Mondmilch

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Perry

Mitglied
Mondmilch


Vor allem nachts
wenn er nicht schlafen kann
immergleiche Fragen
aus dem Lichtkegel schießen
sich in sein Gehirn brennen
wie die Striemen auf dem Rücken

Dabei hat er längst alles gesagt
was er wusste, glaubte zu wissen
der Lohn war nur Schweigen
tagelange Einzelhaft
Wie viel Stille erträgt ein Geist
bevor er verödet

Vor allem nachts
wenn er keinen Liegeplatz findet
mit geschlossenen Augen
den Mond bittet sein Freund zu sein
trinkt er in vollen Zügen
das bleiche Licht des Vergessens


2. Fassung:

Mondmilch


Vor allem nachts ...

wenn die immergleichen Fragen
fontänengleich aus dem Lichtkegel
der Verhörlampe schießen
sich als Lavatränen
ihre Spur talwärts brennen
er sogar das Echo verrät
nur um Ruhe zu finden

wenn die Ungewissheit
das spärliche Grün
auf den Nordhängen abweidet
bis zur Wurzel
nur spitzer Fels bleibt
auf dem er barfuss
zum Morgen humpelt

wenn er wieder und wieder aufschreckt
den Mond über fremden Bergen
bittet sein Freund zu sein
er in vollen Zügen
sein bleiches Licht trinkt
nur um einmal noch
Mutternähe zu spüren

fehlt ihm ihre Hand
 

Joneda

Mitglied
amnestie

Guten Morgen Perry,

meine erster Gedanke, ein Folteropfer.
Ein sehr intensiver Text. Grausam.

LG Joneda
 

Perry

Mitglied
Hallo Joneda,
Folter ob körperlich oder geistig ist leider immer noch in vielen Gefängnissen zu finden. Ich habe versucht mich lyrisch mit dieser Unmenschlichkeit und dem Leid der Betroffenen auseinander zu setzen.
Danke fürs Lesen und LG
Manfred
 
P

Prosaiker

Gast
die mondmilch ist sehr gelungen, erinnert natürlich sofort an celans schwarze milch.
der rest ist absolut nichts, was dem thema gerecht wird.
eine viel zu schwache sprache, die gemeinplätze beisammen hält. der text schockiert mich nicht. weder sein inhalt, noch seine aufmachung erreichen mich. viel zu brav, viel zu bieder. würdest du den leser wenigstens mit zynismus o.ä. provozieren - nichts dergleichen.
es tut mir leid, aber das liest sich für mich wie: "jetzt hab ich wenigstens auch mal was zum thema folter geschrieben!"
ich möchte dir nicht deine intention und deinen guten willen absprechen.
das in ein gedicht zu packen ist jedoch, meiner meinung nach, misslungen.
viele grüße,
Prosa.
 

Joneda

Mitglied
Betroffenheit

Guten Abend Prosaiker,

es braucht nicht immer aufgeschnittene Leichen, deren Blut noch frisch über die weißen Blätter rinnt.
Betroffenheit entsteht so oft aus Unerwartetheit.
Wer vermutet hinter Mondmilch so ein Bild?
Gerade das ruhige,"normal", Beschreibende schockt, macht aus dem Alltäglichen des Opfers einen Teil unseres Alltags.
LG Joneda
 

Perry

Mitglied
Hallo Prosaiker,
danke für deine offene Meinung, die mir allerdings nicht wirklich weiterhilft, denn Zynismus dürfte bei diesem Thema wohl fehl am Platz sein. Die Mondmilch umschreibt die einzige Hoffung des Gefangenen, die er in vollen Zügen trinkt, die aber bleich ist wie das Licht des Mondes und keine Wärme spendet.
Paul Celans "schwarze Milch er Frühe" ist meiner Meinung nach viel elementarer angesetzt und drückt die direkte Todesnähe aus. Mir geht es mehr um die Verweigerung von Grundrechten.
Tut mir leid, dass ich dir keinen "Schocker" bieten konnte, war auch nicht meine Intention.
LG
Manfred
 
