Mousse au Morte

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Ivy

Mitglied
Mousse au Morte


Als sie die 2 Eier aufschlug, dachte sie an seinen weißen Schädelknochen.

Zu gerne hätte sie auch diesen gespalten, an derselben Tischkante, von der er sich nach dem Abendessen so behaglich abstieß, mit einem Seufzer statt einem Kompliment. Ohne auch nur seinen eigenen Teller in die Spülmaschine zu stellen, geschweige denn, das Ausräumen zu übernehmen.

Als sie die beiden Eier trennte, dachte sie an seine junge Geliebte.

Zu gerne hätte sie auch diese von ihrem Ehemann getrennt. Rückstandslos und zügig.

Als sie die 300g Schokolade zerhackte, dachte sie an die dunkle Erde im Garten.

Zu gerne hätte auch sie einmal weniger hart gearbeitet. Die Hände nicht immer zerschunden und rissig, mit Rändern unter den Nägeln.

Als sie die Vanille aus der halben Schote kratzte, dachte sie an den wertvollen Kern, an den sie immer geglaubt hatte.

Zu gerne würde sie in ihre Jungend zurückreisen und die naive 19jährigen davor warnen, sich auf Drängen der Eltern mit dem Mann, der sie geschwängert hatte zu vermählen.

Als sie die 7 Zuckerlöffel abzählte, dachte sie an die süßen Versprechen.

Zu gerne hätte sie deren Einhaltung jetzt eingefordert. Immer wieder ein „Ich bessere mich“, das „es kommt nicht wieder vor“ oder ein „das hat mir nichts bedeutet“. Abgesagte Reisen und Quittungen aus fremden Städten, aber keine Dessous für sie.

Als sie den Eischnee schlug, dachte sie an die kalten Winter, in denen sie buchstäblich die Kohlen aus dem Feuer geholt hatte, damit sie nicht zu schnell verbrannten.

Zu gerne hätte sie sie brennen lassen, das ewige Sparen hatte ihr zum Halse herausgehangen. Und er hatte seinen Freundinnen Pralinen gekauft.

Als sie die 250ml Sahne schlug, dachte sie an ihre Hochzeitstorte, die ihm zu teuer gewesen war.

Zu gerne hätte sie oben ein Zuckerpaar gehabt. Wäre dann alles anders geworden?

Als sie die Schokolade im Wasserbad schmolz, dachte sie an all die Stunden, in denen sie verzweifelt gewartet hatte.

Zu gerne hätte sie auch diese zerstückelt, eingeschmolzen und zu etwas Neuem umgewandelt.

Als sie die Mischungen vorsichtig untereinander hob, dachte sie an die Ehe ihrer Eltern.

Zu gerne hätte sie dieses Vertrauen, den Respekt und die Zuneigung nachgelebt.

Als sie das Arsen hineintropfen ließ, lächelte sie…
 
Re: also,

na, wir wollen doch mal nicht all zu spitzfindig sein, oder...?

denn wenn schon nicht unter humor einzuordnen, so sind durchaus satirische elemente zu erkennen.
außerdem ist der text nicht unlustiger, als viele andere hier, die weit offensichtlicher das banner humor & satire emporhalten & wohl damit genau den geschmack des plenums treffen.

... & damit jetzt hier nicht nur überflüssiges textsortengefachsimpel auftaucht, schreib ich noch:
gute idee, gut umgesetzt, gut zu lesen!
gruß,
-dennis-
 

Ivy

Mitglied
Hi ihr Lieben!

Nicht für oder um mich in die Köppe kriegen...
Manchmal ist etwas schwer, die Schublade zuzuordnen und zuzubekommen...

Das ganze ist mir beim Kochen ebenjener Mousse Au Chocolate eingefallen (aussser der letzten Zutat), weil ich Rezepte echt doof finde und wollte mal ausprobieren, was sich daraus noch machen lässt - aber die Rubrik "Rezepte" gibt´s hier halt einfach nicht... (grins)

Vielleicht mach MANN mal was anderes aus einer Ikea-Aufbauanleitung???

lol
IVY
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

dennis, satire worauf?

ikea danebengeglücktes hatten wir schon.
ich finde deine geschichte durchaus gut, aber eben nicht humorig.
lg
 

norge

Mitglied
Hi

ob Humor (eher nicht) oder Satire (kaum - aber interpretierbar)
ich fand die Idee supergut und ebenso gut umgesetzt!

Schön schaurig

VG

norge
 

Ivy

Mitglied
Hallo Norge!

Danke für das Kompliment!
Ja, ich weiss: eigentlich schreibt man Zahlen unter zwölf aus... Aber das ist in Rezepten eben anders... grins.

Hallo Zeder!

Warum im "Tagebuch"? Hm... (gestern gab´s Mousse au Chocolat und mir gehts noch gut...)

Kann der Admin das verschieben, wenn ich ihn lieb bitte?

lol
IVY
 

Ivy

Mitglied
Hallo Zeder!

