

Mitglied
Mittagsgebet

Ich war mal jung, ich war so frei
mir ungesundes Leben
gewissenlos zu gönnen
Graues Haar betraf mich nicht
keine Falte störte im Gesicht
mein Körper war recht schön
Ich fühlte mich unsterblich
ich liebte mich
ich würde alles können
irgendwann
alles würde gehn
irgendwie

Irgendwann
das war wohl schon gewesen und
irgendwie
hab ich das scheinbar knapp verpasst
Ich bin jetzt fünfzig Jahre alt
und seh´ kein bisschen jünger aus
Die Realität – allein das Wort
das hab ich früher schon gehasst –
die ist mir ganz dicht auf den Fersen
und hat mich wohl bald eingeholt

Egal - ich glaube trotzdem immer noch
an ein Leben vor dem Tod.

Amen
 
B

bonanza

Gast
zarah, da fehlt eigentlich alles, was sprachlich zum thema
angemessen reinhauen sollte. entweder in die schreibwerkstatt
oder im stillen kämmerchen überarbeiten, ausformulieren ...
wie auch immer.
deine gedanken gefallen mir.

bon.
 

zarah

Mitglied
Hallo Bon,

wenn sich noch andere Deiner Meinung anschließen, oder sich keiner mehr meldet, werde ich Deinem Ratschlag folgen und das Gedicht mal in die Schreibwerkstatt schicken.

Danke, dass Du Deine Meinung dazu abgegeben hast.

Gruß
Zarah
 

Sonnenkreis

Mitglied
Liebe Zarah,

mein Empfinden beim lesen ist folgendes:

Das Gedicht ist ehrlich, es ist offen und es
läßt sich flüssig lesen. Mag sein das der In-
halt "Jüngere" etwas erschreckt; mir entlockt
es mehr ein wissendes Lächeln.

Und ja, ich beoabachte bei vielen Menschen das
es mit 50+ erst richtig lustig wird...

Liebe Grüße
Sonnenkreis
 

chrissieanne

Mitglied
hallo zarah,
dein text gefällt mir vom inhalt sehr, er spricht mir so fein aus der seele - nur mit einem gebet hat er nun wirklich gar nichts zu tun. recht holprig ist er zudem, also wenn dir was an ihm liegt, würde ich da auch nochmal rüber.
lg
chrissieanne
 
@ zarah

"mittagsgebet"?
Ja, es ist eines, erinnert mich an Brecht, Mutter Courage, singen könnte man das in genau der gegebenen Form, zB nach einer Melodie von Weill o.ä.
Meine Güte, da könnte man etwas daraus machen!
Auch dieser Text: Herzerfrischend ungekünstelt und authentisch, das ist was wie verbales Holzschnitzen, Späne fliegen, das ist noch nicht fertig, und es kann nicht fertig sein, weil es tatsächlich noch lebt.
Das vermeintlich "Unlyrische" an diesem Text ist (erlebe ich als) die Lyrik eines gelebten Lebens ohne Wenn und Aber, das als Prozess noch weitergeht.

Und ein Bild fällt mir dazu ein:
Der Text ist keine zuckersüße Blumenwiese, sondern etwas in der Art eines herbstlichen, herben Buchenwaldes. Er hat Aroma und Tiefe, Dimensionen, und Kraft.
 

zarah

Mitglied
Waldemar,

"die Lyrik eines gelebten Lebens ohne Wenn und Aber, das als Prozess noch weitergeht."

Korrekt, genau das ist es.

Gebet als Titel hatte sich mir irgendwie aufgedrängt und ich habe es dann so übernommen, nachdem alle Reflexion kein neues Ergebnis bringen wollte.

Ich hatte vor, dieses Gedicht in die Schreibwerkstatt schicken und mir deshalb einen Auszug aus Wikipedia zum Thema Gebet herausgesucht: "Es gilt als allgemein anerkannt, dass der göttliche, das Gute erstrebende Wille nicht zu ändern ist, dass aber die Gebetstätigkeit in der Lage ist, den Willen des Menschen zu stärken, seine Seele zu läutern und somit eine ganzheitliche Änderung zum Guten zu bewirken. So kann das Gebet dem betenden Menschen neue Erkenntnisquellen öffnen und ihm inneren Antrieb zur Erfüllung seiner Bitten und Wünsche verleihen.
Diese Definition kannte ich allerdings noch nicht, als ich das Gedicht schrieb.

Der Satz, der mich selber stört, ist folgender:
keine Falte störte im Gesicht

Da holpert es; aber mir ist bisher noch nichts Besseres eingefallen.
Vielleicht soll es aber auch so sein, denn im Leben holpert es ja auch ständig.

Gruß
Zarah
 



 
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