P

Prosaiker

Gast
es braucht nicht immer aufgeschnittene Leichen, deren Blut noch frisch über die weißen Blätter rinnt.
Betroffenheit entsteht so oft aus Unerwartetheit.
ich weiß nicht, warum du antwortest, ich sprach den autor dieses gedichtes an.
zu deinem kommentar: er fliegt ins leere.
betroffenheit aus unerwartetheit. in ordnung. aber: hier ist nichts unerwartet. nach den ersten 2 zeilen ist alles vorhersehbar und langweilig und bieder, wie ich es bereits schrieb. warum du mit blut und aufgeschnittenen leichen antrabst, kann ich auch nicht nachvollziehen. kannst du es?

Wer vermutet hinter Mondmilch so ein Bild?
was ich auch noch schrieb: die Mondmilch ist das einzige, was meiner meinung nach was taugt in diesem text.

das gedicht selbst ist nicht nur alltäglich, es ist viel zu läppisch, viel zu unpersönlich. berührt mich so wenig wie ein artikel in der zeitung.
das ist gefährlich bei so einem thema, denke ich.

zu deiner antwort perry, die ich jetzt sehe: ich habe den zynismus als beispiel genommen. ich wollte, es gäbe emotion in deinem text. oder anständige resignation. irgendwas. irgendwas, das auf leben hinweist, gerade im kontrast zum tod. nichts dergleichen, nirgends. ein zeitungsartikel. gelesen, vergessen. unberührt.
vg,
Prosa.
 
E

eowyn

Gast
hi perry!

also, mir gefällt dein gedicht so, wie es ist, ziemlich gut. auch ich kann mich prosa.s meinung, da müssten noch ein paar schockierendere teile rein, nicht anschließen. so, wie es ist, hat es für mich eine große aussagekraft.

unter mondmilch hätte ich auch das verstanden, was du damit wohl gemeint hast. außerdem würde ich sagen, der gefolterte braucht diese mondmilch, denn mit milch assoziiere ich in diesem zusammenhang in erster linie auch muttermilch. seine lebensnahrung, "das bleiche licht des vergessens".

lg
eowyn
 

Perry

Mitglied
Hallo Prosaiker,
ich verstehe deine Aufregung nicht ganz, wir versuchen hier Textarbeit zu machen und dabei ist dein "Anspruchsdenken" nicht gerade hilfreich. Wenn du was Konstruktives beizutragen hast, dann bitte.
LG
Manfred

Hallo eowyn,
danke für deine Meinung und deine Interpretation zu diesem sicher nicht leichten Text.
Da mich aber gerade das Schwierige reizt, habe ich versucht die Thematik noch etwas besser aufzubereiten (siehe 2. Fassung).
LG
Manfred
 
P

Prosaiker

Gast
ich verstehe deine Aufregung nicht ganz, wir versuchen hier Textarbeit zu machen
das stimmt nicht ganz. weder rege ich mich auf, noch macht ihr textarbeit. die einen loben dich, das gefällt dir - verständlicherweise; mit textarbeit hat das jedoch nichts zu tun.
ich bin derjenige, der kritik übt - das gefällt dir nicht, wiederum verständlicherweise; aber ich bin auch derjenige, der konkret sagt, was gut und was schlecht ist.
darauf legst du keinen großen wert, akzeptiert.
dann soll dieser mein letzter kommentar zu deinem gedicht sein.
vg,
Prosa.

ps: die 2te fassung gefällt mir besser als die erste. liegt wohl hauptsächlich am fixen rhytmus.
 
S

Saurau

Gast
hallo Perry!

lass dir ruhig sagen, was gut und was schlecht ist. das lässt sich der protagonist auch, obwohl er es besser weiß. die zweite fassung spricht davon auch meiner meinung nach die besseren bände.

liebe grüße, daniel
 

Perry

Mitglied
Hallo Daniel,
danke für deine Aufmunterung. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Kritik solange sie nicht vordergründig abwertend ist.
Trotz der kontroversen Diskussion glaube ich, dass es sich lohnt mit der 2. Version weiterarbeiten.
LG
Manfred
 



 
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