Huch, da steht in der Rubrik-Beschreibung des Tagebuchs:

Hier finden sich Texte, die technisch den Charakter eines Tagebucheintrags haben, und solche, die besondere, persönliche Erfahrungen beschreiben
Da komm´ ich schon ins Grübeln.
Technisch gesehen ist das ein Rezept.
Und nein, ich habe mit Arsen noch keine persönlichen Erfahrungen gesammelt (hab´s auch in nächster Zeit nicht vor...)

Warum hättest Du den Text also gern im Tagebuch?

verwirrte Grüße
Ivy
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Ivy,

Huch, da steht in der Rubrik-Beschreibung des Tagebuchs:
"Hier finden sich Texte, die technisch den Charakter eines Tagebucheintrags haben, und solche, die besondere, persönliche Erfahrungen beschreiben"
... na eben deshalb! Schriftstellerische Freiheit, oder?

Ist wirklich nur meine Meinung, verwirren will ich dich nicht!

Grüße von Zeder
 

Ivy

Mitglied
Hallo Zeder!

Ah - mir dämmert´s: gerade dann wird es Satire.
Sollte mal wieder nachfärben, das blond kommt durch.
(Dann schiebt mal schön... grins)

lol
Ivy
 
Kleine Schwachstellen

Hallo Ivy,

ich habe mir gerade deinen Kurzkrimi angeguckt. Prima Grundidee, flott runtergeschrieben. An diversen Stellen ist mir jedoch Einziges aufgefallen. (siehe unten.
Ich hoffe, du kannst mit meinen Kommentaren was anfangen.

Grüße
Marlene

++++++++++++++


Als sie die 2 Eier aufschlug, dachte sie an seinen weißen Schädelknochen.
Zu gerne hätte sie auch diesen gespalten, an derselben Tischkante, von der er sich nach dem Abendessen so behaglich abstieß, mit einem Seufzer statt einem Kompliment. Ohne auch nur seinen eigenen Teller in die Spülmaschine zu stellen, geschweige denn, das Ausräumen zu übernehmen.
(( Schädelknochen sind erst dann nackt und bloß und weiß, wenn sie lange in der Erde gelegen haben. Die Prot. könnte dem Mann lediglich den Schädel als Ganzes einschlagen, weil das Gewebe alles zusammenhält.))

Zu gerne würde sie in ihre Jungend zurückreisen und die naive 19jährigen davor warnen, sich auf Drängen der Eltern mit dem Mann, der sie geschwängert hatte zu vermählen.
(( Klingt mir sprachlich zu bombastisch. Sie hat dem Drängen der Eltern nachgegeben, den Mann zu heiraten, von dem sie ein Kind erwartete - und, es ist von teuren Reisen die Rede, der zudem Geld hatte. ))

Als sie den Eischnee schlug, dachte sie an die kalten Winter, in denen sie buchstäblich die Kohlen aus dem Feuer geholt hatte, damit sie nicht zu schnell verbrannten.
(( Klingt unglaubwürdig. Der Mann hätte doch selber frieren müssen. Abgesehen davon brennen Kohlen nicht langsamer, wenn man sie aus dem Feuer holt und - wohin überhaupt? - woanders hinlegt. Das Einzige was hilft, ist, weniger Kohlen in den Ofen werfen. ))

Als sie die 250ml Sahne schlug, dachte sie an ihre Hochzeitstorte, die ihm zu teuer gewesen war.
(( Unglaubwürdig. Die Torte wird normalerweise von dem bezahlt, der die Hochzeit ausrichtet. Dies sind für gewöhnlich die Eltern der Braut und/oder des Bräutigams. Brautleute haben damit nur wenig zu tun. Außerdem wäre sämtlichen Gästen aufgefallen, was für ein Geizkragen der Mann ist. Und dass wäre ihm viel zu peinlich gewesen. Hat ja auch später immer drauf geachtet, nach außen hin den Schein zu wahren. ))
Als sie die Schokolade im Wasserbad schmolz, dachte sie an all die Stunden, in denen sie verzweifelt gewartet hatte.

Zu gerne hätte sie dieses Vertrauen, den Respekt und die Zuneigung nachgelebt.
(( Statt "nachgelebt" besser ein "selber erleben dürfen". ))
Als sie das Arsen hineintropfen ließ, lächelte sie?
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Ivy,

ein hübscher Text - er lebt von der Grundidee. Sicher könnte man noch dies und das "glaubwürdiger" (in Hinsicht auf M. Geselle) formulieren, ist aber nicht unbedingt nötig: der Text erhebt ja nicht den Anspruch eines realistischen, "überzeugenden" Werkes, sondern will eher eine grundsätzliche Stimmung satirisch überhöht wiedergeben.

Verbessern würde ich lediglich folgenden Satz:

Zu gerne würde sie in ihre Jungend zurückreisen und die naive 19jährigen davor warnen, sich auf Drängen der Eltern mit dem Mann, der sie geschwängert hatte zu vermählen.

Die "Jungend" soll sicher Jugend heißen, bei der 19jährigen ist ein "n" zu viel, hinter "geschwängert" fehlt ein Komma, da es ein Einschub ist.

Hab mich köstlich amüsiert!

LG

P.
 



 
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